Originaltitel: Serbuan maut__Herstellungsland: Indonesien__Erscheinungsjahr: 2012__Regie: Gareth Evans__Darsteller: Iko Uwais, Joe Taslim, Donny Alamsyah, Yayan Ruhian u.a. |
Indonesien, rein von der Bevölkerung her gesehen der viertgrößte Staat der Erde, ist in Sachen cineastischer Ausstoß eher als Niemandsland zu deklarieren. Laut Wikipedia kam die Filmproduktion des Inselstaates im Jahre 2005 auf gerade einmal 50 Spielfilme. Von einer florierenden Filmindustrie zur Zerstreuung der Menschenmassen kann also keine Rede sein. Doch 2009 ließ das Land zumindest Actionfreunde aufhorchen. Ein walisischer Regisseur (Gareth Evans) und ein indonesischer Kampfsportexperte (Iko Uwais), die zuvor bei einer Martial Arts Dokumentation über die Kampfsportart Silat zusammengearbeitet hatten, setzten alles auf eine Karte, lancierten um die Selbstverteidigungssportart eine halbwegs funktionierende Story und kleideten all das in ein durchaus ansprechendes filmisches Gewand. In dem Film ging es um einen Initiationsritus eines kleinen indonesischen Dorfes, bei dem ein junger Mann in den Großstadtmoloch Jakarta geschickt wird, um sich dort zu behaupten. Dass er dabei an einen Mädchenhändlerring ausländischer Halunken geraten würde, konnte niemand ahnen. Doch Yuda nimmt die Herausforderung an, dem Verbrecherring das Handwerk zu legen … mit fatalen Folgen.
Zumindest in Actionfankreisen geriet der stark melodramatische, langsam anlaufende und umso brachialer endende „Merantau“ zu einem kleinen Geheimtipp, wobei ihm allerdings immer vorgeworfen wurde, zu sehr an den Tony Jaa Durchbruch „Ong Bak“ angelehnt zu sein. Vorwürfe, die man nicht so leicht von der Hand weisen kann. Die Story ist doch sehr ähnlich angelegt, beide Filme zelebrieren eine Kampfsportart und bei flüchtigem Hinsehen sehen sich die beiden Stars Tony Jaa und Iko Uwais durchaus ähnlich. Wer darüber hinwegsehen konnte, bekam einen wirklich brettharten Actioner, der neugierig auf mehr machte. Und so war es nicht verwunderlich, dass bei der Ankündigung einer erneuten Zusammenarbeit von Evans und Uwais einige Actionfans mehr als hellhörig wurden. Als dann die ersten Trailer des „The Raid“ betitelten Werkes auftauchten, war das gesamte Actionfandom hin und weg, wurde doch ein Actionbrett erster Güte versprochen. Und ja, selten wurde der „What you see is what you get“ Ausspruch so treffend bedient wie hier …
httpv://www.youtube.com/watch?v=4ujwGrRXSpI
„The Raid“ beginnt mit der Einsatzbesprechung einer Polizeispezialeinheit. Man wolle ein 30stöckiges Gebäude stürmen, in dem Recht und Gesetz längst ihre Quartiere räumen mussten. Inmitten des Gebäudes residiere ein Verbrecherkönig namens Tama, den man dringend verhaften wolle. Da das Haus über und über vollgepfropft sei mit zwielichtigen Gestalten, wolle man eine direkte Konfrontation vermeiden und die Aktion im Flüstermodus ausführen. Zunächst läuft auch alles einwandfrei, doch dann begeht man einen fatalen Fehler und es kommt zum großen Massaker …
