Lange wurde darauf hingearbeitet… Einzelfilme von Iron Man, Thor und Captain America heizten die Vorfreude an… Und endlich war es soweit: „Marvel’s The Avengers“ vereinte erstmals die Kräfte der bekannten Marvel-Superhelden und rockte die Kinokassen. Ehrensache, dass ein zweiter Film folgen würde. Dieser tut es aktuell seinem Vorgänger gleich und zieht den Actionfans rund um den Globus das Geld aus den Taschen. „Avengers: Age of Ultron“ heißt der Film und referiert damit auf eine der besten Storylines aus dem Avengers-Comic-Universum. Der Film ließ sich von der epischen Story allerdings bestenfalls in einigen Punkten inspirieren (was im Vorfeld von Whedon bereits ausdrücklich so transportiert wurde) und geht ansonsten einen ganz eigenen Weg. Das beginnt im Detail (so wird Ultron nicht wie im Film von Bruce Banner und Tony Stark zum Leben erweckt, sondern von Ant-Man Hank Pym) und geht weit darüber hinaus.
Wer „Avengers: Age of Ultron“ im Kino gesehen hat, wird sich vermutlich an die Szene erinnern, in der Scarlet Witch (Wanda) Tony Stark eine Vision toter Avengers und einer zerstörten Welt einimpft. Was man im Film nun abzuwenden versucht, wird im Comic-Event „Avengers: Age of Ultron“ konsequent zu Ende gedacht. Und so erzählt der Comic die Geschichte hinter den apokalyptischen Bildern aus Tonys Vision…
Die künstliche Intelligenz Ultron vernichtet die Menschheit
Unsere Erde in einer nicht allzu fernen Zukunft: Die Infrastruktur und die Metropolen unserer Welt, wie wir sie kennen, sind zerstört. In den Ruinen liegen Millionen lebloser Körper. Unter ihnen auch Superhelden aus dem Avengers-Universum. Der Grund: Ultron, die von Hank Pym geschaffene künstliche Intelligenz, war mit ihrem Plan, den Störfaktor Mensch auszuschalten, weitgehend erfolgreich. Nur wenige haben sich gegen Ultron organisiert und suchen nach einem Ausweg aus der wahrhaft verfahrenen Situation.
Der Comicband, welche alle elf Einzelhefte des „Age of Ultron“-Zyklus’ vereint, beginnt mit einem gefesselten Spiderman, der von Hawkeye in höchster Not befreit wird. In einem geheimen Bunker der letzten Rächer erzählt Spidey, dass ihn seine Häscher gegen eine Art Pass an die Schergen Ultrons verscherbeln wollten. Seine Kampfgefährten können sich auf seine Aussagen so gar keinen Reim machen. Was will Ultron mit den Mitgliedern der Rächer? Zumindest liefert ihnen Spidey einen Weg, um an Ultron heranzukommen: Luke Cage alias Power Man schleppt die scheinbar bewusstlose She Hulk ins Hauptquartier Ultrons, um sie „auszuliefern“…
Doch zu seiner Überraschung erwartet ihn hier nicht Ultron, sondern ein offensichtlich unter dem Einfluss der künstlichen Intelligenz stehender Vision – eine Schöpfung Ultrons und trotzdem eigentlich einer der stärksten Rächer. In einem lichten Moment lässt dieser Luke Cage wissen, dass Ultron gar nicht auf Erden weile, sondern aus der Zukunft seine Schergen steuere und die Welt zerstöre. Nur mit Mühe kann Cage entkommen und die Rächer unterrichten, wie schwierig die Situation wirklich ist. Die Mannen um Captain America merken schnell, dass ihnen nur zwei Möglichkeiten bleiben, um Ultron beizukommen:
