Originaltitel: Mama__Herstellungsland: Kanada-Spanien__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Andrés Muschietti__ Darsteller: Jessica Chastain, Nikolaj Coster-Waldau, Megan Charpentier, Isabelle Nélisse, Daniel Kash, Jane Moffat, Javier Botet, … |
httpv://www.youtube.com/watch?v=f3t5MhLjkt8
A Mother´s Love Is Forever.
Im Jahre 2008 erschuf der Argentinier Andrés Muschietti unter dem Titel „Mamá” einen ebenso düsteren wie „wirkungsvollen“ spanischen Horror-Kurzfilm, in dessen Gestalt er eine Menge Talent bewies und der im Rahmen verschiedener Festival-Screenings ein ersprießliches Maß an Aufmerksamkeit erwecken konnte – u.a. auch seitens des mexikanischen Produzenten und Regisseurs Guillermo del Toro, welcher seinem Kollegen fortan dabei unter die Arme griff, jenen nur rund dreiminütigen „Short“ auf Spielfilmlänge auszubauen sowie im ersten Quartal 2013 in die internationalen Kinos zu bringen, wo er sogleich zu einem ansehnlichen Box-Office-Erfolg avancierte: Mit einem Budget von rund 15 Millionen Dollar realisiert, wurden (z.B.) allein am amerikanischen Start-Wochenende stolze $28,4 Millionen eingenommen…
Konfrontiert mit gravierenden (beruflichen wie persönlichen) Auswirkungen der Finanzkrise, hatte der verzweifelte Jeffrey (Nikolaj Coster-Waldau) eines Tages vor einer halben Dekade „die Nerven verloren“ – was u.a. dazu führte, dass er einige Firmen-Mitarbeiter sowie seine Ehefrau (kurz darauf bei sich daheim) erschoss, bevor er mit seinen zwei jungen Töchtern anschließend (per Pkw) die Stadt verließ, wo die drei im Folgenden dann allerdings allesamt (den Vermutungen nach irgendwo innerhalb einer weiten, unbevölkerten Bergregion) sozusagen „spurlos verschwanden“. Nach dem ergebnislosen Einstellen der offiziellen Fahndung (einige Wochen später) hatte sich sein Bruder Lucas (ebenfalls Coster-Waldau) damit jedoch nicht zufrieden gegeben und es sich postwendend zu seiner Aufgabe gemacht, herauszufinden, was genau aus ihnen geworden ist – weshalb er seither auch stattliche Summen seines eigenen Geldes in entsprechende „Anstrengungen“ investierte. Gerade als ihm die Rücklagen allmählich auszugehen drohen, erreicht ihn plötzlich die erfreulich-überraschende Nachricht, dass ein von ihm entsandtes „Such-Duo“ Lilly (Isabelle Nélisse) und Victoria (Megan Charpentier) in einer alten, heruntergekommenen Waldhütte aufgefunden hat: Zwar verwildert und physisch wie psychisch mitgenommen – „wie durch ein Wunder“ aber noch am Leben…
Unter der Aufsicht des Psychiaters Dr. Dreyfuss (Daniel Kash) werden die Schwestern fortan (etliche Wochen lang) in einem Uni-Klinikum betreut: Inzwischen im Alter von sechs und acht, vermag sich Victoria noch relativ achtbar an die Sprache sowie ihren Onkel zu erinnern – während Lilly (bis auf ganz wenige Worte) nicht richtig reden kann und sich auch sonst gemäß der Art ihres Aufwachsens verhält (sprich: auf dem Boden unterm Bett schläft, es nicht schätzt, von anderen berührt zu werden, ab und an mal einen Käfer isst etc.). Dank einer Empfehlung des Doktors gelingt es Lucas schließlich, zusammen mit seiner Freundin Annabel (Jessica Chastain) das vorläufige Sorgerecht zu erhalten – worauf ihnen die Universität ein schönes Haus „gleich in der Nähe“ zur Verfügung stellt, da Dreyfuss die Entwicklung der Kinder auf diese Weise besser im Blick behalten kann. Speziell für Annabel markiert dieser „Schritt“, für welchen sie so einige ihrer „vorherigen Freiheiten“ aufgeben musste, eine besondere Herausforderung – doch bemühen sie und Lucas sich (nichtsdestotrotz) redlich, den beiden eine neue, heile Familie zu bieten. Dann fangen sich aber auf einmal „seltsame Vorfälle“ zu ereignen an, die wohlmöglich mit einer gewissen „Mama“ in Verbindung stehen: Laut Dreyfuss haben die Mädchen sich jene offenbar im Laufe der Zeit (quasi als ein „Schutzmechanismus“) ausgedacht. Doch was, wenn sie (in der einen oder anderen Form) tatsächlich existiert – und „unter bestimmten Umständen“ (obendrein) nicht gerade friedfertiger Natur ist…?
