Originaltitel: Dredd 3D__Herstellungsland: Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2012__Regie: Pete Travis__Darsteller: Karl Urban, Lena Headey, Olivia Thirlby, Domhnall Gleeson, Langley Kirkwood, Deobia Oparei, Jason Cope, Brandon Livanos, Santi Scinelli, Rakie Ayola u.a. |
Judge Dredd war Teil der 1977 von John Wagner und Carlos Ezquerra ins Leben gerufenen britischen Comicreihe „2000 AD“. Die Figur gehört hier in eine durch Kriege und Umweltverschmutzungen weitgehend unbewohnbar gewordene Welt, in der sich die Überlebenden in sogenannten Mega Cities zusammengefunden haben. Urbane Ungeheuer voller gigantischer Wohnblöcke, in denen gut und gerne 100 000 Menschen Platz finden. In diesen Mega Cities, in denen die Menschen wie Vieh zusammengepfercht leben, kann das Verbrechen gedeihen wie eine Krankheit. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, wurden die Judges ins Leben gerufen. Der bekannteste und gefürchtetste ist Judge Dredd, wie die anderen Judges Jury, Richter und Vollstrecker in einer Person. Die Comicreihe sammelte in GB eine treue Fangemeinde um sich, weshalb ein Film mit Sylvester Stallone 1995 versuchte, das Franchise um den leicht faschistoid angehauchten Judge Dredd einem größeren Publikum außerhalb Großbritanniens vorzustellen. Doch dieser Plan ging nicht auf. Dem seltsam unrund wirkenden fertigen Film sah man in jeder Minute an, dass er durch die Produktionshölle gegangen war. Die Fans straften den Film aufgrund seines Umgangs mit Dredd obendrein brutal ab, denn die Art und Weise, wie Stallone den Judge anlegte, hatte nicht viel mit der Comicvorlage gemein. Sinnlose Comic Reliefs brachen dem Film endgültig das Genick, der zudem den Fehler machte, soviel wie möglich aus dem Dredd-Universum in 90 Minuten Film zu stopfen. Das Ergebnis: Ein veritabler Flop … und der indirekte Hinweis an die Macher des neuen Dredd, dass der Schlüssel zum Erfolg eventuell in der Reduktion liegen könnte …
httpv://www.youtube.com/watch?v=OeR6udwIei8
Mega City One ist ein Fleischwolf.
Menschen gehen hinein, Fleisch kommt heraus.
Alles was wir tun, ist die Kurbel zu drehen … (Judge Lex)
Ein neuer Tag in Mega City One. Judge Dredd wird von seiner Vorgesetzten instruiert, eine neue Rekrutin für einen Tag zu beaufsichtigen. Sie, Cassandra Anderson, habe zwar den Eignungstest der Judges nicht bestanden, sei aber wegen ihrer mentalen Fähigkeiten hochinteressant für das Corps. Gemeinsam ziehen Dredd und Anderson los, um einen Dreifachmord in einem Megablock namens Peach Trees aufzuklären. Unverhofft schnell haben sie dank der PSI-Fähigkeiten von Anderson einen Verdächtigen geschnappt. Doch dessen Boss, eine skrupellose Gangsterbraut namens Ma-Ma, befürchtet, dass ihr Vasall Geheimnisse ausplaudern könnte, die ihre Herrschaft und ihre Geschäfte gefährden könnten. Also lässt sie das Gebäude hermetisch abriegeln und bläst zur Jagd auf Dredd und dessen Schutzbefohlene …
Wem The Raid zu indonesisch, zu grobkörnig, zu Martial-Arts-lastig oder zu „billig“ war, der findet in Dredd definitiv sein El Dorado, denn dieser mutet fast schon wie eine 1:1 Kopie des großartigen indonesischen Actionbrettes an. Ein Hochhaus voller Gangster; eine Spezialeinheit, die sich den Weg durch das Gebäude bahnt; ein Gangsterboss, der das Gebäude beherrscht und mittels allgegenwärtiger Überwachungsgeräte kontrolliert; eine Drogenküche; brachiale Action, ein düster dräuender Score – Hollywood braucht gar kein The Raid Remake drehen, denn die Briten liefern es mit Dredd bereits. Und Dredd löst auch alles ein, was man von einem Hollywoodremake erwarten würde: Er ist größer, teurer und ein wenig glatter. Doch bevor hier Missstimmung aufkommt: Wenn schon ein „Remake“, dann bitte so eins! Denn Dredd rockt so brachial genial, dass man irgendwann aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt.
