Originaltitel: Fury__Herstellungsland: Großbritannien, China, USA__Erscheinungsjahr: 2014__Regie: David Ayer__Darsteller: Shia LaBeouf, Brad Pitt, Logan Lerman, Scott Eastwood, Jon Bernthal, Xavier Samuel, Jason Isaacs, Michael Peña, Jim Parrack, Eugenia Kuzmina, Christina Ulfsparre u.a. |
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Ein „Herz aus Stahl“ braucht es in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges.
Zugegeben, abgesehen von einigen wirklich hirnrissigen Aktionen abseits der eigentlichen Dienstzeit ist mir von meinem Wehrdienst nicht viel in Erinnerung geblieben. Ich könnte vermutlich nicht einmal mehr die simpelsten Aufgaben bewältigen. Etwa das Aufzündern von Granaten für die Panzerhaubitze. In selbiger habe ich gedient. In Wildflecken, einem inzwischen geschlossenen Standort der Bundeswehr (daran bin ich allerdings unschuldig). Dafür sind mir ganz besondere Momente irgendwie unverrückbar ins Hirn eingebrannt. Etwa der Tag, an dem uns ein Hauptmann darüber aufklärte, was zu tun ist, wenn man einem Panzer oder einer Panzerhaubitze gegenübersteht.
Der wichtigste Tipp: Füße in die Hand nehmen und laufen, was die Beine hergeben! Doch man kann sich beim Panzer auch einen kleinen Vorteil ergaunern. Man sollte einfach alles, was man an Munition im Gewehr hat, auf das mechanische Ungetüm abfeuern. Dabei muss man zwar aufpassen, dass man nicht von Querschlägern getroffen wird und wirklich jucken würde es den Panzer nicht, ABER die Besatzung kann hören, was passiert. Denn wenn Metall auf Metall knallt, dann wird es unweigerlich laut. Richtig laut. Die Folge: Nerven könnten blank liegen, Fehlentscheidungen getroffen werden. Und schon habe man laut dem Hauptmann einige Sekunden gewonnen. Warum er danach weiter erzählte, weiß ich nicht, denn wirklich zuversichtlich machten uns seine Ausführungen nicht, als er meinte, dass man genau diese Taktik auch bei unseren Panzerhaubitzen fahren sollte. Mit dem einzigen Vorteil, dass nach dem Leerfeuern des Gewehres die gesamte Haubitzen-Besatzung tot sein könnte. Denn freilich sind Panzerhaubitzen Fernwaffen, die von weit hinter den Stellungen den Gegner 40 Kilo Granaten fressen lassen. Diese Gefährte brauchen keine wirkliche Panzerung und so gehe simple Gewehrmunition durch die Aluminium-Wandungen wie das heiße Messer durch die Butter (O-Ton).
Nunja, egal. Zum Glück ist dergleichen nie passiert, aber die durch die Ausbildung assoziierten Bilder saßen. Und irgendwie fragte sich ein leicht filmisch denkender Typ wie ich sofort: Warum wurden derartige Einlagen noch nie in einem Film eingebaut? Warum spielen Panzer und ähnliche schwere Artilleriewaffen meist eine so kleine Rolle in großen Produktionen? Zwar rollt irgendwann immer mal ein brüllendes Panzerungetüm über die Heide, macht den Gegner platt und alle freuen sich. Vielmehr hat man sich – vermutlich auch aus Kostengründen – irgendwie nie so wirklich getraut. Tja, und auf einmal rollt da „Fury“ aka „Herz aus Stahl“ vorbei, macht sich genau diesen Umstand zunutze und präsentiert Sequenzen mit Panzern, die man so in noch keinem Film gesehen hat.
httpv://www.youtube.com/watch?v=2hKN9BVqu1g
April, 1945. Die Alliierten stehen weit im Vorgarten von Adolf Hitler und das Ende des Krieges ist zum Greifen nah. Doch Hitler wirft den Gegnern noch einmal alles entgegen: Kinder, Frauen, Greise. Der totale Krieg zeigt seine hässliche Fratze und verlustreiche Kämpfe sind an der Tagesordnung. So auch für ein kleines Panzer-Platoon der Amerikaner, das nach blutigen Scharmützeln in Afrika und ganz Europa tatsächlich nur noch aus einem Sherman Panzer besteht. Jenen hat seine fünfköpfige Besatzung „Fury“ getauft. Doch von den fünf Männern sind nur noch vier übrig. Eilig wird dem Team ein unerfahrener Schreibtischtäter zugeteilt und gemeinsam mit drei Panzern eines anderen Platoons rückt man wieder aus, um zunächst eine Stadt zu erobern und hernach eine wichtige Kreuzung zu halten. Diese darf den Deutschen nicht in die Hände fallen, würden sie doch sonst andere Kampfverbände der Amerikaner vom Nachschub abschneiden…
Ideale sind friedlich. Geschichte ist brutal!
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Wardaddy alias Brad Pitt kämpft hinter feindlichen Linien.
