In “Immigration Game” zeige ich ein schreckliches Szenario, um uns darauf aufmerksam zu machen, was wir nicht wollen.
Der 1980 in Stuttgart geborene Krystof Zlatnik liebt Genrekino. Sein Problem: In Deutschland spielt Genre keine große Rolle. Also macht er sich fürs Genre stark. Einer der bislang größten Paukenschläge von Krystof: Er rief 2013 die Genrenale ins Leben. Ein Film Festival, das sich vollkommen dem deutschen Genrefilm verschrieben hat.
Ein weiterer wichtiger Paukenschlag gelang Krystof Zlatnik nach diversen Kurzfilmen mit seinem vieldiskutierten Langfilmdebüt: Dem Actionthriller „Immigration Game“.
Wir baten den Regisseur zum Interview über den Zustand des deutschen Genrefilmes, fühlten ihm in Sachen „Immigration Game“, der am 9. März 2018 für die deutschen Heimkinos auf DVD, Blu-ray und als VoD erscheint, auf den Zahn und ließen uns die Genrenale ein wenig genauer erklären.
„Immigration Game“ – Kontroverse mit Ansage?
Hallo Krystof, „Immigration Game“, dein Langfilmdebüt, wurde in Deutschland sehr kontrovers aufgenommen. Manche sahen darin gar einen Film, der mit seinem zynischen Szenario den Anhängern des rechten Spektrums sehr zusagen könne. Schaut man sich den Film aber unvoreingenommen an, merkt man schnell, dass ihm eine solche Motivation grundsätzlich abgeht. Inwieweit war die Kontroverse beim Dreh eingeplant? Wolltet ihr mit dem Film bewusst ein Statement setzen?
Krystof Zlatnik: Es ging uns ganz klar darum, die Situation, dass wir einen Film ohne Beteiligung von Sendern, Förderung etc. gemacht haben, in der Form zu nutzen, dass wir einen inhaltlich mutigen Film machen, der in dieser Form innerhalb des Systems kaum gemacht werden würde. Mir persönlich ist dabei wichtig, wenn man schon so viel Mühe und Zeit in einen Film steckt, dass man auch etwas zu sagen hat. Dabei geht es nicht darum, klare Antworten zu haben, aber im Falle von „Immigration Game“ eben unangenehme Fragen zu stellen, die vielleicht dazu führen, dass wir die Welt, in der wir leben, noch mal aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
Somit war nicht unbedingt die Kontroverse geplant, aber es war mir ganz klar wichtig, einen Film zu machen, der sich mit Problemen und Gedanken unserer Zeit auseinandersetzt, ohne sie 1:1 wiederzugeben. Sprich, durch das Verlegen in ein fiktives Szenario ist dieses „Game“ doch fern von uns. Aber gleichzeitig ist es eine Art Parabel auf das, was Flüchtlinge tatsächlich auf dem Weg hierher durchmachen müssen. Somit reizt mich diese Art des Genrefilms sehr, die es mir ermöglicht, einen harten Blick auf eine mögliche Zukunft zu werfen, die wir uns in dem Fall auf keinen Fall wünschen.
Man konnte bei der Diskussion um den Film häufiger den Eindruck gewinnen, dass eigentlich kaum jemand einem Actionfilm wie „Immigration Game“ eine ernsthafte Auseinandersetzung mit sozialen Sprengstoffthemen zutraute. Was meinst du, woher das rührt, dass man dem Actionfilm vor allem in Deutschland keine sozialkritische Komponente zugestehen mag?
Krystof Zlatnik: Mir ist das schon bei früheren Filmen begegnet und diese Haltung ist wirklich spezifisch für Deutschland. In anderen Ländern gibt es diese Bedenken nicht. Dort ist es sogar ganz wichtig, dass ein Film erst mal „Entertainment“ ist und dann womöglich noch eine „Message“ hat. Bei uns ist das umgekehrt. Ein Film, der auf der ersten Ebene wie „Entertainment“ erscheint, dem wird keine wichtige „Message“ zugetraut.
In der Branche spricht man gerne von der Trennung zwischen E und U, also zwischen „ernsten“ Filmen und „Unterhaltung“. Das ist bei uns traditionell sehr stark ausgeprägt, wobei man daraufhin die ganze deutsche Filmgeschichte untersuchen kann und vielleicht grob feststellt, dass es nach den übermächtigen Unterhaltungsfilmen in den 50ern eine Gegenbewegung in den 60ern und 70ern mit Fassbinder und Co. gab, die bis heute das prägt, was wir unter „anspruchsvollem Film“ verstehen.