Zunächst ist er storytechnisch etwas geradliniger geraten als The Raid. Die grundlegende Situation wird innerhalb der ersten 10 Minuten erklärt und ab da gibt es nur noch auf die Zwölf! Keine Verbrüderungsarien, keine Figuren, die sich irgendwann als fiese Verräter entpuppen usw. Es geht irgendwann einfach nur noch um Non Stop Action und großartige Bilder. Die Folge ist eine Action Tour de Force, die sich gewaschen hat und eben das Reduktionsprinzip anwendet. Man suchte sich eben eine Geschichte aus, in der ein Brecher wie Dredd vollkommen harmonisch wirkt. Man muss seinen Charakter nicht weiter erforschen, muss nichts über seine Vergangenheit wissen, seinen Klonhintergrund oder ähnliches. Dredd sitzt in der Scheiße und er haut sich da selbst wieder raus. Punkt! Da Karl Urban dank des Helmes, den er nicht einmal abnimmt, nur auf seine Physis und etwas Minimalmimik um die Mundpartie herum zurückgreifen kann, ist es etwas schwer, sich in Dredd hineinzufinden oder ihn gar als Identifikationsfigur zu sehen. Was auch deshalb schwer fällt, weil man teilweise wirklich das Gefühl hat, einer Figur zuzusehen, die Spaß am Töten hat. Das ist in seinem Zynismus nah dran an der Comicvorlage, fürwahr, aber für ein Mainstreampublikum echt schwer zu schlucken. Vollkommen überhöht wird Dredd spätestens dann, wenn er wie ein Geist aus einer Nebelwolke auftaucht und ganz nebenbei den bis dahin wichtigsten Henchman von Ma-Ma über die Klippe springen lässt, um hernach kommentarlos und megacool wieder im Nebel unterzutauchen. Fast wie ein Monster aus diversen gelungenen Creature Features.
Damit man nicht vollends die Verbindung zum Helden verliert, installierte Drehbuchautor Alex Garland (The Beach) mit Anderson (glaubwürdig zwischen verletzlich und knallhart agierend und wie ihre Comicvorlage NIE einen Helm tragend: Olivia Thirlby) eine Verbindung zwischen Zuschauer und Dredd. Dabei dient Anderson nicht dazu, Dredd aufzubrechen – was man im Vorfeld schon vermuten/befürchten musste -, vielmehr soll sie etwas Moral in den Film zurückbringen, indem sie bei den Taten von Dredd schon zurückschreckt und versucht, sich etwas mehr Menschlichkeit zu bewahren. Die Folge ist, dass man irgendwann mehr mit Anderson mitfiebert als mit Dredd. Aufgrund ihrer auch optisch großartig umgesetzten PSI-Fähigkeiten wirkt sie eh noch einmal einen Zacken interessanter als Dredd, von dem man wirklich gar nichts erfährt. Das Ergebnis ist ein nicht uninteressantes Heldenduo, aus dessen Dynamik der Film aber mehr hätte machen können und müssen und dem leider eine arg farblose Gegenspielerin gegenübersteht. Lena Headey, für mich eh eine der Antischauspielerinnen schlechthin, schafft es nicht, ihrer Figur der Ma-Ma auch nur ansatzweise so etwas wie Bedrohungspotential oder ähnliches einzuimpfen. Hier haben wir im Übrigen noch eine Parallele zu The Raid, dessen Oberbösewicht ja auch nur wegen seiner Strippenzieherfähigkeiten gefährlich war. Leider versäumt man es bei Dredd, einen besonders bedrohlichen Henchman a la The Raids’ Mad Dog zu installieren, weshalb Judge Dredd und Co. leider nur gesichtloses Kroppzeug umnieten …
Aber wie sie das machen! Da man nicht auf indonesische Martial Arts Artisten setzen konnte, versuchten Regisseur Pete Travis und sein Team möglichst vielfältige Formen von Shootouts zu inszenieren. Was ein Leichtes ist, dank dem Lawgiver der Judges. Eine Waffe, die mit stetig variierender Munition ballert und für höchst effektive und ultrabrutale Kills sorgt. Wo wir gerade beim Thema sind: In Dredd bohren sich Leuchtraketen in die Köpfe der Bäddies und lassen diese großformatig verbrennen, Köpfe werden weggesprengt und mit Kugeln vollgepumpt, an anderer Stelle werden Menschen gehäutet, mit Phosphorbomben bis auf die Knochen verbrannt und diverse Zivilisten spielen Kugelfang in den mächtigen Bleigewittern. Das Highlight bildet dabei eine Sequenz, bei der mit drei!!! Miniguns ein ganzes Stockwerk des Megablocks zu Staub pulverisiert wird und gefühlte hundert Menschen über den Jordan gehen, als die Kugeln die Wände des Stockwerks durchschlagen, als wären sie aus Papier! Eine großartige, wenn auch extrem zynische Actioneinlage mit irren Bildern.