Dramaturgisch ist „The Raid“ interessant aufgebaut. Zunächst einmal setzt der Film vor allem auf das, was der Trailer verspricht: Pure, unverfälschte, kinetische Energie. Denn keine 10 Minuten nach dem Vorspann, in denen die Figur Iko Uwais extrem kurz verortet wurde, finden sich Polizisten und Zuschauer in einem Actioninferno sondergleichen wieder. Auf engstem Raum spielen Polizei und Gangster Krieg. Mit großkalibrigen Waffen. Die audiovisuellen Sinne werden bis zum Anschlag gefordert, das Hirn hat Pause. Schnell stellt man jedoch fest, dass „The Raid“ gar kein Nonstop Action Powerhouse sein will! Vielmehr nimmt sich das Vehikel immer mal wieder kleine Pausen. Lässt Polizisten und Zuschauer durchschnaufen und macht kleine und kleinste Andeutungen, die schon vorwegnehmen, dass „The Raid“ sogar noch eine Geschichte erzählen möchte! Immer wieder einmal fallen kurze, ganz prägnante Sätze, die eine Ahnung vom großen Ganzen aufkommen lassen. Zwar tarnt der Film selbige immer wieder mit erneut anrollenden Actioninfernos, aber spätestens zum Ende hin schlägt dann die eigentliche Geschichte hinter „The Raid“ vollends durch. Jene ist weder neu, noch überraschend, dafür aber auch nicht so dumm, dass man genervt die Augen verdreht. Ganz im Gegenteil, werden hier doch durchaus auch Grundlagen für eine Fortsetzung gelegt, die sich bereits in der Vorproduktionsphase befindet, auf den Titel „Berandal“ hören soll und eigentlich der Film ist, der Gareth Evans ursprünglich vorschwebte! Als nämlich klar wurde, dass er sein nächstes Filmprojekt (eben den recht groß angelegten „Berandal“) nicht finanziert bekommen würde, beschloss er einfach, ein kostengünstiges „Prequel“ zu drehen, dass an einem Ort konzentriert Action satt zelebrieren und die „Berandal“ Hauptfigur Rama (Iko Uwais Figur) etablieren sollte. „The Raid“ war geboren.
Und damit zurück zu ebenjenem Actionritt. Zwischen den Actionszenen kommt also niemals genug Leerlauf auf, um sich zu langweilen. Was man dem Drehbuch von „The Raid“ dennoch ankreiden kann und muss, ist, dass man über die Figuren leider wirklich nichts weiter erfährt, weshalb vor allem das Abschlachten der positiv besetzten Polizisten seltsam egal bleibt und nicht mitzureißen versteht. Auch bei ihrem Überlebenskampf fiebert man nur selten mit. Absolute Ausnahme ist der Fight zwischen dem Chef der Spezialeinheit und Mad Dog, der dank der intensiven Musik von Mike Shinoda unglaublich dramatisch und berührend endet. Überhaupt ist Mike Shinoda ein absoluter Glücksgriff für „The Raid“, denn die Musik des „Fort Minors“ Kopfes (an deren Soundwände die Musik auch mehr erinnert, „Linkin Park“ mutet in dem Zusammenhang eher wie Name Dropping an) geht eine nahezu symbiotische Beziehung mit den Bildern ein. Zunächst ist man irritiert, wie wenig groovend Shinoda vorgeht, doch mit zunehmender Laufzeit entwickelt er einen ganz eigenen, ungemein düsteren Flow, der „The Raid“ sogar Momente beschert, die durchaus aus Horrorfilmen entlehnt sein könnten. In den Fights dreht er dann zwar mehr auf, allerdings bleibt seine Musik immer im Hintergrund. Der Star sind die Bilder … er ist nur ein Diener derselben. Und diese transportieren einige erstaunliche und vollkommen unerwartete Spannungsspitzen, die man so nicht erwartet hätte. Vor allem jene Szene um eine Machete und eine doppelte Wand ist breit ausgespieltes Spannungskino par excellence.
