Originaltitel: Deepwater Horizon__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Peter Berg__Darsteller: Mark Wahlberg, Kate Hudson, Kurt Russell, John Malkovich, Dylan O’Brien, Gina Rodriguez, Ethan Suplee, Joe Chrest, Robert Walker Branchaud, Sue-Lynn Ansari u.a. |
Pechschwarz liegt die Nacht des 20. Aprils 2010 über dem Atlantik und über der riesigen schwimmenden Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“. Für den gigantischen Konzern BP sollen hier Millionen Barrel an Öl gefördert werden. In den Mannschaftsräumen der Station wird dem Chefingenieur Jimmy Harrell eine Auszeichnung für dessen Sicherheitsbewusstsein verliehen.
Doch der kann die Ehrung nicht genießen. In ihm grummelt es. Immer wieder ist er mit den Managern von BP aneinandergeraten. Diese liegen aufgrund verschiedener Schwierigkeiten um Tage hinter dem Soll. Ein Millionen Verlustgeschäft. Leichtfertig kürzen sie darum wichtige Sicherheitsüberprüfungen ab und treiben die Belegschaft der „Deepwater Horizon“ immer wieder zur Eile an.
Bis zu diesem Zeitpunkt inszeniert Peter Berg („Lone Survivor“) seinen Film über die größte Ölkatastrophe der USA als eine Art Klassenkampf, in dem die vernünftigen „kleinen Leute“ gegen die Manager des Auftraggebers anrennen, denen Sicherheit nichts, Geld und Deadlines aber alles bedeuten. Menschenverstand trifft auf reines Zahlendenken. Meist keine gute Kombination.
httpv://www.youtube.com/watch?v=m9rI_gP-kAk
Berg verzichtet dennoch darauf, BP zu sehr zu dämonisieren. Sein Film ist ohnehin einer der längsten Anti-Werbespots schlechthin. Die Manager vor Ort sind letztlich auch nur kleine Rädchen im Getriebe einer viel größeren Maschine. Auch sie stehen beständig unter Druck, den sie an die kleinen Ölbohr-Mitarbeiter weitergeben. Das ist natürlich alles sehr klischiert, funktioniert aber gut und sorgt auch und vor allem für einen flotten Einstieg in den Film, in dem vor allem die zupackenden Mitarbeiter von Jimmy Harrell kurz und knackig verortet werden.
Zudem setzt Berg immer wieder auf Bilder, in denen Druck eine große Rolle spielt. Coladosen geben ihren Inhalt wild spritzend frei, Ventile drohen scheinbar zu zerbersten, in der Tiefe will das Erdgas an die Oberfläche und selbst einige Charaktere scheinen immer kurz vor dem Platzen zu stehen. Ein schönes Spiel mit den Erwartungen des Zuschauers ist die Folge.
Gut unterhalten gelangen wir also zu der eingangs erwähnten Preisverleihung und beobachten ein paar Abendschichtler, wie sie aus mehreren Kilometern Tiefe nach oben geförderten Bohrschlamm beseitigen. Doch etwas stimmt nicht. In der Tiefe offenbart sich, dass Jimmy Harrells Magengrummeln mehr als nur berechtigt war. Hier eingebrachter Zement ist nicht vollends ausgehärtet. Er gibt dem Druck nach.
Es kommt zum Blowout und Öl, Gestein und Erdgas dringen ungehindert durch die Bohranlage gen Oberfläche. Der hohe Druck überlastet die Maschinen komplett, es kommt zum Funkenschlag und zu einer gewaltigen Explosion. Sofort steht die Ölbohrplattform zu weiten Teilen in Feuer und immer neue Explosionen verschärfen die Situation…
Was Peter Berg für die Entfesselung eines beeindruckenden Infernos nutzt. Beständig explodiert etwas, fliegen den Leuten Trümmerteile um die Ohren, werden sie von Druckwellen erfasst und umher geschleudert und schlagen ihnen beständig Flammen entgegen. Man ist mittendrin im verzweifelten Kampf der Plattform-Arbeiter. Schnell wird klar, dass hier nichts weiter zu retten ist, außer vielleicht das eigene Leben.