Diese Haltung trägt sich hierzulande durch Festivals und unzählige Entscheidungen von Redaktionen und Förderungen. Ein „anspruchsvoller Film“ muss sein Thema vor sich hertragen. Und wenn er sich um „Unterhaltung“ bemüht, was auch immer das heißt, gilt das eher als Makel. Es ist sozusagen der Kampf des „Intellektuellen“ gegen das, was „in den Bauch“ geht.
Aber das ist eben, was der Genrefilm macht. Er appelliert augenscheinlich erst mal an die primitivsten Instinkte wie Angst, Gewalt, Rache, Überleben oder präsentiert uns richtige Helden zum Mitfiebern. Die Verbindung aus Anspruch und Unterhaltung im Genrefilm wurde in den letzten Jahren also nicht sonderlich gepflegt. Das ist aber genau die Art Film, die mich reizt, da ich in dem Fall sowohl einen spannenden, mitreißenden Actionfilm sehen will, der mich aber auch zum Nachdenken bringt.
Vollkommen abgesehen von dem, was andere in deinem Film sehen/sehen wollen, was ist für dich die Kernaussage von „Immigration Game“?
Krystof Zlatnik: Eigentlich sollte es keine Rolle spielen, was meine Kernaussage ist. „Immigration Game“ muss in dem Fall für sich selbst sprechen und meine Aussage dazu ist auch nur meine Interpretation, aber nicht unbedingt „die Wahrheit“.
Aber, wenn ihr mich schon fragt… mir geht es um die „Normalisierung“ neuer Zustände. So wie das Spiel in der Gesellschaft meines Filmes einfach akzeptiert ist. Ich glaube stark, dass die Gesetze, beziehungsweise was gesellschaftlich akzeptiert ist, auch hauptsächlich beeinflusst, wie die Menschen miteinander umgehen.
Ist die Jagd und Gewaltanwendung zum Beispiel gegenüber Flüchtlingen erlaubt, dann wird das irgendwann normal. So wie wir uns beispielsweise an die regelmäßige Gewalt gegenüber Flüchtlingen (Kategorie „brennende Flüchtlingsheime“) schon gewöhnt haben. Das heißt nicht, dass es nicht auch Gewalt gibt, die von Flüchtlingen ausgeübt wird. Ich werte hier nicht, wer ein besserer oder schlechterer Mensch ist.
Ich sage nur, dass wir aufpassen müssen, an welche Zustände wir uns gewöhnen.
Sonst sind wir nicht besser als der Frosch im Wasserglas. Außerdem geht es darum, was das System, in das der Hauptprotagonist Joe (gespielt von Mathis Landwehr) gerät, mit ihm macht. Es ist ein Spiel, das er nicht gewinnen kann. Selbst wenn er gewinnt, hat das Spiel letztendlich gewonnen, weil es ihn zu einen der ihren gemacht hat. Er kann der Gewalt nicht entkommen und die Anwendung von Gewalt geht nicht spurlos an ihm vorüber, selbst wenn er einer der „Guten“ ist. Somit geht es in dem Aspekt darum, dass es schwer bis unmöglich ist, ein guter Mensch zu sein, wenn das System „falsch“ beziehungsweise unmenschlich ist.
Darum geht es in „Immigration Game“ von Krystof Zlatnik
Die Grenzen der BRD sind dicht. Flüchtlinge werden nicht mehr aufgenommen. Nur wer an dem populären „Immigration Game“ teilnimmt, hat die Möglichkeit, eine Aufenthaltsgenehmigung zu gewinnen. Doch das „Immigration Game“ ist nicht irgendein Spiel, sondern eine perfide Reality-Gameshow, in der es um Leben und Tod geht.
Die Regeln: Die Flüchtlinge müssen sich als „Runner“ den Weg vom Berliner Stadtrand ins Zentrum erkämpfen. Währenddessen werden sie unerbittlich gejagt. Wer einen Flüchtling tötet, bleibt nicht nur straffrei, sondern erhält auch noch ein Preisgeld. Als der junge Deutsche Joe einem Flüchtling hilft, muss er selbst als „Runner“ an diesem perfiden Spiel teilnehmen. Wird er selbst töten, um zu überleben?
