Originaltitel: The Whole Nine Yards__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2000__Regie: Jonathan Lynn__Darsteller: Bruce Willis, Matthew Perry, Rosanna Arquette, Michael Clarke Duncan, Natasha Henstridge, Amanda Peet, Kevin Pollak, Harland Williams, Carmen Ferland, Serge Christianssens, Rumer Willis, Scout LaRue Willis, Tallulah Belle Willis u.a. |
Der deutsche Verleihtitel von „The Whole Nine Yards“ drückt es eigentlich gut aus: In dieser rabenschwarzen Komödie machen alle Beteiligten „Keine halben Sachen“.
Nicholas ’Oz’ Oseransky (Matthew Perry) ist ein Zahnarzt gegen den sich das Leben verschworen zu haben scheint. Sein Schwiegervater hat ihm einen Riesenberg Schulden und eine dämonische Schwiegermutter hinterlassen und seine Frau Sophie (Rosanna Arquette) würde ihn am liebsten tot sehen. Klar, dass Matthew Perry hier mal wieder vollkommen in seiner Rolle aufgeht, wenn er als gestresster, liebenswerter Pechvogel von seiner Umwelt missachtet wird und einem Nervenzusammenbruch nach dem anderen hat, denn nach „Friends“ war er auf diesen Rollentypus mehr oder weniger abonniert.
Dann zieht zu allem Überfluss noch Jimmy ’Die Tulpe‘ Tudeski (Bruce Willis) neben ihm ein. Der ehemalige Mafiakiller ist nach Kanada gezogen, weil er seinen Paten in New York verpfiff, um nur fünf Jahre im Gefängnis zu sitzen. Doch widrigerweise freunden sich der Profikiller und der Zahnarzt an. Damit spielt Actionstar Willis gegen sein Image und zwar genau indem er so cool und lässig wie eh und je agiert, nur in einem anderen Kontext – keine Hampeleien wie in manch früherer Komödie mit Willis-Beteiligung.
Allerdings hat Sophie einen Plan: Oz soll nach Chicago fliehen, Jimmy verpfeifen und eine Art Kopfgeld kassieren – in diesem Falle willigt sie in die Scheidung ein und lässt ihn in Ruhe. Widerwillig fliegt Oz nach Chicago, hat aber gar nicht die Absicht Jimmy zu verpfeifen. Doch auch so wird er in turbulente Ereignisse mit hineingezogen in denen Mafiosi, Jimmys Frau Cynthia (Natasha Henstridge) und seine Zahnarzthelferin Jill (Amanda Peet) größere Rollen spielen und jede Menge Leichen seinen Weg pflastern…
httpv://www.youtube.com/watch?v=zJafrwBoaCU
Mit kleinen Verweisen auf das Genre des Gangster- und des Mafiafilms arbeitet Jonathan Lynns schwarze Krimikomödie, in der mit gebundenen, kaltblütigen Auftragskillern, Femme Fatales und cholerischen Gangsterbossen jene Standardfiguren des Genres in die idyllische Vorstadt einfallen, in der Normalos wie Oz und seine Frau normalerweise weit weniger mörderische Probleme haben und ihre Dispute mit Worten ausfechten. Dabei wird „Keine halben Sachen“ nie zur reinrassigen Parodie des Gangstergenres, sondern nutzt den Clash beider Welten für eine vergnügliche Komödie, in deren Verlauf quasi jeder jeden bescheißt (oder es zumindest versucht), Loyalitäten auf die Probe gestellt werden und diverse Plottwists dem Geschehen neuen Drive verpassen, wobei die Story doch in erster Linie die Folie für die Komik bietet.
Dementsprechend konzentriert sich Lynns Filme auf seine gagreichen Situationen und dies gelingt ihm ausgesprochen. „Keine halben Sachen“ strotzt nur so vor Doppeldeutigkeiten, Wortwitz, kleinen Slapstickeinlagen und coolen Sprüchen, die vor allem die Konfrontation von des herzensguten Pechvogels Oz mit der Welt des Films betonen, für die er im wahrsten Sinne des Wortes zu nett ist: In einem Ensemble voller Figuren, die nur daran denken, irgendwen umzubringen oder umbringen zu lassen, steht der leidgeplagte Zahnarzt stets am Rande des Nervenzusammenbruchs, was slapstickhaft, aber nie zu hysterisch (selbst bei Ausrastern im Auto) ausgespielt wird. Passend dazu auch das Konzept des Films, der sich immer weiter hochschaukelt, die Situation für alle Beteiligten (und Oz im Besonderen) immer schlimmer macht, immer mehr Leichen produziert, ehe das Finale einer Entladung gleichkommt, die trotzdem ohne Knalleffekte oder große Action arbeitet.
Wie bei so vielen Komödien sind die Gags bei mehrfacher Sichtung nicht mehr ganz so urkomisch beim ersten Schauen, doch dem kann Lynns Film eine andere Qualität entgegensetzen, welche den Wiedersehwert aufrechterhält: Die Charaktere. Während man natürlich dem Underdog Oz die Daumen drückt, so sind Gestalten wie Jimmy herrlich ambivalent: Ein Killer mit einem Kodex, eiskalt in der einen Sekunde, unglaublich nett in der nächsten. Und dann ist da noch Cynthia, zu der sich Oz von Anfang an hingezogen fühlt, bei der er aber nicht weiß, ob er ihr trauen kann. Ist sie eine Femme Fatale in Noir-Tradition? Oder ist es eine ungewöhnliche Liebesgeschichte entgegen aller Wahrscheinlichkeiten? Denn tatsächlich hat „Keine halben Sachen“ Raum für den einen oder anderen romantischen, nicht immer gewöhnlichen Subplot.
Bruce Willis („Stirb langsam“) und Matthew Perry („17 Again“) bilden als Quasi-Buddyduo ein urkomisches, ungleiches Gespann, welches wunderbar harmoniert und mit den beiden wohl seine Idealbesetzung gefunden hat – der Normalo und der Killer, die trotz ihrer unterschiedlichen Lebenswege Seelenverwandtschaft entdecken, wobei es sich jeweils um die Paraderollle beider Darsteller handelt. Mit Charme und Sex-Appeal überzeugt Newcomerin Amanda Peet („Voll abgezockt“), aber auch die herrlich bitchige Rosanna Arquette („The Divide“) und die faszinierend undurchsichtige Natasha Henstridge („Maximum Risk“) können punkten. Besondere Glanzlichter sind aber die Auftritte von Michael Clarke Duncan („The Scorpion King“) als früherer Killerkollege Jimmys und Kevin Pollak („End of Days“) als rachsüchtiger Gangsterboss, welche in ihren kleinen Parts aber noch Akzente setzen können und sich vor den glänzend aufgelegten Hauptdarstellern nicht zu verstecken brauchen.
Dank zündender, teilweise ausgesprochen schwarzhumoriger Gags, des amüsanten Clash zwischen heiler Vorstadtidylle und Gangsterfilmgestalten und der gut geschriebenen Figuren gehört „Keine halben Sachen“ zu den Komödien, die auch bei wiederholtem Sehen noch zu überzeugen wissen – und das, obwohl die Handlung in erster Linie als temporeiches Vehikel für die Gags dient.
Knappe:
Die ersten DVD-Auflagen des Films erschienen bei 20th Century Fox, spätere bei Concorde. Beide bieten als Bonusmaterial Interviews mit den Darsteller, tragen eine Freigabe ab 16 Jahren und sind ungekürzt.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: 20th Century Fox/Concorde__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Ja |