Zwar erlaubt sich Regisseur David Ayer („Sabotage“) einige kriegskritische Kommentare, beklemmende und extrem düstere Bilder sowie intelligente Bonmots wie obiges, ein Antikriegsfilm ist sein „Herz aus Stahl“ aber dennoch nicht. Stattdessen ist er ein sehr schnell vorangetriebener Kriegsfilm, dem einige starke Actionszenen gelingen, die lange nachwirken. Eben weil man sie so teilweise noch nie auf der Leinwand gesehen hat. Das absolute Highlight bildet dahingehend ein grandioses Duell zwischen vier Sherman-Panzern und einem deutschen Tiger-Panzer. Das Ergebnis ist herrlich dynamisch, richtig schnell und voller taktischer Winkelzüge und präsentiert eine tolle Variation des Kain gegen Abel Motivs. Denn die amerikanischen Panzer sind dem Tiger trotz zahlenmäßiger Überzahl hoffnungslos unterlegen. Spätestens wenn es dann einen US-Panzer zerreißt und abgefeuerte Geschosse von den Gefährten abprallen und sich Meter weiter in den Boden bohren, um dort hochzugehen, ist der Wow-Faktor für Actionfans einfach enorm. Hier dreht Ayer wirklich extrem gekonnt an der Spannungsschraube.
Bis zu dieser Szene hat man aber auch schon eine ganze Menge hinter sich. Darunter eine tolle, beinahe apokalyptisch anmutende Einstiegsszene, in der ein deutscher SS-Offizier über ein vollkommen zerbombtes Schlachtfeld reitet – vorbei an zig ausgebrannten Kriegsgeräten und Leichen, die scheinbar eins mit dem matschigen Boden geworden sind. Danach wird uns die Mannschaft von Fury kurz, aber effektiv vorgestellt. Der Neuling, Norman, bildet dabei unseren Zugang zu der verschworenen Gemeinschaft. Leider hält sich Ayer mit der Figurenzeichnung extrem zurück. Seine Figuren definieren sich im weiteren Verlauf alleine über ihre Taten, ansonsten bleiben sie erstaunlich leblose Hüllen. Der Ansatz dahinter wird sogar direkt im Film genannt: Norman (und damit der Zuschauer) soll nicht zu vertraut mit den Kameraden werden, da er den nächsten Einsatz wohl eh kaum überleben werde. Doch selbst als sich Norman endlich bewährt hat, lassen die anderen ihn nicht an sich heran. So erfahren wir nie, warum „Bible“ so bibelverrückt ist, warum „Wardaddy“ Pferde liebt und schon weit vor dem Krieg Deutsch konnte, warum „Coon Ass“ so ein Arschloch ist und was „Gordo“ eigentlich noch ausmacht, außer, dass er Latino ist. Selbst über Norman erfahren wir nichts.
Dennoch klappt die Involvierung des Zuschauers ganz gut, was vor allem damit zu tun hat, dass „Fury“ und seine Mannen gerne vor besonders aussichtslose Aufgaben gestellt werden. Das mündet in einen überlangen, wuchtigen, brutalen, verlustreichen Showdown, der dem Panzerduell in Sachen Action und Spannung in nichts nachsteht. Sowohl die Action als auch die Handlungsszenen kleidet Ayer in ein farbentzogenes, beinahe graues Gewand aus Schlamm und Dreck. Nur selten gönnt er sich einige erdigere, kräftigere Farben. Ansonsten wirkt sein Film fast monochrom. Unter den Bildern erklingt ein erstaunlicher elektronischer Score, der allen Szenerien immer wieder die in der Eingangsszene beschworene apokalyptische Grundstimmung einimpft. Ausgeschmückt mit Frauen-und Männerchorälen bekommt der Score von Steven Price (gewann zuletzt mit einer ähnlichen Meisterleistung den Oscar für „Gravity“) ab und an beinahe verstörende Dimensionen und in Verbindung mit dem Liedgut marschierender Soldaten erreicht er vollkommen eigene, originäre Qualitäten. So gelingen fantastische Bild-Ton-Collagen, die sich auch in einigen eingewobenen, sehr stimmigen, ruhigen Momenten absolut bewähren.
