Originaltitel: Dracula Untold__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2014__Regie: Gary Shore__Darsteller: Luke Evans, Dominic Cooper, Charles Dance, Sarah Gadon, Zach McGowan, Samantha Barks, Charlie Cox, Paul Kaye, Art Parkinson, Ronan Vibert, Noah Huntley, Mish Boyko u.a. |
Kennt ihr das auch? Ein Film ging soeben zu Ende und ihr habt das Gefühl, euch entweder die Augen reiben zu müssen oder euch kurz zu schütteln. Einfach weil ihr euch selbst fragt: „Was war denn das gerade?“ Ich nenne solche Streifen gerne „Hit and Run Filme“. Die filmgewordene Entsprechung eines Unfalls, den man nicht kommen sah. Wo alles auf einmal so schnell geht, dass man gar nicht merkt, was einen da wie getroffen hat. Der einzige Unterschied zu einem richtigen Unfall ist, dass man dabei keine körperlichen Folgeschäden davonträgt. Beim filmischen „Hit and Run“ bleibt nichts, außer einer seltsamen, nicht näher zu spezifizierenden Leere.
Und genau so ergeht es dem Zuschauer bei „Dracula Untold“. Der Film rast mit einem irren Tempo an einem vorbei, aber nichts von ihm bleibt hängen. Mit einem Mal sind 90 Minuten Lebenszeit vorbei. Einfach so. Schnell beginnt man sich zu fragen, ob dieser Eindruck vom Macher wirklich intendiert war, oder ob hier im Nachhinein viele erklärende Szenen über Bord gegangen sind. Denn wenn „Dracula Untold“ eines definitiv nicht ist, dann zu lang. Im Gegenteil, „Dracula Untold“ ist mit gerade einmal 90 Minuten Laufzeit viel zu kurz. Das sorgt für einige erzählerische Unebenheiten. Im Schweinsgalopp erfahren wir von Vlad Draculeas (Draculea = Sohn des Drachen) trauriger Kindheit, seinem Aufstieg zum berühmten und gefürchteten Krieger und dem Konflikt mit Tausenden Türken, die seine Heimat, Transsylvanien, unterjochen und das Leben aus dem Land herauspressen wollen. Um das zu verhindern, wendet sich Vlad an ein in einer Höhle hausendes Unwesen, das ihm grenzenlose Macht versichert. Und ohne sich wirklich über die Konsequenzen zu informieren, willigt Vlad ein. Er wird zu etwas Anderem. Er wird zu einem Vampir. Mit einer Rückfahrkarte. Denn wenn er drei Tage keinen Durst auf Menschenblut entwickle, könne er laut der Kreatur Mensch bleiben und verliere die vampirischen Fähigkeiten wieder. Ein verzweifelter Kampf gegen die Zeit und die Begierde entbrennt…
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Das klingt auf dem Papier durchaus spannend, keine Frage. Aber „Dracula Untold“ selbst wird nie spannend. Und er entwickelt nie den epischen Atem, der seiner Hauptfigur auch nur ansatzweise gerecht werden würde. Stattdessen rast der Film weiterhin dahin, streift nicht einmal oberflächlich die Figur hinter dem bekannten Filmmonster und pfeift vollkommen auf Motivationen oder Handlungsantriebe. Aktion, Reaktion, mehr ist da nicht. Nicht einmal die tragische Dimension hinter der eventuell dauerhaften Vampir-Werdung Vlads greift, weil einem sowohl Vlad als auch seine Familie, für die er das letzten Endes alles auf sich nimmt, einfach vollkommen fremd und damit egal bleiben.
Im Zuge dieses Wahnsinnstempos wird „Vlad der Pfähler“ mal eben zu einer höchst tragischen Gestalt umgedeutet, die ja nur so rigoros tötet, um abzuschrecken und so weitere Opfer zu verhindern. Und als wäre das nicht genug, wird „Dracula Untold“ dann auch noch zum Wiedergänger eines x-beliebigen Superheldenfilms. Nichts anderes ist der Film ab dem Zeitpunkt, als Vlad seine Menschlichkeit peu a peu verliert und mehr und mehr zum vampirischen Wesen wird. Ganz kurz darf Vlad seine neuen sinnlichen Fähigkeiten entdecken, um Sekunden später im Rahmen eines irren Schnitt- und Actiongewitters 1000 Türken im Alleingang umzubringen und seine restlichen Fähigkeiten nebenbei über das Trial and Error Prinzip zu entdecken. Man denkt wirklich unweigerlich an „Die Fantastischen Vier“ und ähnliche Streifen, bei denen die Helden sich quasi selbst mit großen Augen dabei zugucken, wie sie ihre Stärken ausbilden und anwenden. Und am Ende verdunkelt Dracula auf einmal den Himmel und lässt ein paar Fledermäuse mit der Wucht einer Atombombe auf seine Gegner herabregnen. Hier wird dann die Grenze zum Trash mehr als einmal mit Schmackes übertreten.