Der Film ist ab dem 9. März 2018 auf DVD, Blu-ray und als VoD erhältlich.
„Immigration Game“ fokussiert auf das nicht an Aktualität verlierende Flüchtlingsthema
Das Flüchtlingsthema ist heute noch immer so aktuell und brennend wie 2017, als „Immigration Game“ im Kino startete. Kam der Film vielleicht ein wenig zu früh? Wird er vielleicht auch deshalb so kontrovers aufgenommen, weil das Thema einfach noch so extrem nah ist, selbiges die Gesellschaft per se extrem spaltet und es nach wie vor keine echte „Lösung“ dafür gibt?
Krystof Zlatnik: Ich denke, das trifft es auf den Punkt. Nachdem ich beobachten konnte, wie der Film aufgenommen wurde, denke ich definitiv, dass er „zu früh“ ist. Dem Film und mir wird zum Beispiel unterstellt, sich des Schicksals der Flüchtlinge zu bemächtigen, um einen möglichst starken Effekt zu erzielen, beziehungsweise das Thema wird als „unpassend“ oder „menschenverachtend“ empfunden.
Dabei kann man klar sagen, dass ich als Filmemacher ja nichts dafür kann, dass in der Welt schreckliche Dinge passieren und uns auch nicht geholfen ist, wenn wir die Augen davor verschließen. In dem Fall zeige ich ein schreckliches Szenario, um uns darauf aufmerksam zu machen, was wir nicht wollen. Das Erleben durch einen Film oder ein Buch kann in dem Fall einen starken Eindruck hinterlassen. Über die deutsche Hauptfigur versetzen wir uns stellvertretend in die Schuhe eines Gejagten, der gerade noch im Alltag war und dann um sein Leben kämpfen und das Schicksal der Flüchtlinge teilen muss.
Letztendlich schauen die Menschen tagein und tagaus Serien und Filme, in denen Menschen um ihr Leben kämpfen. Doch das Flüchtlingsthema ist ihnen zu nah, weil es ihnen zu real erscheint. Das macht es somit schwerer, den Film als „Unterhaltungs-Actionfilm“ anzunehmen.
Ein Missverständnis wäre, zu glauben, dass „Immigration Game“ einen in die Situation bringt, das Leid und Töten von Flüchtlingen zu genießen.
Das ist genauso wenig der Fall, wie man in „Hunger Games“ das Töten von Teenagern genießt. Es geht hier wie da darum, der Hauptfigur durch eine extrem bedrohliche Situation zu folgen und sich damit in die Situation versetzen zu können, wie es ist, wenn ein unmenschliches Regime an der Macht ist.
Somit ja, diese Kombination aus fiktivem Szenario und realen Geschehnissen ist kontrovers und auf eine Art „schmerzhaft“. Es kann sein, dass der Film in einigen Jahren mit anderen Augen gesehen werden wird, aber letztendlich ist dieser „Schmerz“ und das „Unangenehme“, das man beim Betrachten der Schicksale der Flüchtlinge in dem Film empfindet, auch das Gefühl, auf das ich hinauswill. „Immigration Game“ soll sich ja nicht gut anfühlen, sondern hat vielleicht mehr mit einem Horror-Film gemein, auch wenn er nicht „gruselig“ ist.
Gerade solange wir keine Lösung für das Flüchtlingsproblem haben, halte ich die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema für sehr wichtig, und da kann jeder auf seine Art dazu beitragen. Und mein Beitrag wäre dieses fiktive „Was-wäre-wenn Szenario“, um sich aus anderer Perspektive Gedanken darüber zu machen, was wir uns für einen Umgang miteinander in einer möglichen Zukunft wünschen.
Ich meine, gelesen zu haben, dass an „Immigration Game“ tatsächlich auch Flüchtlinge beteiligt waren. Wie waren deren Reaktionen auf das Projekt?
Krystof Zlatnik: Das Feedback von „echten“ Flüchtlingen war für mich bei der Entwicklung von „Immigration Game“ essentiell. In dem Fall haben Flüchtlinge auch in Nebenrollen mitgespielt. Für sie war die Story des Filmes ganz logisch. Sie haben gleich verstanden, worauf ich damit hinauswill und fanden genau diese Übertragung der Story von der Flucht in das Szenario des Spiels nachvollziehbar und passend. Auch wenn es somit nicht exakt so passiert ist, war für sie einleuchtend und stimmig, wie der Film das System in dieser überhöhten Form nachzeichnet.