Doch machen wir uns nichts vor, der eigentliche Hauptdarsteller des Filmes heißt Action. Diese besteht in der ersten Hälfte aus großartig inszenierten, druckvollen und irre brutalen Shoot Outs, die derzeit im zeitgenössischen Kino ihresgleichen suchen und in ihrer Konsequenz und Blutigkeit mittlerweile fast ungesehen wirken. „The Raid“ streckt dem PG 13 Pussyactionkino derart ungeniert den Mittelfinger entgegen, dass es eine wahre Freude ist. Tja, und dann ist die Munition alle (seltsamerweise auch irgendwie bei den Bäddies) und man greift zu Hieb- und Stichwaffen, um sich der eigenen Haut zu erwehren. Und auch hier kennt „The Raid“ kein Halten. Messer werden nicht nur in Körper gestoßen, sie werden brutalst durchgezogen, bis auch der letzte Zuschauer im Kino die Luft hart durch die geschlossenen Zahnreihen zieht. Einer der Messerkämpfer ist dann auch Iko Uwais, der ganz nebenbei mit seinen Mitstreitern und Gegnern die Kampfsportart Silat (und andere Kampsportarten) kunstfertig, irre schnell, brutal und effektiv inszeniert. Auch hier setzt es einige Brutalitäten, die teils schon beim Zuschauen weh tun. Leider passiert in „The Raid“ dasselbe, wie schon in „Merantau“: Man merkt, dass Silat eng verwandt zu sein scheint mit Muay Thai, dass aber seine Meister nicht derartige Kunststückchen vollbringen wollen wie Kampfgott Jaa. Und so fehlt den brettharten, alles andere als langweiligen Fightszenen immer mal wieder ein spektakuläres Element, ein toll eingesprungener Kick, eine High Risk Aktion.
Und mehr noch: Nicht nur die Fightszenen lassen den allerletzten Wumms missen (immer in Relation zu den Genregroßtaten aus Thailand gesehen, was einfach mal eine irre hoch angelegte Latte ist, die es zu überspringen gilt), auch die Actionszenen im Gesamten sind von ihren spektakulären Momenten her zu gleichförmig. Jede Szene für sich hat diverse irre, halsbrecherische Momente, aber eine wirkliche Highlightszene zu benennen, die klar heraussticht, fällt extrem schwer. Selbst im Showdown können sich Star Uwais und Regisseur Gareth Evans nicht mehr steigern. ABER ich motze hier wirklich auf allerhöchstem Niveau, denn das was in „The Raid“ geboten wird, lässt immer noch mühelos Kinnladen herunterklappen. So sehr, dass in meiner Filmvorstellung gejubelt, gejohlt und geklatscht wurde, wie ich es seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt habe. Gerade auf der großen Leinwand und in größerer Gemeinschaft genossen ist „The Raid“ ein großartiges Ereignis. Eine Gemeinschaftserfahrung in Kick Ass Action, die definitiv ihresgleichen sucht.
Da stört es auch nicht weiter, dass die schäbige, triste, durchaus raue Optik zu Beginn einen sehr billigen Eindruck macht. Denn wenn „The Raid“ in dem Hochhaus ankommt, verschmelzen Optik und Hochhaus nahtlos miteinander. Denn dieses Haus kann man gar nicht anders inszenieren, als als dreckigen Sündenpfuhl. Aus dem Setting selbst hätte Regisseur Evans zwar noch ein wenig mehr herausholen können (bei manchen Spannungsspitzen deutet er ja überdeutlich an, dass er wüsste, wie das zu bewerkstelligen wäre), dafür muss man ihm aber für das Zünden der teils sehr komplexen Actionszenen auf engstem Raum allen Tribut dieser Welt zollen. Denn die Begrenztheit der Räumlichkeiten nutzt er formidabel, um das eh schon hohe Tempo der Actionszenen noch mehr zu beschleunigen, können die Gegner hier doch auch nicht voreinander fliehen usw.
Was bleibt, ist ein Filmereignis, bei dem man, ich deute es ja selbst an, viele kleine Haare in der Suppe finden kann, wenn man nur will. Doch gleichzeitig sollte man auch einfach mal überlegen, wann wir im Kino zuletzt derartig mit purer, grenzbrutaler, hochtouriger, brillant choreografierter, gefilmter und montierter Action verwöhnt wurden. Wer sich dahingehend als gut bedient umschreiben würde, war vermutlich seit „John Rambo“ nicht mehr im Kino. „The Raid“ ist ein Brett. Ein bretthartes obendrein (man sollte den Kinobesuch nutzen, denn die FSK 18 wird diese Fassung bei der DVD Auswertung niemals halten können), das mit zynischen Sprüchen um sich schmeißt, immer auf die Tube drückt und mit Gareth Evans und Iko Uwais zwei Namen aufbietet, die für das Actionkino noch einiges reißen könnten. Ich für meinen Teil bin seit Ewigkeiten nicht mehr mit so einem seligen Lächeln aus dem Kinosaal gegangen. Danke dafür!
