Originaltitel: Pound of Flesh__Herstellungsland: Kanada__Erscheinungsjahr: 2015__ Regie: Ernie Barbarash__Darsteller: Jean-Claude Van Damme, Darren Shahlavi, John Ralston, Kevin Lee, Aki Aleong, Jason Tobin, Terese Cilluffo, Mike Leeder, Andrew Ng, Charlotte Peters, John Milton Branton u.a. |
Deacon, ehemaliger Experte für Entführungs- und Rettungseinsätze, erwacht wenige Stunden nach seiner Ankunft auf den Philippinen in einer Badewanne voller Eis. Nur fragmentarisch kehrt die Erinnerung daran zurück, wie er in dieser Situation gelandet ist: Zunächst bewahrte er eine junge Frau vor der Drangsalierung durch eine finstere Type. Danach ging er mit ihr in einen Club und ließ sich bereitwillig von ihr verführen. Nach dem Liebesakt fehlen dann aber entscheidende Minuten. Ein stechender Schmerz offenbart ihm, was in den Fehlminuten passiert sein könnte…
Er wurde Opfer eines Organraubes. Eine riesige Narbe ziert seinen Rücken. In einem Regal findet er Antibiotika und einen Hinweiszettel, wie man sich nach einer Nierenoperation verhalten sollte. Sogar ein Umschlag voller Geld liegt dabei. Höflich bedankt man sich für sein Mitwirken, nur dass dieses freilich nicht freiwillig war. Wütend trommelt Deacon ein paar Vertraute zusammen. Ein ehemaliger Kollege soll ihn mit Waffen versorgen und sein Bruder verspricht ihm, bei der Suche nach den Tätern und der Niere zu helfen. Der Niere? Jawohl, denn Deacon möchte das Organ unbedingt zurückhaben. Den Grund dafür kennt nur sein Bruder.
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Ernie Barbarash („Falcon Rising“) kommt bei seiner neuesten Zusammenarbeit (u.a. „Assassination Games“) mit dem sprungstarken Martial-Arts-Belgier unfassbar schnell und zackig zur Sache. Während Deacon feststellen muss, was ihm zugestoßen ist, lässt Barbarash die Erinnerungsfetzen auf den Zuschauer einstürmen. Dabei arbeitet er mit Schwarz-Weiß-Bildern, setzt auf Color-Key-Effekte und viele moderne Stilmittel wie Bildüberlagerungen, schnelle Schnitte und Verwischungseffekte. Diese nutzt er auch für die erste Actionszene, in der Van Damme kurz gegen Darren Shahlavi („The Package“) antreten muss und mit ihm äußerst explosive Kickserien abfeuern darf.
Parallel spielt Van Damme während des Erkenntnisprozesses seiner Figur stark auf und geht erstaunlich freizügig zu Werke. Etwa bekommt man seit Jahren mal wieder des Belgiers Kehrseite zu sehen. Selbige ist nach wie vor knackig und stahlhart. Van Dammes Antlitz dagegen wirkt schon arg verbraucht, was dem Belgier in diesem Film allerdings zu Gute kommt. So nimmt man Deacon die Schmerzen, die er laut Drehbuch empfinden soll, problemlos ab. Und Deacon wirkt aufgrund Van Dammes Äußerem extrem glaubwürdig als abgekämpfter, langjähriger, lebenserfahrener und professioneller Black-Ops-Experte.
Direkt danach schickt sich Barbarash an, die Coolness seiner Hauptfigur zu überhöhen. Nur mit einer Bibel bewaffnet stapft er in die Höhle des Löwen und faltet in einem Diskotheken-Fight die erste Welle fieser Lumpen zusammen. In dieser etwas zerfahren wirkenden Einlage, die hier und da mit unglücklich platzierten Zeitlupen arbeitet, wird auch Deutschlands Actionexport Mike Möller („Street Gangs“) ordentlich verwammst. Kurz darauf wird dann ein weiteres Markenzeichen des Belgiers herzhaft überinszeniert: Wie Van Damme in diesem Film in den Spagat gezwungen wird, das ist schon megacool und wird von Barbarash ins Extrem ausgereizt. Die nachfolgende Verfolgungsjagd ist ganz nett, lässt aber echte Highlights missen.
Kurzum: „Pound of Flesh“ macht vor allem zu Beginn richtig Tempo und treibt seine Story gut voran. Doch je mehr Deacons Bruder im Film ankommt, umso gebremster wirkt selbiger. Es wird viel aus der Vergangenheit der Beiden aufgearbeitet. Minutenlang wird nun gelabert. Am liebsten in der Kabine eines PKWs, vor grässlich künstlichen Rückprojektionen. Anstatt aber nun Deacons Figur noch ein wenig zu mystifizieren, geht es nur um die Dynamik der Brüder untereinander. Was wenig prickelnd ausfällt, auch weil Deacons Bruder ein echter Waschlappen ist.