1. Sie reisen in die Zukunft und schalten Ultron hier aus.
2. Sie reisen in die Vergangenheit und halten Hank Pym auf, so dass er Ultron nie erschaffen kann.
Man beschließt, den ersteren Weg zu gehen. Doch Wolverine ist sich sicher, dass dies ein nutzloses Unterfangen darstellt. Er wartet ab, bis die kampfbereiten Rächer verschwunden sind und reist hernach in die Vergangenheit. Sein Ziel ist ziemlich radikal: Begegnet er Pym, will er ihn einfach umbringen. So entbrennt auf zwei Zeitebenen ein epischer Kampf um das Schicksal der Erde…
Intensiv, brachial und sehr erwachsen: „Avengers: Age of Ultron“
Von Hank Pym entwickelt und als Meilenstein der künstlichen Intelligenz geplant, läuft irgendetwas im Entwicklungsprozess Ultrons grundlegend schief. Er entwickelt eine Art Gottkomplex und macht den Menschen als größte Bedrohung unseres blauen Planeten aus. In der Folge versucht er mehrfach, die Menschheit zu vernichten und gerät dabei wiederholt mit den Avengers aneinander. So begründete er beispielsweise als Crimson Cowl die „Masters of Evil“ und schickte sie gegen die Avengers ins Feld.
So intensiv und brachial wie in „Age of Ultron“ verfolgte er seine Ziele aber eher selten. In der Folge bekommen wir in dem Comicband wahrhaft apokalyptische Bilder einer zerstörten Welt zu sehen. Die Geschichte selber ist unfassbar düster aufgezogen und wird brutal vorangetrieben. Sowohl was ihr Tempo als auch den Umgang mit den Helden angeht. So wird Spiderman gleich zu Beginn heftig gefoltert. Wenn wir Captain America das erste Mal zu sehen bekommen, ist er nicht mehr als ein Häufchen Elend. Unfähig, seiner Aufgabe als Anführer nachzukommen. Von vielen anderen Helden erfahren wir nur, dass sie längst den Weg alles Irdischen gegangen sind. Andere, etwa Susan von den Fantastic Four, haben ihre ganze Familie verloren und trachten mit jeder Faser ihres Körpers nach Rache. Und im Verlauf der Story werden noch viele Helden das Zeitliche segnen. Etwas was in den bisherigen Filmen vollkommen undenkbar scheint (man denke an den Aufschrei, als es „nur“ eine Nebenfigur wie Coulson erwischte!), wird hier konsequent umgesetzt:
„Avengers: Age of Ultron“ ist in der Folge alles andere als leichte Kost. Die Story ist sehr erwachsen, sehr konsequent, ziemlich nihilistisch und teilweise bitterböse und damit meilenweit weg von dem aktuellen Kinofilm, der sich zwar ebenfalls um ernstere Untertöne bemühte, gegen den Comicband aber wie ein Leichtgewicht wirkt.
Ein leider nicht fehlerfreies Happening
Leider hat die Geschichte von „Age of Ultron“ im Detail einige kleine Schwachpunkte. So wird nie klar, was Ultron mit den Rächern machen will, die er sich mit irgendwelchen Pässen erkauft. Das ist insofern blöd, dass man genau das als Achillesferse in seinem Plan ausmacht, um einen Weg zu finden, ihm beizukommen. Seltsam mutet auch an, dass die Rächer tatsächlich überwiegend den Plan verfolgen wollen, Ultron in der Zukunft zu zerstören. Ja, sie hätten den Überraschungsmoment auf der Seite, aber sie müssen ja eigentlich davon ausgehen, dass sie in einer Zeitlinie landen werden, in der Ultron allumfassende Macht entwickelt haben wird. Wie will man eine solche Macht besiegen, wenn man sie nicht einmal in unserer heutigen Welt einbremsen kann? Das macht logisch so wenig Sinn, dass man auf den daraus entstehenden Storystrang als Leser deutlich weniger gibt als auf den logisch nachvollziehbareren und moralisch erstaunlich tiefgehenden Plot um Wolverine.