In diesem Sinne:
freeman
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Hand aufs Herz. Wer findet auf einer Weltkarte Indonesien innerhalb von 5 Sekunden? Ich! Aber auch nur nachdem ich “The Raid” gesehen habe…
Inhalt:
Ein 20köpfiges SWAT-Team hat den Auftrag, ein Hochhaus zu stürmen, welches unter Kontrolle des Gangsterbosses Tama steht. Leise nehmen die Cops Stockwerk um Stockwerk ein, bis Alarm geschlagen wird und Tama die kriminellen Elemente des Blocks auf die Polizisten hetzt. Ein brutaler Kampf ums Überleben beginnt, doch den Gesetzeshütern geht langsam die Munition aus…
Indonesien. Hauptstadt Jakarta, Telefonvorwahl +62, Staatswährung Rupiah, 237 Millionen Einwohner… darunter der Waliser Gareth Evans, seines Zeichens Regisseur.
Als der thailändische Film “Ong Bak” vor bald einem Jahrzehnt Martial Arts-Maschine Tony Jaa zum ultimativen Actionstar des neuen Jahrtausends hochhievte, war dies für Freunde des Actionfilms wie der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Die Thailänder zeigten Hollywood, was Stunts wirklich sind. “Ong Bak” und “Tom Yum Goong” sind immer noch überstyltes und krachendes Actionkino der Superlative – und Tony Jaa wäre noch immer auf dem Thron des neuen asiatischen Martial Arts-Kinos, wären da nicht die beiden unsäglichen “Ong Bak”-Fortsetzungen, welche Jaa weit unter seinem Wert verkauft haben. Der empfindliche Jaa nahm sich diese Niederlage sehr zu Herzen, gab die inoffizielle Position des Martial Arts Kinokönigs wieder frei und zog sich zurück in ein buddhistisches Kloster.
Iko Uwais ist der Hauptdarsteller im vorliegenden Streifen “The Raid”. Mit zehn Jahren begann Iko mit Silat, Überbegriff für die Kampfkünste des Malaiischen Archipels. Als Regisseur Evans im Jahr 2007 eine Dokumentation über Silat drehte, lernte er Uwais kennen und verpflichtete ihn zwei Jahre später für den Actionfilm “Merantau”, ein mir auch noch unbekanntes Werk. Uwais, der bis anhin für eine Telekommunikationsfirma arbeitete, kündigte seinen Job und arbeitet seit 2009 für Evans Filmproduktionsfirma. “The Raid” ist der zweite Langfilm dieses ungleichen Duos.
Ein Film, der sich einen Dreck um Charakterentwicklung schert, dem ein ziemlich hanebüchenes Drehbuch zugrunde liegt und dessen Hauptaugenmerk auf Bad Guys vs. Good Guys liegt – so ein Film hat definitiv Potential. Sofern der Regisseur es versteht, die Story so voranzutreiben, dass dem Zuschauer die immensen Logiklöcher total egal werden. In “The Raid” klappt dies vorzüglich. Beginnt der Film noch mit einer ruhigen Szene, in welcher Iko Uwais’ Charakter Rama sich von seiner hochschwangeren Frau verabschiedet, geht’s direkt rein in den SWAT-Transporter und die Cops und die Zuschauer werden über die kommende Mission informiert. Wir erfahren auch, dass Rama der jüngste Cop des Teams ist und in den Augen des Einsatzleiters deswegen auch ein Risikofaktor für das Team darstellt. Nach gut zehn Filmminuten befinden wir und das SWAT Team uns bereits im Hochhaus und der blutige Adrenalinkick beginnt.
Die ersten vierzig Filmminuten bestehen dann größtenteils aus üblen Schusswechseln. Äußerst explizit dargestellt treten Kugeln in Körper von Gut und Böse ein. Da fliegt auch schon mal ein Kopf weg – echt nichts für schwache Gemüter. Um noch etwas Realismus ins Drehbuch zu bringen, sieht sich unser Team (oder was davon noch nicht im “Zehn kleine Jägermeister”-Verfahren abgemurkst wurde) bald mit der brutalen Filmwirklichkeit konfrontiert, keine Munition mehr zu haben. Kein Problem, liegen ja genug Messer, Macheten und sonstige Gegenstände herum, mit welcher man die Seiten der Guten und Bösen noch ein wenig dezimieren kann. Etwas anderes passiert in diesem Film eigentlich nicht. Der Bodycount schießt in Mount Everest’sche Höhen. Und doch unterhält das Geschehen so dermaßen gut, dass man den Film nicht stoppen und die Augen vom Screen nehmen will, denn Gareth Evans hat dem Film ein Tempo mitgegeben, welches man einfach nicht abbremsen will.