Der Prolog, mit welchem die hier nun zur Besprechung vorliegende (knapp 100 Minuten lang laufende) 2013er Version von „Mama“ eröffnet – jetzt übrigens eine spanisch-kanadische Co-Produktion, die ohne Akut-Zeichen im Titel geschrieben wird – offeriert dem Zuschauer einen geschickt konzipierten Einstieg in die Handlung: Zum einen entsteht auf diesem Wege ebenso früh wie rasch eine (seitens der Situation und Darbietungsweise dienlich unterstützte) solide emotionale Verbindung zu Victoria und Lilly, zum anderen demonstriert Regisseur Muschietti durch das unaufdringliche „zur Schau stellen“ einer Reihe ansprechender inszenatorischer Details prompt ein „inspiriertes Händchen“ auf dem betreffenden Gebiet. Zudem erzeugt die Intention des Vaters, nach dem „bereits Getanen“ nun auch (in einem schon lange verlassenen Ferienhäuschen, nachdem sein Wagen zuvor von der Straße abgekommen war) sowohl seine Töchter als auch sich selbst zu erschießen, auf Anhieb eine „angenehm“ creepy-beklemmende Stimmung. Unmittelbar bevor er diese Absicht allerdings in die Tat umsetzen kann, wird er plötzlich jedoch von der „Titel-gebenden Geister-Gestalt“ ergriffen und getötet. Auf der Basis ihres Mutterinstinkts, welcher durch ein „prägendes Ereignis“ (nicht erst in jüngerer Vergangenheit) „erweckt“ wurde, schützt, ernährt und kümmert sich jene in den folgenden fünf Jahren um die Kinder – bis diese entdeckt und in die Zivilisation zurückgebracht werden. Die Szenen, in denen man sie nach all den Monaten wiederum „zu Gesicht erhält“ – u.a. verschmutzt, fremdartige Laute von sich gebend sowie viele ihrer Bewegungen „auf allen Vieren“ ausführend – wurden wahrhaft prima arrangiert: Eine Einstellung, in der beide gemeinsam auf einem Kühlschrank hocken, gehört dabei (definitiv) mit zu meinen liebsten des gesamten Films…
Lucas hatte nie aufgegeben, (vorrangig) nach seinen Nichten zu suchen – und so nutzte er all seine „finanziellen Ressourcen“ (wie sein als Künstler verdientes Geld) dafür, beispielsweise Hilfskräfte anzuheuern, welche die in Frage kommenden (abgelegenen) Regionen „für ihn“ dann systematisch nach Spuren und/oder Anhaltspunkten „durchforsteten“: Mit Erfolg! Zwar vermochte es sich mir nie wirklich zu erschließen, warum es eigentlich derart lange gedauert hat, das bei Glätte aus einer Kurve einen Abhang hinab geschleuderte Fahrzeug ausfindig zu machen – aber egal, c’est la vie. Sowohl in der Rolle des verzagten Jeffreys als auch in der seines charmant-einfühlsamen Bruders überzeugt Nikolaj Coster-Waldau (TV´s „Game of Thrones“) jedenfalls gänzlich. Leider gerät letzterer Part innerhalb des Verlaufs allerdings zunehmend in den Hintergrund: Ab dem Mittelteil tritt Lucas im Prinzip „nur noch am Rande“ auf – erholt sich u.a. von einem „Vorfall“ im Krankenhaus und stellt einige „Recherchen“ (im Wald bei der Hütte) an – was echt schade ist und in gewisser Weise so wirkt, als hätte ihn das Skript irgendwann schlichtweg weitestgehend im Stich gelassen. Zu Beginn als lässiges, in einer Band spielendes, modisch-düstere Klamotten sowie ein cooles Arm-Tattoo tragendes „Rock Chick“ in die Story eingeführt, wandelt sich Annabel (dagegen) rasch von „nur der Freundin“ hin zur klaren Hauptprotagonistin der Geschichte. Durchweg eine toughe, moderne Frau, welche in dieser Phase ihres Lebens „normalerweise“ noch keine Kinder haben möchte, unterstützt sie Lucas inklusive seines Wunsches, die Mädchen bei sich aufzunehmen – behält im Rahmen dessen aber dennoch „all ihre Optionen“ gewahr…
