Originaltitel: Black Butterflies__Herstellungsland: Niederlande, Deutschland, Südafrika__Erscheinungsjahr: 2011__ Regie: Paula van der Oest__Darsteller: Rutger Hauer, Carice van Houten, Liam Cunningham, Grant Swanby, Leon Clingman, Candice D’Arcy u.a. |
„Black Butterflies“ endet mit dem größten Triumph der Dichterin Ingrid Jonker im Jahre 1994: In seiner ersten Rede vor dem neu gebildeten südafrikanischen Parlament rezitiert Nelson Mandela ihr Gedicht „Das Kind, das von Soldaten in Nyanga erschossen wurde“. Ingrid Jonker selbst erlebte diesen Moment nicht mehr… „Black Butterflies“ widmet sich dem Leben der alles andere als einfachen jungen Dame.
Nach dem Tod der Mutter wird Ingrid mit ihrer Schwester von ihrem Vater groß gezogen. Einen Zugang zu den Mädchen findet der systemtreue, verschlossene, strenge Mann überhaupt nicht. In der Folge entwickelt vor allem Ingrid einen enormen Freiheitsdrang. Wo sie nur kann, düpiert sie am liebsten mit ihren Gedichten ihre Umgebung. Dabei ist ihr vollkommen egal, wen sie damit verletzt. Etwas Ruhe scheint in ihr Leben einzukehren, als sie dem Schriftsteller Jack Cope begegnet. Doch diese Ruhe währt nicht lange.
Ingrid scheint Jack förmlich aufzuzehren. Immer wieder erkämpft er sich Freiräume, die Ingrid mit immer neuen Affären und noch unangepassterem Verhalten quittiert. Abtreibungen inklusive. Dabei scheint ihr gar nicht bewusst zu sein, dass sie aus einer leichtfertig geschlossenen Ehe bereits ein Kind hat, das ihrer Liebe bedarf. Doch Jack gibt Ingrid niemals vollends auf, deren Leben eines Tages eine vollkommen neue Richtung erfährt: Mit Jack wird sie Zeuge, wie in einer Township-Siedlung ein kleiner Junge von einem Polizisten erschossen wird. Plötzlich sieht Ingrid ihre Heimat Südafrika mit vollkommen neuen Augen. Ihr fällt auf, was die Apartheid mit ihrem Land anrichtet. Aus ihren vornehmlich emotionsgeladenen Gedichten um unerhörte Gefühle werden klare, offene Anklagen gegen das System. Dabei gerät sie immer wieder mit ihrem Vater aneinander, der als Leiter der Zensurbehörde Südafrikas eine immer noch größere Distanz zu seiner Tochter aufbauen muss.
Damit verschärfen sich die Probleme für Ingrid nur. Während ihr Schreiben eine Richtung erhält, bekommt ihr Leben keine. Wiederholt landet sie in psychiatrischen Einrichtungen. Diese Zeit nutzt Jack, um Ingrids beste Gedichte zu einem Band zusammenzufassen. Die Veröffentlichung gerät zu einem riesigen Erfolg. Doch der damit verbundene Ruhm kann Ingrid nicht auffangen und sie sucht immer weiter nach einem Ausweg aus ihrem Leben…
httpv://www.youtube.com/watch?v=J0uCLdt-Ci4
„Black Butterflies“ bebildert die letzten fünf Jahre im Leben der 1933 geborenen südafrikanischen Dichterin, deren Werke in ihrem Heimatland einen ikonischen Status innehaben. Ihre Mutter wurde von ihrem Mann, Abraham Jonker, Politiker der Nationalen Partei, verlassen, als Ingrid geboren wurde. Diese lebte mit ihrer Schwester und ihrer Mutter ab sofort bei den Großeltern in der Nähe von Kapstadt. Die Großmutter brachte Ingrid mit der Religion in Kontakt und vor allem die Sprache und die Erzählungen der religiösen Schriften hinterließen einen tiefen Eindruck bei dem Kind. Mit sechs begann sie infolgedessen selbst Gedichte zu schreiben. Nach dem Tod der Mutter werden die Kinder von dem Vater groß gezogen, zu dem Ingrid ein höchst angespanntes Verhältnis hat. 1956 wurde ihr erster Gedichtband „Flucht“ veröffentlicht. 1957 kommt ihre Tochter Simone auf die Welt und kurz darauf setzt das Biopic „Black Butterflies“ mit seiner Story ein.
Leider ist diese Vorgeschichte nur am Rande Thema in „Black Butterflies“. Das gereicht dem Streifen immer dann zum Nachteil, wenn das zerrüttete Verhältnis zwischen Ingrid und ihrem Vater auf den Tisch kommt. Vor allem zu Beginn, wenn Ingrid noch gar nicht systemkritisch zu Werke geht, versteht man die Animositäten zwischen beiden Charakteren nur schwerlich. Was noch dadurch verschärft wird, dass der Film ausblendet, dass Abraham Jonker bereits eine neue Frau und weitere Kinder hatte, als er Ingrid und ihre Schwester aufnahm. Sie also quasi Störfaktoren in seinem neuen Leben waren.