Trotz minimaler Kampfkunst-Erfahrung und definitiv mehr theoretischem als praktischem Wissen über die Kriegskünste weltweit, war Silat mir eine total unbekannte Kampfkunst und macht auf mich zumindest optisch den Eindruck, dem Muay Thai nicht unähnlich zu sein. Silat wirkt nicht schön oder Posen zelebrierend, aber brutal effektiv. Und mit Iko Uwais ist genau der richtige Mann der filmische Vorzeigekämpfer für Silat. Denn Uwais bringt nicht nur unglaubliche Kampffertigkeiten mit sich, sondern auch eine ungeheure Leinwandpräsenz, welche in diesem Genre einfach Gold wert ist. Man nimmt ihm die Ernsthaftigkeit seiner Rolle jederzeit ab und er wirkt schauspielerisch keineswegs unerfahren, obwohl er hier natürlich nicht den Shakespeare geben muss, sondern nur der Figur Rama ihre Konturen verleihen. Auch der Rest des Casts macht einen soliden Job.
Die Hand-to-Hand Kampfszenen spielen sich ausschließlich in den Wohnungen, Gängen und sonstigen Räumen dieses alten und hässlichen Hochhauses ab. Wer auf so engem Raum Fightszenen dreht, ist auf einen richtig guten Choreographen angewiesen. In Yayan Ruhian hat der Regisseur diesen auch gefunden – und mehr als das – Ruhian spielt auch Mad Dog, einen der Bodyguards des großen Bösewichts, und liefert sich mit Rama gegen Filmende einen mehrminütigen Kampf, welcher den Zuschauer definitiv mit offenem Mund dasitzen lässt.
Der Soundtrack ist vielleicht nicht das Herz eines Films, aber zumindest die Lunge. Und damit “The Raid” die Luft nicht ausgeht, hat man als Komponist Linkin Park Mitglied Mike Shinoda an Bord geholt. Eine gute Entscheidung, denn der pulsierende Soundtrack hilft mit, dem Zuschauer fast keine Minute Erholung zu gönnen. Mission Score: Accomplished.
Wenn man bei “The Raid” unbedingt noch eine Schwäche suchen will, dann findet man diese beim Setting. Gareth Evans plante eigentlich ein wesentlich größeres Budget für seinen Film ein und musste sich schlussendlich mit etwas mehr als nur einer Million US-Dollar zufrieden geben (jeder zweite Hollywood-Kracher kostet etwa das hundertfache – so als Vergleich). Und in Anbetracht dessen, muss man vor Evans und seinem Team einfach den Hut ziehen. Unter diesen Bedingungen ein Actionbrett dieser Art abzuliefern, das ist einfach nur Klasse.
Fazit: “The Raid” ist zweifellos DER Actionfilm des Jahres. Jetzt weiß ich wieder, warum ich im Actionkino zu Hause bin.
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Ein Sondereinsatzkommando der Polizei wird losgeschickt, um in einem heruntergekommenen Apartmentblock den Drogenbaron Tama (Ray Sahetapy) zu stellen und festzunehmen. Nachdem die Polizisten die ersten Stockwerke des Gebäudes eingenommen haben, werden sie durch ein Kind entdeckt, welches sogleich Alarm schlägt. Eine Spezialeinheit gegen ein paar Zivilisten? Das muss doch gut gehen. Doch als plötzlich eine bis an die Zähne bewaffnete Meute auf die Cops losgeht, wird schnell klar, dass es hier und heute um Leben und Tod geht. Mehr noch, denn die Polizisten sollen alle getötet werden und jeder Beweis für dieses Massaker verschwinden, als wäre nichts passiert.