Ihr wart mit „Immigration Game“ auch auf internationalen Festivals unterwegs. Wie wurde der Film hier aufgenommen? Sowohl von seinem Thema her als auch von der Tatsache her, dass es ein deutscher Actionfilm ist?
Krystof Zlatnik: Dazu kann ich leider nicht viel sagen, da ich bei den Auslandsscreenings nicht vor Ort war. Von den Reviews her kann ich nur mutmaßen, dass den Deutschen im Genrebereich immer noch nicht allzu viel zugetraut wird und gleichzeitig der Low-Budget-Aspekt weniger wohlwollend aufgenommen wird als hierzulande, wo wir wissen, mit wie viel Mühe und gegen welche Widerstände so ein Film entsteht. Im Ausland fallen diese Betrachtungen weg und man sieht den Film eben als das, was er ist. Und da muss er sich mit den ganz Großen messen, was er vom Budget und damit von der Action her natürlich nicht leisten kann.
Die Entstehungsgeschichte von „Immigration Game“
Kannst du den Weg von der ersten Idee für „Immigration Game“ bis zum fertigen Streifen für uns nachzeichnen?
Krystof Zlatnik: Ich versuche, das mal kurz zu fassen. *schmunzelt* Ich hatte schon länger die Idee, den deutschen 70er Jahre Film „Das Millionenspiel“ ins Heute zu transportieren und sowohl die mobile Technik mit reinzubringen als auch das Spiel nicht auf einen Geldgewinn aufzubauen, sondern rund um den Gewinn einer Aufenthaltsgenehmigung.
„Das Millionenspiel“ diente dabei nur als Inspiration für das grundsätzliche Game, aber nicht für die konkrete Story oder die Figuren. Mitte 2015 beschlossen wir – sprich Mathis und Sascha Girndt von Roundhousefilm und ich -, nachdem Entwicklungen und Finanzierungen für diverse Projekte von uns so lange dauerten, einen Actionfilm zu drehen, der möglichst wenig kosten sollte. Auf die Art wollten wir Erfahrung für die ganze Vermarktung und den Verkauf eines Filmes sammeln als auch uns als Team präsentieren.
Dafür bot sich mir die Idee des „Immigration Game“ an, da wir viel in der Stadt drehen konnten, kaum Ausstattung und wenige Innenlocations brauchen würden. Wir hatten dabei einen Slot von zwei Wochen im November 2015, der für den Dreh infrage kam, da unsere Produktionsfirma Roundhousefilm danach eine andere Produktion als Action-Dienstleister betreuen sollte.
Dies ließ uns nach der finalen Entscheidung knapp drei Monate Zeit für die Vorbereitung. Es stand von Anfang an fest, dass Mathis Landwehr die Hauptrolle spielen sollte, da wir schon seit Jahren einen Film zusammen machen wollten. Um ihn hat sich auch das Treatment formiert, das ich mit Mark Wachholz geplottet und dann geschrieben habe.
Kein fertiges Drehbuch zu haben, war dabei Teil des Konzepts, weil wir auf die Art trotz kurzer Vorbereitung über die Improvisation sehr intensive Szenen erzeugen konnten. Die Improvisation zwingt sozusagen die Schauspieler dazu, immer wach und sehr aufmerksam zu sein, da sie auf all die unerwarteten Dinge reagieren müssen, die eben nicht genau geplant sind. Das macht die Szenen nicht oft wiederholbar, macht aber diese Aufmerksamkeit in der Kamera sichtbar und erhöht das Unmittelbare der Szenen.
Nach dem 14-tägigen Dreh folgte der Schnitt, wobei wir die Schlussszene noch für einen geplanten Nachdreh aufgespart hatten. Nach dem ersten Schnitt wussten wir auch, dass wir noch zwei bis drei Szenen nachdrehen wollten, um die Story zu verbessern oder bestimmte Momente zu verstärken. Das konnten wir dann im März 2016 umsetzten. Die Fertigstellung des Filmes mit dem finalen Schnitt und der Finalisierung von Sound, Musik, Farbkorrektur und VFX erfolgte dann bis August 2016. Ab da ging die fertige Fassung an den World Sale zum Verkauf. Im Februar 2017 hatte der Film schließlich seine Weltpremiere auf der „Genrenale5“.
