Originaltitel: The Brave One__Herstellungsland: Australien/USA__Erscheinungsjahr: 2007__Regie: Neil Jordan__Produktion: Joel Silver u.a.__Darsteller: Jodie Foster, Terrence Howard, Naveen Andrews, Carmen Ejogo, Nicky Katt, Mary Steenburgen, Lenny Venito, Zoë Kravitz, Jane Adams, Gordon MacDonald u.a. |
„Die Fremde in dir“ gehört zu jenen Ausnahmefällen, in denen der abweichende deutsche Titel tatsächlich mehr über den Film aussagt als der weitaus banalere Originaltitel „The Brave One“.
Radiomoderatorin Erica Bain (Jodie Foster) hat ihre eigene Sendung, in der sie über die Sounds von New York, der angeblich sichersten Großstadt, referiert. Eines Abends werden sie und ihr Verlobter jedoch von einigen Rowdys überfallen, sie schwer verletzt und er zu Tode geprügelt. Ganze drei Wochen vollbringt sie im Koma, um in eine veränderte Welt zu kommen: Ihr Verlobter ist bereits beerdigt, sie selbst hat Angstzustände. Dabei bemüht sich „Die Fremde in dir“ tatsächlich sehr darum, eine derartige Situation zu visualisieren.
Ihre Angstzustände treiben Erica dazu sich eine Pistole zu kaufen und tatsächlich benutzt sie sie bei einem Raubüberfall gegen den Täter und tötet ihn. Von da an beginnt sie eine aggressive Aversion gegen die Kriminellen des Big Apple zu entwickeln…
Selbstjustiz mit Drama und kritischen Blick zu mixen, genau dieses Projekt nahmen sich sowohl „Die Fremde in dir“ als auch „Death Sentence“ anno 2007 vor, wobei das Konzept nicht gerade neu ist. Gerade der wegweisende erste Teil von „Death Wish“ versuchte bereits zu untersuchen, wie ein Normalbürger zum Vigilanten werden könnte und teilweise zeigt „Die Fremde in dir“ auch enorme Referenzen zu diesem Film auf (gerade die U-Bahn-Szene ist schon beinahe direkt aus dem Charles-Bronson-Vehikel übernommen).
Allerdings sind derartige Mixturen nicht einfach, auch James Wans gelungener „Death Sentence“ vernachlässigte die kritische Haltung gegen Ende zugunsten der Action. „Die Fremde in dir“ hingegen weiß leider gar nicht genau, wo er hinsoll und so wirkt der Film durchweg unentschlossen. Zudem ist Neil Jordans Film mit fast zwei Stunden deutlich zu lang, diverse Füllszenen ziehen sich wie Kaugummi ohne die Handlung ansatzweise weiterzubringen.
Vor allem schleppend laufen die Szenen, die Ericas Angstzustände thematisieren sollen. Mit wirklich guter, aber leider auch zu aufdringlicher Kameraarbeit versucht „Die Fremde in dir“ zu visualisieren, wie sich Erica fühlt. Teilweise wirklich gelungen (z.B. die ersten Schritte vor der Haustür), oft aber zu lang und bei wiederholtem Male auch unnötig. Gleichzeitig kann sich „Die Fremde in dir“ nicht entscheiden, wie seine Heldin nun dastehen soll. Mal als eher positive Rächerfigur, mal als getriebenes Opfer der eigenen Angst und mal gar als eine Art Amokläuferin im „Taxi Driver“-Stil. Leider reiben sich diese Ausprägungen arg aneinander und das simple, verlogen wirkende Ende hinterlässt einen mehr als üblen Nachgeschmack gerade angesichts der Tatsache, dass „Die Fremde in dir“ kritisch sein will.
Zudem beißt sich die Psychologisierung Ericas, die sich um Tiefe bemüht, dann mit jenen Parts, die eher in Richtung Action gehen. Die Actionszenen sind stets gut inszeniert und machen Laune, driften aber teilweise zu sehr ins unrealistische Genrekino ab. Da reißen die Cops markige Sprüche beim Leichenfund (so gut die Oneliner sind, sie wollen einfach nicht passen), Erica schießt bei der ersten Tat glaubwürdig amateurhaft, danach ohne Training wie ein Meister („Death Wish“ schickte seinen Helden noch auf den Schießstand, „Death Sentence“ ließ den seinen immerhin mit den Waffen hantieren).
Das ist schade, denn trotz der narrativen Schwächen und des stilistischen Chaos ist „Die Fremde in dir“ wirklich gut inszeniert und hat Stärken. Die visuelle Form der Psychologisierung ist trotz ihrer Aufdringlichkeit ansprechend, die Action kann sich wie gesagt sehen lassen und auch der Subplot um Erica und den Cop Mercer (Terrence Howard), der selbst ein ambivalentes Verhältnis zur Selbstjustiz hat, ist durchaus interessant. Da stören dann einige Klischees umso mehr, z.B. dass man an fast jeder Ecke Räuber oder Perverse trifft ohne groß suchen zu müssen, der Polizeiapparat fast nur aus inkompetenten Trotteln zu bestehen scheint und man Bad Guys oft an der Nasenspitze erkennt (selbst ein gehobener Gangsterboss muss beim ersten Auftritt in schlecht sitzendem Anzug und mit Dreitagebart antanzen).
Da ist es gut, dass sich „Die Fremde in dir“ immerhin auf Jodie Foster („Hotel Artemis“) verlassen kann, welche die Rolle in fast jeder Szene sehr glaubwürdig verkörpert und damit immerhin teilweise das Drehbuchkuddelmuddel ausbügelt. Terrence Howard als Cop ist da ein Stückchen schwächer, macht jedoch auch eine gute Figur, während der Rest des Ensembles meist eher am Rande spielt und daher kaum zur Geltung kommt.
So bleibt dann unterm Strich ein zu unentschlossener Mix aus Opferdrama und Selbstjustizfilm, dessen Versatzstücke trotz guter Inszenierung nicht zueinander passen wollen und dessen Ende schlichtweg eine Katastrophe ist. Dann doch lieber „Death Sentence“, der hatte auch kleinere Schwächen, bekam den Mix aber insgesamt überzeugend hin.
Die deutsche DVD kommt von Warner in sehr guter Bild- und Tonqualität und besitzt Deleted Scenes sowie ein Making Of als Bonusmaterial.
© Nils Bothmann (McClane)
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