Showdown: „Im populären Film wird der Showdown meist besonders spannungsvoll und effektreich inszeniert, als dramaturgischer Höhepunkt bzw. Peripetie der Handlung. Als klassische Showdowns gelten die mit Revolvern ausgetragenen Duelle im Western, aber auch in Actionfilmen sowie in der Science-Fiction ist das Prinzip des abschließenden Kampfs zweier Gegner weit verbreitet.“ (Quelle: Wikipedia)
Mit dem Aufkommen des ersten Trailers wurde der indonesische Actionfilm „The Raid“ des walisischen Regisseurs und Autors Gareth Evans direkt in den Action-Olymp gehoben. „Fast-paced“, wie der Amerikaner sagt, wirkte der Film. Temporeich, actiongeladen, ohne Pause und kein Moment zum Luft holen. Gut, möchte man meinen, viele Trailer geben dies vor, halten es aber im fertigen Film dann nur bedingt ein. „The Raid“ ist da anders…
In „The Raid“ wird das typische Konzept eines Actionfilms komplett aufs Wesentliche heruntergebrochen. Es gibt nicht mal echte Identifikationsfiguren oder einen klar erkennbaren Hauptdarsteller. Zwar wird zu Beginn einem Rekruten der Polizei-Einsatztruppe eine kurze Sequenz spendiert, in der er sich von seiner schwangeren Frau verabschiedet, doch im weiteren Verlauf des Films verliert man dann zunächst wieder völlig die Verbindung zu dieser Figur. Er geht in der üppig bestückten Spezialeinheit, die zur Erstürmung des Gebäudekomplexes von Warlord Tama eingesetzt wird, erst mal unter.
Sobald die Erstürmung beginnt, also maximal sieben Minuten nach Beginn des Films, ergießt sich „The Raid“ in einer gewaltigen Abfolge von Showdowns. Fast jeder typische Actionfilm würde mit der Erstürmung des Gebäudekomplexes im letzten Filmdrittel anfangen. Zuvor gäbe es eine Auslotung und Vertiefung der Charaktere, kleine Scharmützel inkl. Beweissichtung, mehrere Aufeinandertreffen mit dem Hauptbösewicht und und und. In „The Raid“ geht’s hingegen direkt los.
Man kennt praktisch keinen der Charaktere und über die Beweggründe, wer nun wieso auch immer dieses Gebäude stürmt und wer sie dort erwartet, ist praktisch ebenso gar nichts bekannt. Doch das ist auch nicht schlimm, denn durch einen schwerwiegenden Fehler zu Beginn der Mission beginnen die meisten Figuren auch alsbald wie die Fliegen zu sterben. Eintagsfliegen stellen sich ja auch nicht erst namentlich vor.
Die Auseinandersetzungen im Gebäude sind vielseitig und zahlreich. Durch die schiere Übermacht und die bessere Orientierung im Gebäudekomplex haben die Bewohner zwar die besseren Karten, sind allerdings auch meist unterbewaffnet und versuchen auch mal mit Küchenmesser oder Machete die Polizei zu stoppen.
„The Raid“ teilt sich hier auf in zwei Action-Hälften. Zu Beginn, wenn es noch viel Munition gibt, wird das Meiste mit Waffengewalt erledigt. Dies ermöglicht packende Gefechte auf engstem Raum und über mehrere Etagen hinweg – inklusive tückischen Hinterhalten. Die zweite Phase hingegen driftet dann, in Ermangelung von Munition, schnell ab in die Martial Arts Richtung. Faust- und Messerkämpfe gegen 2,3,4 Gegner gleichzeitig sind keine Seltenheit. Doch auch Kämpfe gegen einzelne „Zwischenbosse“ werden geboten wie z.B. gegen „Mad Dog” (Yayan Ruhian).
Wer weniger auf Mann gegen Mann steht, fängt hier bald an, über den Film nachzudenken. Dass dies nicht gut ausgehen kann, wird man verstehen können. Fans hingegen werden weiter wie berauscht durch die Actionszenen getragen. Spätestens hier spaltet sich „The Raid“ aber in zwei Lager.