In einem Sommerhaus kommt „Pound of Flesh“ dann vollends zum Erliegen. Nun purzeln alle Klischees, die man sich vorstellen kann. Obendrein wird die Dame, die an Deacons Operation nicht ganz unschuldig ist, von einer Szene auf die andere zur besten Freundin beider Brüder, weshalb sie fortan in jeder Szene auch noch mit Duckface im Hintergrund herumstehen darf. Spätestens in diesem Abschnitt wäre Barbarash gut beraten gewesen, sie Laufzeit seines Streifens auf verträglichere 90 Minuten (eigentliche Laufzeit 104) einzudampfen und den Film deutlich zu beschleunigen.
Trotzdem frohlockt man, wenn Deacon dann 30 Minuten vor Schluss zum Showdown aufbricht. 30 Minuten Daueraction nimmt man doch nur zu gerne mit. Leider sind es letzten Endes „nur“ 15. Und diese sind sehr sauber in Szene gesetzt. Explosionen, Shootouts und Genickbrüche machen Laune, auch der Endkampf zwischen Van Damme und Shahlavi rockt, auch wenn er etwas kurz ausfällt. Im Grunde macht „Pound of Flesh“ hier alles richtig, mündet dann aber in ein melodramatisches Kitschfinale, bei dem sich Barbarash gleich mehrfach verhebt. In Erinnerung bleibt hier eigentlich nur, dass Van Damme wieder erstaunlich gut und vor allem nuanciert spielt.
Dagegen darf der nach den Dreharbeiten verstorbene Shahlavi nur den Lump von der Stange geben. Ihm hätte man eine größere Rolle gewünscht, in der er sich so richtig hätte austoben dürfen. Es bleibt nämlich bei den beiden Konfrontationen mit Van Damme und einem kleineren Shootout, ansonsten wird der Actionman kaum gefordert. Die restlichen Darsteller des Filmes agieren solide bis unauffällig.
Gedreht wurde in China, auf den Philippinen und in Kanada. Erstaunlicherweise gelingt es „Pound of Flesh“ nur selten, aus seinen exotischeren Schauplätzen etwas Flair zu ziehen. Im Gegenteil, manche Szenen wirken so kulissenhaft und künstlich, dass man glaubt, dass Kanada letzten Endes der Hauptdrehort war. Ansonsten inszeniert Barbarash sauber und lässt die modernen Stilmittel aus den Anfangsminuten weitgehend im Köcher. Auch die Filterspiele früherer Produktionen sind inzwischen anscheinend ad acta gelegt. In der Action stimmt leider hier und da das Timing nicht. Der Brutalitätsgrad poltert zunächst ordentlich los (Augenausstechen mit dem Bibeleinband), verlegt sich aber bald auf handelsübliche Kopfschüsse aus dem Rechner.
Es ist schon ein haarsträubender Mythos: Ein Fremder kommt in ein exotisches Land. Als er nach einem Vorfall erwacht, sind ihm Organe abhanden gekommen. „Pound of Flesh“ nimmt diese beliebte Urban Legend als Prämisse für einen zunächst flott durchgezogenen B-Actioner und hält einen Hauptdarsteller bereit, der sogar in kleineren Produktionen aufzeigen mag, dass er darstellerisch inzwischen einiges auf dem Kasten hat. Die Action rumpelt in ordentlichen Abständen daher, ist sauber inszeniert und zeigt Jean-Claude Van Damme in sehr gelungenen Kampfeinlagen. Leider wird er hier und da sichtlich gedoubelt. Dabei ausgerechnet in eher unspektakulären Momenten. Doch mit zunehmender Laufzeit verliert der Film den roten Faden. Dröselt Storyelemente auf, die wenig interessant wirken, um nach einem netten Showdown in einen viel zu breit ausgewalzten, emotional arg schmalzigen und politisch extrem korrekten Schluss zu münden. Handlungserleichterungen von rund 15 Minuten hätten dem Actioner sehr gut getan. So bleibt unterhaltsames, phasenweise etwas schleppendes Entertainment.
„Pound of Flesh“ erscheint am 25. September 2015 von Splendid Film auf DVD und Blu-ray und ist mit einer FSK 18 Freigabe ungeschnitten. In Großbritannien ist der Film längst von dem Label High Fliers erschienen und hat eine Freigabe ab 15.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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