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Die Besatzung von „Fury“
Leider gibt es eine Szene, in der es Ayer meiner Meinung nach ein wenig versaubeutelt und seine Zuschauer beinahe verliert. Selbige beginnt insofern sehr interessant, dass zwei Charaktere („Wardaddy“ und Norman) versuchen, so etwas wie Normalität in ihr aus den Fugen geratenes Leben zu bringen. Sie quartieren sich bei zwei deutschen Damen ein, lassen sich bekochen und waschen sich. Doch der Reiz der Szene verfliegt, als Norman und eine Dame sich zurückziehen und den Jungen zum Mann machen. Glücklicherweise bleibt uns die Szene selbst erspart, aber das ganze Drumherum wirkt einfach total unglaubwürdig in seiner Herleitung. Und Ayer findet einfach kein Ende für die Szene. Auf einmal tauchen auch noch die restlichen Teammitglieder in genau der Wohnung auf und führen sich auf wie die letzten Vollidioten. Es ist schon klar, dass Ayer uns verklickern will, das Krieg verroht und nicht jeder den Hebel wieder auf Normalität umlegen kann. Aber er findet einfach keinen pointierten Abschluss. Kein Ausrufezeichen. Vielmehr verrät er einige seiner Charaktere, die gerade noch schwärmten, dass „Wardaddy“ der beste Geschützführer überhaupt sei und man sich auf ihn immer verlassen könne. Auf einmal stellen sie sich passiv aggressiv ohne logischen Grund gegen ihn… Natürlich dient die Szene auch dazu, um zu zeigen, dass die ansonsten arg gesichtslosen Deutschen nicht alle Schweine sind, aber die Szene funktioniert einfach nicht. Sie wirkt unrund, überflüssig und wie ein Fremdkörper im Film.
Auch sonst fällt Ayer auf diverse Klischees zum Thema herein. So stehen auch die Kriegsgefangenen in seinem Film in mehreren Reihen mit großen Augen am Drahtzaun und schauen ihren Kontrahenten bei deren alltäglichen Arbeiten zu. Warum zum Teufel sollten sie das machen? Haben die nicht andere Sorgen? Und wenn Kinder in Uniformen erschossen werden, müssen uns das Ayers Charaktere auch nochmal laut erklären, damit der Fakt auch wirklich beim Zuschauer ankommt. Und obwohl Ayer uns ausgewalzte Heldentode erspart, ist dennoch irgendwie klar, in welcher Reihenfolge es wohl wen erwischen wird. Hier ist das ebenfalls von Ayer verfasste Drehbuch einfach ein wenig zu formelhaft geraten.
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Die Bilder von „Herz aus Stahl“ erzeugen eine tolle Atmosphäre.
Gegen derartige Momente spielen seine Darsteller durchaus beherzt an. Dabei ragen vor allem Logan Lerman („Die drei Musketiere“) als Norman und Brad Pitt („World War Z“) als „Wardaddy“ überdeutlich aus dem Cast heraus. Lerman macht einen guten Job als Verbindung zum Publikum und Brad Pitt hat vom Drehbuch einige saustarke Sequenzen abbekommen. Michael Pena („Shooter“) leidet als Gordo ein wenig an der Eigenschaftslosigkeit seiner Figur, liefert aber auch einen souveränen Auftritt ab. Shia LaBeaouf („Transformers“) scheint wohl auf irgendwas bei den Dreharbeiten allergisch reagiert zu haben, denn er hat beständig seltsam tränenunterlaufene Augen. Davon abgesehen spielt er hier so konzentriert und gelungen auf wie schon lange nicht mehr. Seiner Figur hätte man im Nachhinein wirklich deutlich mehr Auftritte gewünscht. Dafür hätte man Jon Bernthal („Zwei vom alten Schlag“) deutlich zurücknehmen können und auch müssen, denn er ist beständig weit drüber und overacted sich teilweise extrem um Kopf und Kragen.
Was bleibt, ist ein Kriegsfilm, dem einige eindrückliche Schlenker in Richtung Antikriegsfilm gelingen. So wird die allgegenwärtige Brutalität des Krieges mehr als deutlich gemacht. Auch von Heroisierung oder Glorifizierung der Amerikaner sieht der Film weitgehend ab. Wenn beispielsweise einem „Fury“-Mannschaftsmitglied gegen Ende gesagt wird, dass es ein Held sei, sieht man in seinen Augen, dass es diese Aussage nicht für voll nehmen kann. Dieser „Held“ ist einmal durch die Hölle gegangen und er weiß, dass da nichts Heldenhaftes an ihm ist. Seine kriegskritischen Höhepunkte hat „Herz aus Stahl“ immer dann, wenn er die Fratze des Totalen Krieges – etwa mit Bildern von Kindern, die wegen „Feigheit vor dem Feind“ von ihren eigenen „Landsleuten“ erhangen worden – offenlegt. Da schnürt es dem Zuschauer extrem die Kehle zu. Und vielleicht wäre Ayer gut beraten gewesen, mehr von derartigen Szenen zu zehren und die Sinnlosigkeit des Totalen Krieges noch mehr zu entlarven. Doch er setzt stattdessen mehr auf eine temporeiche, schlüssig vorangetriebene, episodische Handlung und wuchtige, mit ziemlich derben Gewaltspitzen versehene, mitreißende Action in perfekter Inszenierung. Das ist durchaus legitim, verstellt „Herz aus Stahl“ aber den Weg zu höheren Weihen…
„Herz aus Stahl“ ist ab dem 1. Januar 2015 in den deutschen Kinos. Beantragt wurde eine FSK 16 Freigabe, die aufgrund der gezeigten Brutalität und der geschichtlichen Thematik Bestand haben dürfte.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Sony Pictures Releasing__Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 1.1.2015 in den deutschen Kinos |