Originaltitel: Angel Town__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1990__Regie: Eric Karson__Darsteller: Olivier Gruner, Peter Kwong, Theresa Saldana, Frank Aragon, James Carrera, Gregory Cruz, Barbara Allyne-Bennet, Lupe Amador, Frankie Avina, Mark Dacascos u.a. |
Los Angeles, die Stadt der Engel, zeigt in manchen Stadtteilen durchaus ein ganz anderes, wenig engelgleiches Gesicht. So auch in „Angel Town“. Hier prallen verschiedenste ethnische Gruppen aufeinander, die Bandenkriminalität wuchert munter vor sich hin und selbst die Polizei traut sich nicht wirklich, gegen die Zustände zu intervenieren. Eine der erwähnten Banden hat es vor allem auf den jungen Martin und dessen Mutter abgesehen. Beide leben im Wirkbereich der Bande, denken aber nicht daran, sich deren Repressalien zu beugen. Als auch noch ein Franzose auftaucht, der an der städtischen Uni Maschinenbau studieren will und in dem Haus von Martins Familie eine billige Bleibe findet, scheint das Terrorregime der Bande vollends gebrochen. Denn Jacques ist Weltmeister im Kickboxen und schlägt alle Lumpenhunde, die ihm und seinen Vermietern zu nahe kommen, windelweich. Doch die Latinogang lässt sich davon nicht abschrecken, eher wird sie in der Wahl ihrer Mittel immer konsequenter und die Gewaltspirale dreht sich bis zum unvermeidlichen Showdown.
„Angel Town“ war einst ein Star-Vehikel für den Kickbox-Weltmeister Olivier Gruner, den man mit einer kostengünstigen, aber unterhaltsamen Produktion dem damals noch deutlich actionhungrigeren Publikum vorstellen wollte. Zu gerne wollte man neben den damaligen Actionhelden einen weiteren Star etablieren. Leider ging dieses Vorhaben nicht wirklich auf. „Angel Town“ schaffte es zwar sogar in Deutschland ins Kino, viel mehr Filmen von Olivier Gruner war aber kein ähnliches Schicksal beschieden. Olivier wurde im Grunde ohne jeden Zwischenstopp in die Videotheken durchgereicht und bis auf einige wenige coole Kracher wie „Nemesis“ oder „Savate“ (unter der Regie von Isaac Florentine) wollte ihm kein rechter Hit gelingen. Zumindest spielte er noch in einigen soliden Streifen mit, etwa „Mercenary“ und „Automatic“, und auch seine schlechteren Streifen hatten immer einen gewissen Unterhaltungswert. Doch spätestens ab 2000 griffen er oder sein Management nur noch ins Klo. „Swat – Warhead One“ oder „Power Elite“ bilden dabei den absoluten Bodensatz in seiner Karriere und innerhalb des Actiongenres ebenfalls. Selbst seine Eigenregie-Projekte („Re-Generator-The Killing Machine“, „Sector 4“) wollen nicht so recht funktionieren.
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Zumindest schien zur Zeit von „Angel Town“ noch alles halbwegs in Ordnung. Das funktionale Drehbuch war komplett auf Olivier Gruner ausgelegt. Um seinen französischen Akzent zu verbergen, verpasste man ihm die Rolle des einsamen Fremden, der in eine Stadt einreitet, nicht viel spricht und mehr durch Taten überzeugt. Die Figurenzeichnung gerät dabei vor allem in Richtung der Latinos fast schon rassistisch und dumm, allerdings funktionieren die Figuren so als Kanonenfutter für Oliviers Arme und Beine umso besser. Was an „Angel Town“ überrascht, ist, dass er das Ausweglose der Gewaltspirale erstaunlich gut umgesetzt bekommt. Vor allem Gruners Figur offenbart da erstaunliche Züge. Zunächst ist Jacques nämlich eher am Reagieren denn am Agieren. Mit der Zeit ändert sich das und er greift bewusst ins Geschehen ein. Doch immer mehr merkt er – bzw. bekommt es von seiner Umwelt mitgeteilt -, dass er mit seinen Taten die Situation nur verschärft. Doch er kann nicht mehr aufhören, weshalb er sogar Gegner, die eigentlich schon aufgegeben haben, nach Strich und Faden verprügelt. Mehr und mehr wird er dem Zuschauer sogar fremd, da er seinen Weg extrem unbeirrt weitergeht, ohne Rücksicht auf Verluste – bei seinen Gegnern als auch seinen Schutzbefohlenen. Leider wischt Regisseur Eric Karson diesen interessanten Ansatz ganz plötzlich zugunsten eines ausgewalzten und ziemlich langen Showdowns beiseite. Plötzlich ist Jacques wieder der Held und selbst seine Freunde, die sich gerade noch von ihm abzuwenden schienen, sind wieder seine besten Kumpels. Schade, hier wäre einiges drin gewesen. So bleibt es bei guten Ansätzen.