Ihr habt den Film vollkommen unabhängig finanziert in Szene gesetzt. So konnte euch prinzipiell ja niemand reinreden. Bis auf den vermutlich allgegenwärtigen Chef für die Finanzen. Konntest du trotzdem alles in den Film reinbringen, was dir wichtig war? Oder musstest du aus finanziellen Gründen auch mal besondere Momente außen vor lassen oder bestimmte Szenen kleiner skalieren?
Krystof Zlatnik: „Immigration Game“ musste komplett darauf ausgelegt werden, mit so wenig Budget zu funktionieren. Das heißt, so wie er zu sehen ist, habe ich ihn auch ungefähr konzipiert. Aber durch die kurze Vorproduktionszeit mussten wir manchmal sehr kurzfristig noch Locations finden oder Kompromisse machen, die noch einmal Schwierigkeiten reingebracht haben.
So würde ich sagen, dass es ein paar Szenen gibt, die ich mir auf jeden Fall noch aufwändiger, länger oder detaillierter vorgestellt habe, wo aber schlicht unsere Zeit und Ressourcen nicht für mehr gereicht haben. Dazu gehören vor allem die Szenen, wo mehr Menschen involviert sind, und die Kämpfe. Dagegen hat inhaltlich tatsächlich keiner reingeredet. Von daher kann ich sagen, dass alle Entscheidungen auf der Story-Ebene auch kompromisslos im Film gelandet sind.
Beim Schauen von „Immigration Game“ kommen einem als Actionfan sofort Filme wie „Das Millionenspiel“ oder der Schwarzenegger-Klassiker „Running Man“ in den Sinn. Auch ein wenig „The Purge“ scheint immer wieder durch. Waren diese Filme tatsächlich deine Inspiration oder hattest du ganz andere Streifen im Hinterkopf?
Krystof Zlatnik: Wie schon erwähnt, war „Das Millionenspiel“ die ursprüngliche Inspiration. Die anderen Filme eher weniger. Die „The Purge“-Reihe hatte ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wirklich geschaut. Inspiration für die Visualität des Filmes war das Musikvideo „Stress“ von „Justice“. Von da an sind wir in eigene Richtungen vorgestoßen…
Der deutsche Genrefilm und dessen Probleme im eigenen Land
Leider war der Kinorun von „Immigration Game“ sehr limitiert und wurde zunächst immer wieder verschoben. Wie schwer ist es heutzutage, einen Indiefilm aus Deutschland mit brisantem Thema und aus einem für Deutschland untypischen Genre in die Kinos zu bekommen, wenn man nicht, wie etwa „Plan B – Scheiß auf Plan A“, einen großen Verleih im Rücken hat?
Krystof Zlatnik: Der Plan des Vertriebs war, den Film in die Multiplexe zu bringen und ihn über Sneak-Previews für das jüngere Action-Publikum zu promoten. Leider haben das Thema und die Low-Budget-Anmutung des Filmes die Mulitplexe abgeschreckt, da sie Angst hatten, ihr Publikum würde das nicht verstehen, weswegen sozusagen auf Programmkinos ausgewichen wurde und der Kinostart kleiner war als geplant.
Sprich, einen Indiefilm mit brisantem Thema rauszubringen, ist im Arthouse-Bereich wahrscheinlich nicht so schwer, aber im Genre/Action-Bereich eine besondere Herausforderung, da es kaum vergleichbare Filme gibt, die als Vorbild dienen könnten oder dem Zuschauer klarmachen, in welchem Kontext der Film zu sehen ist.
Letztendlich muss man aber sagen, dass alle Filme, die „anders“ oder „independent“ sind, es schwer im Kino haben, da meist das Budget für große Werbekampagnen fehlt. Das heißt, in dem Bereich schaffen es nur wirklich exzellente Überraschungshits, die auf unerwartete Art mit dem Publikum räsonieren und über Mund-Propaganda zu großer Bekanntheit gelangen, zu annehmbaren Zuschauerzahlen.
Was macht es deiner Meinung nach so schwierig, Genrekino in Deutschland auf die Beine zu stellen? Denn prinzipiell sind die Macher und die Leute mit Herzblut, die ja sogar von Hollywood-Produktionen für deren Action gebucht werden, ja da.
Krystof Zlatnik: Die Macher sind da, aber es gibt kein festes Publikum, da der Bedarf für Action und Genre-Content meist mit den Produktionen aus den USA gestillt wird. Das heißt, der deutsche Genre-Filmemacher muss eigentlich umso mehr überlegen, wie er trotz geringem Budgets einen so einzigartigen Film macht, dass man ein vergleichbares Erlebnis nirgendwo anders bekommt.