Im Finale versucht Gareth Evans dann plötzlich wieder Handlung in den Film zu bekommen bzw. vor allem zaubert er einen Twist nach dem anderen aus dem Hut. Der vermeintliche Hauptdarsteller findet in einer der zahlreichen Etagen und ebenso zahlreichen Räume seinen verschollenen Bruder der irgendwie bei den Gangstern aufgestiegen ist. Zusammen mit ihm deckt er die miesen Pläne seines vermeintlichen Vorgesetzten auf, der auf den Weg zum vermeintlichen Oberboss des Gebäudes ist. Kurzum: Aus nichts versucht Evans nun das volle Pfund herauszupressen. Dabei war die Handlungszitrone ja bereits zu Beginn komplett ausgepresst, während die Actionfrucht weiterhin in vollem Saft stehen würde. Welcher Sinneswandel ihn hier überkam, plötzlich mit angezogener Handbremse in den Showdown seines eigenen Showdown-Movies zu starten, weiß er wohl nur selbst.
Alles in Allem aber ist „The Raid“, was der Trailer verspricht. Man bekommt über eine Stunde das volle Programm geboten. Ein Kampf folgt auf den nächsten, ohne Pause, ohne Unterlass. Die Reihen lichten sich teilweise im halben Dutzend pro Szene. Das stimmige Setting im klaustrophobisch-heruntergekommenen Wohnbunker tut sein Übriges dazu. Wäre da nicht der Schwank hinüber zum Martial Arts (Fans addieren einen Punkt zur finalen Wertung) und das total verdrehte Ende, hätte der Film locker auf einer Stufe mit dem Klassiker „Hard Boiled“ stehen können. So reicht es aber nur für einen der anderen Plätze.
The Raid kommt am 12. Juli in die deutschen Kinos und ist ab 18 freigegeben. Ob diese Fassung der ungeschnittenen indonesischen Fassung oder der zensierten amerikanischen Fassung entspricht, ist bisher unbekannt.
© C4rter
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Der lebensmüde Stunt-Wahnsinn, den man in den letzten Jahren in so manch thailändischer Produktion bestaunen konnte, weicht einer reguliert wirkenden Choreografie, und doch wird die Action, reich in Anzahl und Qualität, mit einer maximalen Intensität präsentiert.
Das gelingt „The Raid“ vor allem durch die Konzentration auf die komprimierte Raumsituation. Befleckte, unverputzte Decken und Wände, kahle Wohnungseinrichtungen und niedrige Decken erzeugen ein beengendes Raumgefühl, das die Waffen- und Martial-Arts-Konfrontationen zur architektonischen Herausforderung macht. Die Umgebung tritt aus ihrem Schattendasein als hübscher Hintergrund heraus und wird direkt in die Kämpfe einbezogen. Diese wiederum werden stets mit extrem brutalen Pointen abgeschlossen, die perfekt in die schmuddelige Situation passen: Ob Kopfschüsse in Nahaufnahme oder Messer, die im Oberschenkel angesetzt und dann bis zum Knie gezogen werden, Gareth Evans vierter Film fährt auf klaustrophobisch engem Raum eine ziemlich harte Linie.
Es ist ein Musterbeispiel an Konzentration auf das Wesentliche, mit dem man unvermittelt konfrontiert wird. Das in Stockwerke, Flure und Wohnungen aufgegliederte Innere eines Reihenhauses ist einziger Schauplatz eines Films, bei dem man zunächst gar nicht so recht weiß, wie einem geschieht. Allenfalls in Grundzügen ist das Szenario mit “Stirb Langsam” oder “Hard Boiled” vergleichbar, und wenn man schon so weit geht, muss man sich eingestehen, dass “The Raid” wohl die vielleicht originellste “Stirb Langsam”-Variation überhaupt ist.
In der Erkenntnis, dass ausladende Dialogszenen seinem schlichten Handlungskonstrukt nichts Gewinnträchtiges hinzufügen können, ist Gareth Evans dem zeitgenössischen Action-Mainstream bereits zwei Schritte voraus. Also setzt er seine Charaktere ohne Umschweife der Ausnahmesituation aus. Damit folgt er einerseits der Marschrichtung realismusgetränkter Antikriegsfilmszenarien, andererseits aber auch nicht, denn die Kamera versetzt sich keineswegs in die Lage der Spezialeinheit, die hier in die Hölle geschickt wird. Die Figuren bleiben bis zum Ende unterentwickelt und arm an Identifikationseigenschaften, erheben aber auch nie den Anspruch, dass man sie verstehen muss. Ihre Rätselhaftigkeit ist ihre Stärke, denn ihrer Kampfhaltung, ihren Entscheidungen und daraus resultierenden Bewegungen wohnt man mit dem Blick eines „Godzilla“-Publikums bei: Man feuert sie an wie zwei fremde Spezies und wähnt sich in erster Linie in einem Spektakel. Die nur langsam ins Rollen kommende Verschwörungsgeschichte bleibt Beiwerk im Hintergrund.