Überhaupt nicht erklären kann ich mir ein Kapitel um einen „Sohn“ Ultrons, gezeugt von der KI und einer Menschenfrau. Im Grunde also ein Cyborg. Die Story um diesen Charakter hängt vollkommen in der Luft und mutet nicht einmal ansatzweise wie ein Teil des großen Ganzen an. In der Folge bremst sie den Erzählfluss wirklich empfindlich aus und hat auch Folgen für das eigentlich sehr hohe Erzähltempo. Dieses Kapitel hätte man vollkommen aus diesem Sammelband herauslassen sollen.
Ein wahrhaft epischer, spannender Comic
Doch diese kleineren Problemherde übersieht man bei der 2013 von Marvel Comics als großes Event durchgezogenen Story nur zu gerne. Denn Brian Michael Bendis peitscht seinen düsteren Plot so unbarmherzig voran, dass man förmlich durch die Seiten rast. Er entwickelt eine unfassbare Spannungskurve, die sowohl mit moralischen Schlenkern als auch beinahe metaphysischen Momenten aufwartet. Dabei werden im Umkreis der gerne genutzten Zeitreisethematik endlich auch mal richtig interessante philosophische Fragen aufgeworfen, die man sonst gerne mit einem lässigen Abwinken „beantwortet“.
Die gewohnte Rächer-Action hat dabei ganz schön Pause. Zum einen haben die Rächer den Sentinels Ultrons nicht viel entgegenzusetzen (Sie erinnern in ihrer Power stark an die „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“-Sentinels. An die Comicvorlage fühlt man sich hier in vielen Aspekten btw. wohlig erinnert!) und zum anderen regiert hier eben wirklich die verzwickte, mit vielen Zeitsprüngen arbeitende, sehr komplexe Story. Diese reichert Bendis mit ganz vielen Bildern an, die den Leser in ihrer Wucht einfach überrumpeln. Da werden unbesiegbar geglaubte Helden pulverisiert und brutal abgeschlachtet, andere scheinen wortwörtlich neben sich zu stehen und jede Hoffnung verloren zu haben.
Dazu kommen die wirklich tollen Zeichnungen der Comics. Obwohl bei den verschiedenen Heften die verschiedensten Zeichner zum Einsatz kamen, wirkt das optische Konzept durchaus wie aus einem Guss und funktioniert prächtig. In der Folge wird der Leser richtiggehend in den Comicband hineingezogen und wünscht sich irgendwann, diese Story wäre tatsächlich die Vorlage des neuen Avengers-Filmes gewesen. Der hat für sich gesehen seine unbestreitbar vorhandenen Qualitäten, wäre auf Grundlage dieses Comics aber ungleich epischer, spannender und deutlich brutaler geworden.
Für viele Filmfans, an die sich das Cover des Comics eindeutig wendet, indem es nur die bekanntesten Film-Avengers abbildet, dürfte interessant sein, wie weitschweifig das Avengers-Universum in diesem Band angelegt ist. Während sich der Film zwar bemühte, einige neue Rächer an Bord zu holen, sind in dem Comic sowohl einige Mitglieder der X-Men und der Fantastic Four als auch Spiderman längst Teil des großen „Avengers-Universums“. Des Weiteren stolpert man eher beiläufig über gleich zwei weitere starke Gegner der „Avengers“: Morgan le Fay und die Skrulls (außerirdische Gestaltwandler).
Der Comicband kommt in Telefonbuchstärke und hat neben den „Age of Ultron“ Einzelheften eine umfangreiche, vor Ideen förmlich berstende Variant-Cover-Galerie im Gepäck.
Alle Informationen zu “Avengers: Age of Ultron”
Avengers: Age of Ultron
von Brian M. Bendis (Autor) u.a. und Bryan Hitch, Carlos Pacheco, Brandon Peterson u.a. (Zeichner)
Broschiert, 324 Seiten
Erschienen am 20. April 2015
Verlag: Panini Comics
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3957983169
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In diesem Sinne:
freeman