In unserem Fall ist das eben der Grund für das radikale Thema. Aber selbst das ist natürlich kein Garant für ein Publikum. Daraus generiert sich auch die Skepsis bei Produzenten, Sendern und Förderern, da es eben eher viele Negativbeispiele als Positivbeispiele für den Erfolg von deutschen Genrefilmen gibt. Allerdings bin ich auch überzeugt davon, dass wenn wir so viele Genrefilme machen würden wie wir Arthouse-, Komödien oder historische Filme in Deutschland machen, wir genauso viele exzellente Beispiele in dem Bereich kennen würden. Denn die Realität ist, dass die anderen Filme prozentual gesehen genauso erfolglos sind, nur eben viel häufiger gemacht werden.
Braucht es starke Zugpferde für einen erfolgreichen Genrefilm aus Deutschland?
Wie siehst du die Vorstöße eines Til Schweigers, der in „Schutzengel“ ja schon ordentlich Action macht und dem Tatort ein Actiongewand überzieht. Hilft das dem Genre in Deutschland?
Krystof Zlatnik: Es würde dann helfen, wenn das Publikum diese Actionfilme richtig ernst nehmen kann.
Till Schweiger funktioniert als Charakter gut in seinen Komödien. Aber als Action-Star wurde er vom Publikum nie ganz angenommen. Vielleicht weil seine Darstellung eher wie eine „Behauptung“ erscheint und eben eine ganz andere Ernsthaftigkeit erfordert, als die Komödien, für die er sonst steht.
So ist beispielsweise ein Liam Neeson in „Taken“ ein richtig ernstzunehmender Schauspieler, der dem Drama selbst in einer Action-Rolle höchst gerecht wird. Somit bin ich in dem Fall unentschlossen, inwieweit die Till-Schweiger-Produktionen wirklich die Akzeptanz von Action aus Deutschland stärken.
Interessant beim französischen Actionfilm ist, dass er gefühlt vor Luc Besson keine rechte Rolle spielte und erst dank Bessons Power, Engagement und seiner Furchtlosigkeit vor Verrissen und Anfeindungen zu existieren begann. Braucht Deutschland vielleicht auch genau so einen Macher, wie wir ihn so ähnlich mit Bernd Eichinger schon einmal hatten, wenngleich der sein Geld eher in internationale Produktionen steckte?
Krystof Zlatnik: Ja natürlich, so einen Macher könnten wir gut gebrauchen. Das Gute an Bessons Produktionen war ja letztendlich auch die Verlässlichkeit, mit der er geliefert hatte, was versprochen wurde. Action-Komödien mit der „Taxi“-Reihe, Action in „The Transporter“ und „Taken“. Diese Filme waren keine Meisterwerke, aber sie wussten, was sie liefern müssen und waren keine halbgaren Genre-Versuche. Dazu gehört eben auch der Geschmack von Luc Besson, der weiß, was bei einem größeren Publikum funktioniert und frei von Ego auch andere Regisseure zum Zug hat kommen lassen.
Würdest du sagen, dass für einen erfolgreichen deutschen Genrefilm auch ein offeneres Publikum vonnöten sein wird? Allgemein hat man ja schon den Eindruck, dass gerade auf Genrekost teils sehr harsch (seien es deutsche Kritiker oder ein deutsches Publikum) reagiert wird?
Krystof Zlatnik: Ein offenes Publikum hilft, aber ich würde dem Publikum nicht den schwarzen Peter zuschieben. Ein guter Film überzeugt auch sein Publikum, so wie es dieses Jahr zum Beispiel „Schneeflöckchen“ beim Fantasy Filmfest und unserem Genrenale-Special gemacht hat. Ein deutscher Genrefilm, der aber voll begeistern konnte, weil er eben eigen und frisch war und dem Publikum eine gute Zeit bereitet hat.
Ein Film wie dieser kann Vorbehalte abbauen, so wie schlechte Filme in den letzten Jahren eben die kritische Haltung befördert haben. Die Kritiker dagegen argumentieren oft auf der bereits erwähnten Unterscheidung von Unterhaltung und Anspruch. Deren Aufgabe wäre, dazu beizutragen, diese Vorurteile abzubauen.