Davon abgesehen funktioniert die Verdichtung der Ereignisse auf die letzten fünf Jahre im Leben der Dichterin prächtig. Was vor allem an einer brillant aufspielenden Carice van Houten („Black Book“) liegt, die dem schwierigen Charakter der Ingrid Jonker unfassbar viel Leben einhaucht. Ihrem einnehmenden Spiel verdankt es der Film, dass der Zuschauer trotz diverser abschreckender Charaktereigenschaften Ingrids niemals den Draht zu der Hauptfigur verliert und sie sogar verstehen kann. Er begreift Ingrid Jonker schnell als getriebene, innerlich zerrissene Persönlichkeit, die ab und an ein wenig zu ehrlich zu sich selbst und ihrem Umfeld ist und die an der Suche nach der alles erfüllenden Liebe förmlich zu zerbrechen droht. Für ihre Mitmenschen macht sie das zu keinem leicht zu nehmenden Charakter. Mehr als einmal bekommt sie zu hören, sie sauge mit ihrer Sucht nach Zuneigung und Bestätigung ihr Umfeld förmlich aus.
Das bekommt auch der Schriftsteller Jack Cope zu spüren, dem Liam Cunningham („Let us Prey“) sein Antlitz leiht. Charismatisch, ruhig und geerdet entwirft er einen rundweg sympathischen Charakter, der zumindest im Film der einzige zu sein scheint, der die selbstzerstörerische Ader Ingrids besänftigen kann. Die am Set von „Game of Thrones“ geschulte Chemie zwischen Cunningham und van Houten, steht „Black Butterflies“ richtig gut. Eine ebenfalls tadellose Leistung liefert Rutger Hauer („Eureka“) als Abraham Jonkers ab. Souverän, ohne jedwedes Overacting, Gepolter oder Geschrei erschafft Hauer ausschließlich mit subtilen Gesten, harten Blicken und mal spitzen und mal eindeutigen Worten eine absolut bedrohliche Aura um seinen verbittert wirkenden Zensor.
Genauso subtil wird das Thema Apartheid mehr und mehr in den Film eingebunden. Zunächst ist es kaum mehr als eine Randerscheinung: Ausschließlich schwarze Bedienstete, das Zensurthema und ein vom System verfolgter schwarzer Schriftsteller stellen zu Beginn den Bezug zum Thema her. Mit der von Ingrid beobachteten Erschießung eines schwarzen Jungen auf offener Straße rücken die Apartheid-Motive stärker in den Fokus: Rassentrennung in Bussen, auf Spielplätzen, Verbote systemkritischer Schriften und die klaren Worte von Ingrid sprechen eine eindeutigere Sprache. Dennoch wird das Rassentrennungsthema nun nicht zum antreibenden Motiv.
So sehr man dem Film danken möchte, dass er auf eine billige Spannungsdramaturgie verzichtet und eben nicht zum Apartheid-Thriller wird, so sehr beschleicht einen aber auch das Gefühl, dass „Black Butterflies“ bei diesem Thema dennoch einige dramaturgische Möglichkeiten zu leichtfertig verstreichen lässt. Vor allem in dem Verhältnis zwischen Ingrid und ihrem Vater hätten die unterschiedlichen Standpunkte zu dem Unterdrückungsregime noch für einigen Zündstoff sorgen können und angesichts der Leistung von Rutger Hauer auch müssen.
Davon abgesehen ist „Black Butterflies“ ein ungemein kraftvolles Portrait einer ziellos wirkenden jungen Frau, die in ihren schöpferischen Momenten Großes hervorgebracht hat. Das macht das emanzipierte Biopic im Übrigen immer wieder zum Thema: Aus dem Off rezitiert Ingrid wiederholt einzelne Zeilen ihrer Gedichte. Bei einer leidenschaftlichen Liebesszene zelebriert die Kamera den nackten Körper van Houtens und fliegt genießerisch über an die Wände geschriebene Auszüge ihrer Gedichte. Überhaupt ist die Inszenierung des Filmes ein großer Pluspunkt. In farbsatten, atmosphärisch absolut stimmigen Bildern schwelgt der Film immer wieder in der Schönheit seines Schauplatzes Kapstadt, der den Geschehnissen immer wieder einen leicht entrückten Touch gibt. Vor allem wenn die malerischen Strandszenen immer wieder die harte Realität im Land selbst kontrastieren. Die unter den schönen Bildern erklingende Musik ist angenehm sphärisch und verschafft einen vor allem gegen Ende immer wieder mal eine Gänsehaut. Dazu kommen fantastische Darstellerleistungen, die mitten in die Geschichte hineinziehen und zu berühren wissen. Einzig die starke Konzentration auf die letzten Jahre im Leben von Ingrid Jonker beschert dem Film einige kleine Problemherde. Es fehlt eine grundsätzliche Einordnung ihres Leben und Werkes. Man hätte gerne mehr über ihren Werdegang und ihre Konflikte mit ihrem Vater erfahren. Und das Thema der Apartheid hätte gerne für mehr emotionalen Zündstoff sorgen dürfen. An der fesselnden Kraft des Filmes ändert all das aber nichts…
Die deutsche DVD erscheint am 28. Mai 2015 von Eurovideo und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten. Extras zum Leben und Werk der Dichterin findet man leider keine. Zur Entstehung des Filmes schweigen sich die Datenträger leider ebenfalls aus.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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