Die Gruner sogar durchaus gelungen rüberbringt. Seine arrogante Attitüde zur Mitte des Filmes ist sehr cool und lässt ihn sogar fast zum Unsympathen mutieren. Auch die allmähliche Wandlung vom zurückhaltenden Fremden zum Freund und dann resignierten Superprügler geht Gruner gut von der Hand. Und in der Action darf er dann richtig zeigen, was er drauf hat. Immerhin ist „Angel Town“ einer der wenigen Filme, in denen Gruner mal wirklich seine Fähigkeiten ausspielen durfte. In seinen späteren Produktionen reichten immer wieder schnelle Schläge und ein und derselbe unspektakuläre Tritt, um die Gegner weich zu klopfen. Nicht so in „Angel Town“. Hier zeigt Gruner ein paar sehr coole Kicks, einige enorm straighte Hand to Hand Fights und sogar einen Flugkick lässt er vom Stapel. Am coolsten ist aber ein Sparing bei seinem Kumpel, wo Gruner Körperbeherrschung, Flexibilität und geradlinige Härte zeigt. Davon abgesehen darf Gruner eigentlich den ganzen Film über kicken. Das ist anfangs noch spielerisch gehalten, wird dann aber mit der zunehmenden Verdichtung der Ereignisse immer härter. Davon abgesehen gibt es eigentlich kaum Action zu bestaunen. Eine recht sinnfreie Autoverfolgungsjagd verläuft dramaturgisch im Sande, ein oder zwei Ballereien enden meist mit Drohgebärden und wenig blutigen Momenten. Einzig ein fast schon splatternder Shotgun Schuss auf einen Cop lässt das Härtebarometer kurz ausschlagen. Davon abgesehen knackt mal ein Knochen und ein Genick, ein Blutbad darf man sich hier aber nicht erwarten.
Erwarten konnte ich es nicht, endlich einmal Mark Dacascos („Drive“) in diesem Film zu erspähen. Als ich „Angel Town“ das erste Mal gesehen hatte, war mir Mark noch kein Begriff, bei der zweiten Sichtung allerdings schon, gesehen habe ich ihn da aber nicht. Ob es an der Qualität der VHS lag, ich weiß es nicht, denn Sichtung Nummer drei fördert einen doch erstaunlich langen Auftritt zu Tage. Mark gibt einen Henchman des leider ziemlich luschigen Oberbösewichtes (der fuchtelt ungelogen den ganzen Film über mit einer Uzi herum, ohne sie auch nur einmal abzufeuern!) und darf mal den Olivier verfolgen, ihn fast sprengen und sich dann amtlich von ihm vermöbeln lassen. Leider wird Marks Figur als Latino gezeichnet, dem man wohl keine Kampfsporttechniken zugestehen wollte, weshalb er – abgesehen von einigen Fausthieben – nichts zeigen darf. Was schade ist, denn allgemein hat Gruner in diesem Film keinen ebenbürtigen Gegner, was die Fights auch immer sehr kurz macht bzw. mit einem Gegneraufkommen jenseits der 10er Marke verbunden ist. Ein richtig geiler Fight gegen einen Könner wie Mark hätte dem Film einige Pluspunkte einbringen können. Auch der Endfight ist dann beispielsweise eine extrem einseitige Angelegenheit, bis dann lächerlicherweise auch noch ein Milchbubi den Obermotz zernischeln darf.
Was bleibt, ist ein eigentlich solider B-Actioner, dem mehr Geld, eine weniger dumme Klischeezeichnung der Latinogang, ein paar echte Kicker-Highlights und ein strafferer Mittelteil gut getan hätten. Die interessante Figurenzeichnung des helfenden Franzosen, der sich im Laufe des Filmes doch extrem wandeln darf, hätte man auch nicht einfach so fallen lassen müssen. Kurzweilig ist das Ganze dennoch. Die Aktion-Reaktion-Ereigniskette hält den Film durchweg am Laufen und Olivier Gruner macht einen mehr als nur soliden Job. Und wer ihn mal richtig kicken sehen will, der MUSS eigentlich „Angel Town“ gesehen haben. Den meisten Genrefans wird aber vermutlich das letzte Quäntchen Magie fehlen …
Die deutsche DVD vom Cine Club ist uncut und in eher mäßiger Bild- und Tonqualität zu haben. Im Rahmen der Platinum Cult Edition wurde inzwischen heimlich still und leise auch eine Blu-ray nachgeschoben. Auch hier ist der nach wie vor indizierte Film ungeschnitten und in dieser Form ungeprüft.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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