Es mag sein, dass einige Annabel eingangs durchaus als „ein wenig unsympathisch“ ansehen könnten. Mir selbst ging das allerdings nicht so – im Gegenteil: Ihre vermittelte Erleichterung und Freude über einen negativen Schwangerschaftstest empfand ich persönlich (stracks) als „überaus einnehmend“. Selbstverständlich weiß man genau, wohin sich ihr „Character Arc“ entwickeln wird – nämlich hin zu einer engagierten, beschützenden, emotional verbundenen Mutterfigur – weshalb es auch überhaupt nicht nötig gewesen wäre, dies (gleich mehrfach) im Zuge diverser Dialoge „hervorzuheben“. Nichtsdestotrotz vollzieht sich diese Veränderung glaubhaft – also keineswegs „aufdringlich gefühlsbetont“ oder so – was primär der starken Performance Jessica Chastains („Zero Dark Thirty“) zu verdanken ist, welche alle Facetten des Parts umfassend meistert (nur ihre schwarze Kurzhaar-Frisur/Perücke traf nicht unbedingt meinen präferierten Geschmack). Als Victoria und Lilly liefern Megan Charpentier („Resident Evil: Retribution“) und Isabelle Nélisse („Whitewash“) jeweils herausragende, intensive und vielseitige Leistungen ab, die authentisch anmuten und die volle Bandbreite der Rollen mit einschließen – von hintersinnig über verletzlich (und teils verängstigt) bis hin zu unheimlich sowie gar bedrohlich. Während sich Victoria noch an die Zeit vor jenem „tragischen Tage“ erinnern kann und sich Annabel (in Anbetracht bestimmter Erkenntnisse und Erlebnisse) langsam immer weiter annähert, ist Lilly strikt seitens ihres Heranwachsens in der Wildnis geprägt: Sie spricht nicht, isst lieber mit dem Hund auf dem Fußboden und verfügt über eine innige Verbindung zu „Mama“ – welche aber schon bald zu einem ebenso heiklen wie bewegenden Konflikt mit ihrer Schwester führt…
Basierend auf seinem 2008er Kurzfilm, verfasste Andrés (der hier in den Credits nun übrigens als Andy aufgeführt wird) zusammen mit seiner Gattin Barbara sowie dem Briten Neil Cross (TV´s „Luther“) eine solide gestrickte Handlung, in deren Gestalt die „ursprüngliche Materie“ ersprießlich auf den „erforderlichen Umfang“ ausgeweitet wurde und welche u.a. mit einem „festen dramatischen Kern“, einem augenfälligen (für die Projekte Guillermo del Toros ja nicht ungewöhnlichen) „Märchen-Vibe“ sowie dem einen oder anderen reizvoll-ergiebigen „inhaltlichen Motiv“ (Stichwort: Ersatzmutter) aufzuwarten vermag. Dennoch offenbaren sich gerade im Bereich des Drehbuchs die markantesten Schwächen des Werks, denn die Story an sich ist weder sonderlich „beseelt“ noch unvorhersehbar geraten. Da man als Zuschauer relativ früh verschiedene Gegebenheiten aufgezeigt bekommt, wie dass es „Mama“ wahrhaftig gibt, sie also nicht allein in der Vorstellung der Kinder existiert, ist man den meisten Protagonisten längere Zeit ein gutes Stück voraus – was u.a. den „Mystery-Faktor“ vermindert, etwa weil man dadurch ja quasi erst einmal „darauf warten muss“, bis sie endlich begreifen, womit sie es tatsächlich zutun haben. Zwei Neben-Plots entfalten sich unterdessen auf „ziemlich absehbaren Bahnen“: Zum einen versucht die Oma der Mädchen, das betreffende Sorgerecht einzuklagen, zum anderen ist nicht ganz sicher, ob für Dr. Dreyfuss das Wohl seiner Patientinnen oder eher die „Gewinnung von Material“ für einen geplanten Bestseller (über ihren Fall) an vorderster Stelle steht – worüber hinaus sich gegen Ende auch noch so einige Klischees anhäufen (á la nachts allein die alte Waldhütte aufsuchen) sowie gewisse Ereignis-Abfolgen (wie Lucas´„Rückkehr ins Haupt-Geschehen“) einen leicht holprig konzipierten Eindruck heraufbeschwören…