Apropos: Was der gefeierte Kameramann Anthony Dod Mantle hier für Bilderwelten aufspannt, ist schlichtweg atemberaubend. Vor allem die Szenen, in denen die Droge Slo-Mo eingeworfen wird und genau das bewirkt, wonach der Name klingt – nämlich Superzeitlupen –, dann entwirft der für Slumdog Millionär oscargekrönte Bildermagier Bilder von unvorstellbarer Schönheit, in denen der Film förmlich gülden strahlt und glitzert und die Farbigkeit allgemein deutlich nach oben geschraubt wird. Wenn in diesen Bilderwelten plötzlich Körper in Superzeitlupe von Kugeln zerstört werden, dann hat dieses Sterben eine verstörende visuelle Ästhetik und Schönheit. Abseits der Slo-Mo Einlagen bebildert Mantle Dredd dreckig realistisch, mit harter Schattensetzung und ordentlich Ecken und Kanten, um sich daran zu reiben. Wirklich weggeblasen wird man allerdings von dem in Dredd zum Einsatz kommenden 3D, bei dem Mantle, der vorher noch nie mit 3D gearbeitet hat, scheinbar mühelos die Grenzen der Technik auszureizen versteht und in wirklich jeder Szene eine großartige Tiefenwirkung etablieren kann. Auch und vor allem durch die für 3D Filme fast schon innovative Wahl der Perspektiven und Bildausschnitte. Und wenn Mantle in einer Szene das Blut über die Leinwand hinaus spritzen lässt (ein simpler Trick, bei dem Bildelemente scheinbar über den Rand des Bildes spritzen, weil dieser für einen kurzen Moment mit schwarzen Widescreenbalken vergrößert wurde), dann ist er auf dem Höhepunkt der Pop Out Tricks im 3D Kino und will man dem Kinopersonal fast schon zurufen, dass sie in Reihe eins mal ordentlich durchwischen sollten. Spätestens in Sachen visueller Kraft überrundet Dredd The Raid mühelos …
Es wurden nun schon diverse Gemeinsamkeiten mit The Raid aufgeführt. Die Wichtigste aber ist, dass beiden Filmen, The Raid und Dredd, gemein ist, dass sie in einem kleineren, reduzierten Rahmen aufzeigen sollten, was mit ihren Figuren möglich wäre. Bei The Raid trug dieses Vorgehen Früchte und man dreht bereits fleißig an der deutlich größer angelegten Fortsetzung. Und genau das würde man nun auch Dredd wünschen. Leider ging bei dem die Rechnung finanziell bisher nicht wirklich auf, so dass es fraglich ist, ob wir jemals auf der großen Leinwand mehr über Dredd erfahren werden. Warum die Leute unter anderem in den USA dem Film fernblieben, kann man nur erahnen. Denn an Dredd stimmt bis auf den laschen Bösewicht, der aufgrund der eiskalten Souveränität von Dredd recht flachen Spannungskurve und eher schwachen Charakterzeichnungen eigentlich alles! Die entworfene Zukunftsvision gefällt und wird mit wenigen aber höchst funktionellen Effekten glaubhaft kreiert, die Darsteller mühen sich redlich, die strunzbrutale Daueraction hält mühelos bei der Stange, das Tempo ist enorm hoch, der Soundtrack gibt sich mal düster dräuend mal wundervoll treibend und die Bilderwelten sind voll von sowohl düster realistischer Kraft als auch wundervoller Anmut in den Slo-Mo Sequenzen. Und mittendrin ein wuchtig bulliger Held wie aus früheren Zeiten, der ohne Gnade und einem festen, unverrückbaren Regelkodex folgend alles umnietet, was auch nur ansatzweise gesetzeswidrig um die Ecke guckt. Das mag politisch alles andere als korrekt sein, aber im Rahmen eines fiktiven Actionmarathons der Güteklasse A rockt eine humorlose und ironiebefreite Figur wie die des Judge Dredd einfach mal derb genial! Expendables 2, The Raid und nun Dredd … wer dieses Jahr ernsthaft über die Qualität des Actionkinos jammert, der hat nicht mehr alle Latten am Zaun.
Dredd ist ab 15. November in den deutschen Kinos zu sehen.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Universum Film__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, der Film ist ab 15.11.2012 im Kino |