Darauf fokussiert der Film dann auch. Wie sollen es die Arbeiter von der Plattform schaffen, vor allem, wenn man bedenkt, dass Hilfe teilweise mehr als 35 Flugminuten entfernt ist. Einige Arbeiter wachsen dabei über sich hinaus, retten Leben und sterben den Heldentod, ohne dass Berg dies überbetonen oder in Pathos ertränken würde. Er macht einfach unentwegt Action. Passend zu der Ausnahmesituation, die keinem Zeit lässt, den Tod anderer zu betrauern oder Heldenmut zu feiern. Es muss einfach alles verdammt schnell gehen.
Kurze Momente der Besinnung liefern nur die beinahe schön anzuschauenden Fernansichten der brennenden Bohrstation. Wie sie da erhaben im Ozean treibt und ein warmes Licht wirft. Den Todeskampf der Arbeiter fast vergessen macht. Und die ökologischen Folgen für die Umwelt ebenso. Des Weiteren sind da kurze Momente, in denen eine Angehörige eines Plattform-Arbeiters gezeigt wird, wie sie verzweifelt von daheim herauszufinden versucht, was da auf dem Ozean vor sich geht. Wie sie sich mit den Frauen anderer Arbeiter austauscht und sich so ihr Bild von den Ereignissen zusammensetzt.
Die Hauptrolle aber hat das Inferno. Perfekt inszeniert, perfekt choreografiert, perfekt getrickst und mit einer perfekten Spannungskurve versehen, die einen auch aufgrund eines atemlosen Aufeinandertürmens weiterer Gefahrenmomente einfach nicht mehr loslassen will. Perfekteres, dichteres und spannenderes Katastrophenkino muss man wahrlich mit der Lupe suchen.
Was freilich auch daran liegt, dass einem die Figuren nicht egal sind. Diese sind zwar allesamt eher dünn gezeichnet, funktionieren aber alleine über ihre Taten sehr gut. Allen voran Mark Wahlberg („Three Kings“) als Mike Williams, der angenehm geerdete Cheftechniker der Plattform, der im Angesicht der Gefahr über sich hinauswächst, ohne eben zum Helden stilisiert zu werden. Vielmehr beruhigt er Leute, redet auf sie ein, bringt sie runter und verhindert so beispielsweise Panik.
Genauso Kurt Russell („Bone Tomahawk“) als Jimmy Harrell, Charisma-Biest und Chefingenieur der Plattform, dem im Verlauf des Filmes ziemlich übel mitgespielt wird und dem man unbewusst wirklich alle Daumen drückt. Auch die restlichen Darsteller füllen ihre Rollen überzeugend aus. Nennenswert sind zumindest noch die Personalien John Malkovich („R.E.D. 2“), als BP-Mann, der eine ziemliche Läuterung durchmachen muss, Kate Hudson („Rock the Kasbah“) als Frau von Mark Wahlbergs Charakter und „Jane the Virgin“-Star Gina Rodriguez als taffe, sehr junge Steuerfrau der Plattform.
Am Ende dieses gewaltigen und teilweise überlebensgroßen Infernos fühlt man sich beinahe schlecht, dass man diesen Film irre spannend und unterhaltsam gefunden hat, denn die Tragödie dahinter, die 11 Menschen das Leben kostete und die Umwelt auf Jahre verschmutzte, ist freilich alles andere als unterhaltsam. Gleichzeitig ist es aber vielleicht genau der richtige Weg, einen Regisseur wie Peter Berg loszuschicken und in perfekten Hochglanzbildern eine solche Tragödie bebildern zu lassen, damit sie nicht aus unseren Köpfen verschwindet und uns ermahnt, immer zu bedenken, dass wir die Natur achten müssen. Und dass auf eine absolut mitreißende und enorm packende Art und Weise. Nur einen Fehler darf man nicht machen: Sich etwas ansatzweise Dokumentarisches erwarten. Berg geht es um die Katastrophe am 20. April 2010, nicht um die Folgen, nicht um die Behebung derselben (siehe unsere Chronologie der Ereignisse) und erst recht nicht um eine wirklich ausgiebige Beschäftigung mit den Ursachen für die Katastrophe.
Der Film ist ab dem 24. November 2016 in den deutschen Kinos zu sehen, kommt von Studiocanal und ist mit einer FSK 12 Freigabe ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Studiocanal__Freigabe: FSK 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab dem 24.11.2016 in den deutschen Kinos |