Im Vorliegenden beweist Muschietti erneut seine beachtliche Begabung als Regisseur: Es ist unverkennbar, dass er „die Dinge“ ganz genau ins rechte Licht zu rücken weiß – was prompt zu Beginn mit einigen feinen Details im Zusammengang mit Victoria und ihrer Brille anfängt und sich anschließend durch den gesamten Verlauf zieht, bis hin zum kompetent arrangierten (sowie in einer speziellen Hinsicht überraschend unkonventionellen) Finale bzw. Ausgang des Streifens. Eine Einstellung in einem Flur, welche Lilly (durch eine halb geöffnete Tür) zeigt, wie diese gerade mit jemandem „außerhalb des Bildes“ spielt, ist besonders klasse mitzuverfolgen – ebenso wie eine exzellente Traumsequenz, die eigentlich eine „transferierte Erinnerung“ ist. Unterlegt seitens eines „effektiven“ Scores von Fernando Velázquez („the Impossible“), hat Cinematographer Antonio Riestra („Pa Negre”) visuell alles überaus schick eingefangen – und so überzeugt der Film „auf technischer Ebene“ (Schnitt, Optik, Ausleuchtung, Musik-Untermalung usw.) nahezu gänzlich, zumal die creepy Atmosphäre durchweg „ausgeprägt“ geartet ist. Und die „Titel-Figur“? Verkörpert vom extrem dünnen und hoch gewachsenen Javier Botet („Rec“) sowie mit diversen „CGI-Zusätzen“ (wehende Haare, grotesk verzerrte Mimik etc.) angereichert, besitzt sie eine gespenstische Aura, sieht Furcht-erregend aus und erfüllt ihren Zweck somit optimal – bis man sie zum Schluss hin klar und deutlich zu Gesicht erhält und sie im Zuge dessen schlichtweg „etwas zu künstlich“ anmutet. Ihre raschen, plötzlichen, teils Insekten-artigen Bewegungen (im J-Horror-Stil) resultieren in etlichen netten „Jump Scares“, die meist von lauten, abrupt eingespielten Sounds akzentuiert werden: Per se nicht unbedingt kreativ – in einer Situation kommt sogar die „klassische“ Polaroid-Kamera in der Dunkelheit zum Einsatz – nichtsdestotrotz aber wirkungsvoll. Das Kino-Publikum (inklusive „meiner Wenigkeit“) hatte jedenfalls merklich Spaß daran, sich regelmäßig vom Gebotenen erschrecken zu lassen…
Fazit: Mit „Mama“ (2013) hat Andrés Muschietti eine gelungene „Feature Film“-Adaption seines eigenen (ebenso sehenswerten) „Shorts“ aus dem Jahre 2008 vorgelegt: Eine düster-unheimliche, stimmungsvolle, raffiniert und handwerklich stark in Szene gesetzte „Grusel-Mär“ mit gut agierenden Darstellern und einer soliden „emotionalen Basis“, welche zwar einzelne Schwächen im Bereich der Story-Qualität aufweist sowie über einen „recht unebenen“ abschließenden Akt verfügt, dem geneigten Betrachter im Großen und Ganzen aber dennoch gleichermaßen unterhaltsame wie ansprechend zufrieden stellende „Genre-Kost“ offeriert…
Hierzulande kommt der Streifen, der aus dem Hause “Universal” stammt, am 18. April 2013 in die Kinos. In den USA lief er bereits am 18. Januar an. Eine amerikanische BluRay erscheint am 07. Mai – aller Voraussicht nach wird sie “region free” sein…
Stefan Seidl
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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright des Covers und der Bilder: Universal Pictures__Freigabe der deutschen Veröffentlichung: FSK 16__Geschnitten: nein__Blu Ray/DVD: nein/nein__ In Deutschland ab dem 18.04.13 erst einmal im Kino. |