Die Genrenale – Das Festival für deutsche Genrefilme
Die Genrenale wurde nun bereits diverse Male erwähnt. Du bist einer der Köpfe hinter dem Festival. Kannst du unseren Lesern umreißen, was sich dahinter verbirgt, was eure Ziele sind, wer sich dafür engagiert und was man in Zukunft von euch erwarten kann?
Krystof Zlatnik: Die „Genrenale“ ist das erste Festival, das sich ausschließlich deutschen Genrefilmen widmet. Wie wir schon festgestellt haben, werden diese Filme in Deutschland stark vernachlässigt. Also wollten wir ihnen mit dem Festival eine Plattform geben, auf der sich sowohl die Macher als auch das Publikum austauschen können und wir ein Showcase von den besten Genre-Filmarbeiten des jeweiligen Jahres zeigen. Das sind viele Kurzfilme, aber inzwischen auch einige Langfilme.
Unser Ziel ist, sowohl in der Branche als auch beim Publikum die Akzeptanz für deutsche Genrefilme zu erhöhen und zu beweisen, dass sie von der Qualität her der internationalen Konkurrenz trotz geringeren Budgets in nichts nachstehen.
Dieses Jahr hat das Festival eine Pause eingelegt, aber ab nächsten Jahr geht es wieder weiter, voraussichtlich parallel zur Berlinale, also im Februar 2019 in Berlin. Außerdem planen wir auch Events über das Jahr verteilt und womöglich eine VOD-Plattform. Das Festival ist offen für alle Besucher und um auf dem Laufenden zu bleiben, was unsere Events angeht, folgt am besten der „Genrenale“-Seite auf Facebook.
Bleibt Krystof Zlatnik dem Actionfilm treu?
„Immigration Game“ war dein Langfilmdebüt. Wie zufrieden bist du selbst mit dem Ergebnis?
Krystof Zlatnik: Diese Frage ist als Filmemacher immer schwer zu beantworten. Ich bin zufrieden mit dem, was wir angesichts der geringen Mittel hinbekommen haben. Aber ganz klar bedeuteten die Limitierungen auch starke Einschränkungen und somit war klar, dass ich nur eine bestimmte Prozentzahl von dem erreichen konnte, was ich im Kopf hatte.
Der andere Aspekt, mit dem ich sehr zufrieden bin, ist die Arbeit in unserem Team, in dem eine Vielzahl motivierter und toller Menschen zusammengekommen sind, die sich für wenig bis kein Geld richtig reingehängt und den Film erst möglich gemacht haben. Mit so einem Team zu arbeiten, macht für sich genommen großen Spaß und ist sehr befriedigend. Auch, dass ich so großes Vertrauen von den Produzenten von Roundhousefilm erhalten hatte, die an meine Vision geglaubt haben und immer hinter mir standen.
Somit betrachte ich den Film auch als Statement für die Art von „freien“ und mutigen Genrefilm, den wir gerne machen wollen und dass wir diesen zusammen gestemmt haben, macht mich sehr stolz.
Hast du Blut geleckt und wirst weitermachen? Wirst du dabei den Actionfokus beibehalten?
Krystof Zlatnik: Ich habe schon mit 12 Jahren angefangen, Filme zu machen und seitdem war es mein Traum, Regisseur zu werden. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg war mein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg, wo ich „Spielfilm Regie“ studiert hab. Somit ist „Immigration Game“ offiziell mein Filmdebüt, aber davor habe ich schon unzählige kürzere Filme gedreht und auch schon einige Langfilme geschrieben.
Von daher hab ich das Blut schon sehr früh geleckt und mein Fokus ist ganz klar als Regisseur auch weiterzuarbeiten. In meinen Arbeiten mit Roundhousefilm ist weiterhin mit einem Actionfokus zu rechnen, da die Firma ihre Expertise in dem Bereich mitbringt. Aber im Allgemeinen interessiert mich, in verschiedenen Genres zu arbeiten. Also hängt es von dem jeweiligen Projekt ab. Meine stärkste Leidenschaft gilt wohl dem Science-Fiction-Genre, aber da hängt es eben doch stark vom Budget ab, ob man einen Film in einer echten Zukunftswelt realisieren kann.
Wir danken dir für das extrem interessante Gespräch, wünschen „Immigration Game“ vollen Erfolg auf dem Heimkinomarkt und drücken dir für deinen weiteren Weg und deinen Kampf ums deutsche Genrekino alle Daumen!
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