Mit der zunehmenden Superhelden-… äääh Vampirwerdung Vlads stellt „Dracula Untold“ das Erzählen dann vollends ein. Man erfährt nicht, was Dracula und den türkischen Anführer so eng verbindet, dass sie voneinander als Brüder sprechen. Man erfährt nie, warum der eine sauer auf den anderen ist. Allgemein erfährt man über den türkischen Anführer Mehmed gar nichts, außer dass er einerseits voll böse sein soll und dass sich andererseits Dominic Cooper („Need for Speed“) im Vorfeld ordentlich Selbstbräuner ins Gesicht geworfen zu haben scheint und trotzdem nicht mal ansatzweise als Türke durchgeht. Die Begleiter Mehmeds sind dem Film genauso egal wie Draculas Gefolgsleute. Und von dem Vampir, der Vlad zum Wesen der Nacht macht, erfährt man erst recht nichts. Der Film will zum Ende kommen. Und das so schnell wie irgendmöglich.
Leider ist dieser Weg zum Finale nicht halb so spektakulär wie erhofft. Was vor allem daran liegt, dass Regie-Debütant Gary Shore die großen Spektakelszenen ziemlich verhunzt. Zumeist hört man mehr, als man sieht. Shore geht immer viel zu nah ran ans Geschehen und übertreibt es mit seiner entfesselten Kamera, die gerne mal derart durch die Szenerie fliegt, schwankt und torkelt, dass einem schwindlig wird. Selbst die tollen Special Effects präsentiert die Kamera aus teils total ungünstigen Winkeln, die die Effektarbeit der Special Effects Künstler eher verstecken als sie zu zelebrieren. Und das ist eine Schande, denn die Effekte machen einiges her. Eine großartige Szene deutet vorbildlich an, was aus „Dracula Untold“ zumindest für eine Stylebombe hätte werden können, wenn man denn gewollt hätte. Dabei sehen wir die kriegerischen Vorgänge gespiegelt in einem im Boden steckenden Schwert. Hier läuft die Effektmaschinerie hinter „Dracula Untold“ richtig rund und kreiert einen Moment, der in seiner Qualität und Wirkung leider vollkommen alleine auf weiter Flur bleibt. Zumindest sind auch die Effekte um die Auslöschung diverser Vampire absolut großartig getrickst und bieten durchaus innovative Zerfallsmomente.
Darstellerisch hantiert der Film mit vielen unverbrauchten Gesichtern, die durch die Bank gut, aber auch recht unauffällig spielen. Einen Totalausfall gibt es in Person von Sarah Gadon zu vermelden, die Vlads geliebte Mirena verkörpert und nicht für einen Cent spielen kann. Wodurch auch die ganze Tragik um die verzweifelte Menschbleibung Vlads nie so recht beim Zuschauer ankommt. Denn was juckt einen Charismatiker wie Dracula so eine blasse Ische? Dafür spielt Luke Evans („Fast & Furious 6“) als Vlad/Dracula groß auf. Er ist es auch, der den Film immer mal wieder vor dem Abrutschen ins Trashige zu bewahren vermag und dem es hier und da tatsächlich gelingt, die tragische Dimension seines Charakters auf den Zuschauer zu übertragen. Dominic Cooper bleibt als sein Antagonist leider vollkommen unterfordert, wuppt seine wenigen Szenen aber souverän. Was auch für Charles Dance („The Contractor“) als Ur-Vampir gilt.
Am Ende bleibt ein Film, der seiner Hauptfigur in keinster Weise gerecht wird. Dracula wird zum Menschenfreund romantisiert und zum Superheld hochstilisiert. Natürlich gibt der Film vor, bisher unbekannte Seiten des berühmten Filmmonsters zu präsentieren. Letztlich verweichlicht er seinen Helden aber nur zum Emo/Gothic, der in hübscher, fantasylastiger Ausstattung und netter, erdfarbener Düsteroptik formvollendet vor sich hin leidet. Der Rest ist Tempo und (unblutige) Action satt, wobei man keinen Pfifferling auf die Figuren oder die Handlung gibt. Dafür dürfen sich der Soundtrackmaestro, die Special Effects Abteilung und der Kameramann ordentlich austoben. Was dem Film nicht immer zum Vorteil gereicht. Reicht einem die bloße, sehr schöne Oberfläche aus, kann es sogar sein, dass man „Dracula Untold“ tatsächlich etwas abgewinnen kann. Manch anderer Zuschauer wird aber vermutlich trotz Heidentempos hier und da mit dem Schlaf zu kämpfen haben. Und egal, zu welcher Gruppe man nun gehört, am Ende fühlt man da einfach nur die eingangs erwähnte Leere. Als habe Dracula persönlich einen ausgesaugt…
Dracula Untold ist seit dem 2. Oktober 2014 in den deutschen Kinos zu sehen. Der Film kommt von Universal Pictures und ist mit einer FSK 12 Freigabe versehen.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Universal Pictures__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab dem 2. Oktober in den deutschen Kinos |