Bei ein, zwei Figuren stilisiert sich das Spektakel gar zu einem “Über”-Effekt, durch den eine gewisse Unbezwingbarkeit behauptet wird, wie man sie aus Comicverfilmungen kennt. Ins Comicfach schlittert “The Raid” dennoch nicht, weil er die typischen “Comic Villain”-Eigenarten mit dem Realismus von Männern erdet, die in einer Extremsituation über sich hinauswachsen. Als ein solcher Moment auf die Spitze getrieben wird, gibt es im Kino sogar kurz Szenenapplaus. Dieser resultiert zum Teil auch daraus, dass der „Über-Kämpfer“ nicht etwa ein muskelbepackter Hüne ist, wie man ihn – nicht selten europäischer Abstammung – oft in chinesischen Genreproduktionen als Klischee vorgesetzt bekommt, sondern ein kleiner, unscheinbarer Kerl, der eher einem Phantastik-Film von Stephen Chow („Kung Fu Hustle“) entsprungen zu sein scheint, weil man stets dazu neigt, ihn zu unterschätzen. Er gewinnt sich den Respekt des Publikums, indem er sich mehrfach freiwillig aus einer dominierenden Position löst, um sich auf das Niveau eines fairen (und seinen körperlichen Fähigkeiten entsprechenden) Kampfes zu begeben.
So gesehen ist „The Raid“ auch ein Film, der Schusswaffenduelle bewusst mit Körperakrobatik aufwiegt. Das Verhältnis verschiebt sich während des Films deutlich zugunsten der Martial Arts. Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen (insbesondere historischen), die den ästhetischen Verlust durch den Einsatz von Waffengewalt bedauern, gelingt es „The Raid“ in einer Szene tatsächlich, diesen Verlust greifbar zu machen: Hätte der Bösewicht, wie es das Klischee verlangt, in seiner Gier nach Zerstörung sofort von seiner Waffe Gebrauch gemacht, wäre dem Zuschauer ein intensiver Zweikampf und ein Höhepunkt des Films entgangen. Dabei wird nicht einmal bestritten, dass Schusswaffen-Action spätestens seit „Matrix“ ihre ganz eigene Ästhetik besitzen kann; schließlich wird eine der ersten verschossenen Kugeln unter Verwendung von Bullet-Time-Effekten im Flug eingefangen – einschließlich des unschönen und vor allem halb unabsichtlichen Eintreffens im Ziel allerdings, und so bleibt die Kritik an reiner Waffengewalt bestehen.
Für all dies benötigt Evans kaum mehr als ein heruntergekommenes Wohnhaus und ein paar saubere Choreografien. Weder muss er einen Stuntman nur Zentimeter neben den fahrenden Reifen eines tonnenschweren LKWs auf den Boden fallen lassen (vgl. „Born To Fight“, 2004) noch braucht er einen Shane Black, der ihm einen schönen Rahmen mit griffigen Charakteren zimmert. „The Raid“ ist Shooting- und Martial-Arts-Action pur, mitreißender, treibender Rock ohne unnötige Ausschweifungen.
“The Raid” kommt am 25. Januar 2013 von KochMedia auf DVD und Blu Ray heraus. Enthalten ist die internationale Schnittfassung. Der wenige Sekunden längere indonesische Cut soll demnächst folgen. Die beiden brutalen Erweiterungen sind allerdings kaum der Rede wert.
© Vince
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: KochMedia__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Internationaler Cut__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |
Special zum Film
Wir befragten den Schauspieler, Kampfchoreographen und Stuntman Sigo Heinisch zu seinem Beruf und was es bei einem Streifen wie “The Raid” zu beachten gilt…
Zum Interview