Originaltitel: Robocop__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1987__Produktion: Paul Verhoeven__Regie: Renny Harlin__Darsteller: Peter Weller, Nancy Allen, Dan O’Herlihy, Ronny Cox, Kurtwood Smith, Miguel Ferrer u.a. |
Meine erste Begegnung mit „Robocop“ fand nicht mit einem Film statt, sondern in Form eines Comic-Hefts, welches mir beim Besuch eines Bahnhof-Zeitschriftladens ins Auge stach. Ich bat meinen Vater, es zu kaufen und da ich noch nicht lesen konnte, las es mir meine Mutter später dann vor. Den genauen Inhalt weiß ich nicht mehr, es ging aber um Organhandel oder irgendetwas ähnliches. Also genau das richtige Material für einen Fünfjährigen. Zirka zwei Jahre später: Wir sind inzwischen ein paar Orte weitergezogen und ich war inzwischen eingeschult. Als ich einem meiner neuen Freunde besuchte, fragte dieser mich, ob wir einen Film schauen wollen. Ich war eher lustlos. Er fragte: “Wie wär’s mit Mad Max?”. Keine Ahnung was das war, ich wollte nicht. “Den Terminator?” Eher weniger. Und dann sagte er das Zauberwort: “Robocop”. “Davon gibt es einen Film?”, schoss es mir durch den Kopf. Mein Interesse war geweckt und wir schauten ihn an, zusammen mit der Mutter meines Freundes…
Es war eine Fernsehaufnahme, wahrscheinlich gar von einer auf FSK 16 zusammengeschnittenen Fassung. Die Jahre vergingen und ich sah den Film immer wieder im TV. Ab und an auch bei einem anderen Freund auf der alten FSK-18-VHS-Kassette. Der Film hatte sich zu einem meiner Lieblingsfilme entwickelt, für ein paar Wochen (bis ich zum ersten Mal “Terminator 2” sah) war er sogar meine absolute Nummer 1. Ja, so sieht meine persönliche Geschichte mit dem Charakter des „Robocops“ aus und man könnte fast meinen, ich stamme aus einer sozial verwahrlosten Gegend. Aber Anfang der 90er Jahre war halt alles noch irgendwie anders.
httpv://www.youtube.com/watch?v=h96IdEwITY4
Dass der Film in dieser Form überhaupt entstand, ist wie so oft dem Zufall zu verdanken. Ed Neumeier wurde zum Drehbuch inspiriert, als er mit einem Freund an einem “Blade Runner”-Filmplakat vorbeilief. Da fragte er ihn, worum es in dem Film ginge, worauf dieser antwortete: “Irgendwas mit einem Polizisten der Roboter jagt.” Herr Neumeier spann die Idee um und erschuf eine Geschichte über einen Roboter, der Verbrecher jagt. Dieses Drehbuch landete dann auf dem Tisch von Paul Verhoeven („Black Book“), der für seinen zweiten Hollywood-Film eine gute Basis suchte. Zuerst warf er es angewidert weg, bis seine Frau es der Legende nach wieder aus dem Müll holte, es durchging und die Story ihrem Mann schmackhaft machte. Für die Hauptrolle waren kurzzeitig u.a. sein alter Freund Rutger Hauer („Blade Runner“) und auch Arnold Schwarzenegger („Phantom Kommando“) im Gespräch, diese wurden jedoch wegen ihrer robusten körperlichen Bauweise abgelehnt, der an sich schon sperrige und umfassende Robocop-Anzug wäre sonst noch breiter ausgefallen.
Und so schlüpfte letztendlich der schlankere Peter Weller („Forced to Fight“) in die Rolle des Polizisten Alex Murphy, der an eine neue Arbeitsstelle versetzt wird. Diesem wird bei seinem ersten Einsatz seine neue Partnerin Lewis (Nancy Allen „Last Assassins“) zugeteilt, wobei sie auch gleich in die Verfolgung einer Gang um Clarence Boddicker verwickelt werden. Beim Versuch, die Bande im Alleingang zu stoppen, wird Murphy auf sadistische Weise hingerichtet. Dies wäre nun eigentlich auch das Ende seiner Geschichte, wenn nicht das Detroit der Zukunft und auch die Polizei mittlerweile quasi von dem Konzern Omni Consumer Products beherrscht werden würden. Nachdem sich das ED-209-Projekt – eine Art vollautomatischer Roboter, der die Polizeiarbeit erledigen soll, geleitet von Senior President Dick Jones (Ronny Cox „Deep Blue Sea“) – bei einer Vorführung vor der Geschäftsleitung als blutiger Fehlschlag entpuppt, nutzt der aufstrebende Bob Morton (Miguel Ferrer „The Courier“) die Chance, den OCP-Vorsitzenden von seiner Idee des “Robocops” zu überzeugen. Dafür eignet sich der tote Körper Murphys Ideal; er wird in einen Cyborg umfunktioniert, sein Gedächtnis wird gelöscht und so wird der ultimative Polizist geschaffen. Das ganze Unternehmen erweist sich als totaler Erfolg, doch währenddessen nutzt Dick Jones seine Kontakte zur Unterwelt, passenderweise Murphys Mörder Boddicker & Co, um seinen aufstrebenden Kollegen Morton aus dem Weg zu räumen. Gleichzeitig werden durch einen Zusammenstoß Robocops mit einem der Gangmitglieder, das dabei war, als Murphy das Leben genommen wurde, die alten, eigentlich als gelöscht eingestuften Erinnerungen des Polizisten teilweise wieder aktiviert. Der Blechmann startet seinen Vergeltungsfeldzug und die verschiedenen Fraktionen stoßen zwangsläufig zusammen.
„Robocop“, das klingt erstmal nach Trash pur. Soviel Angriffsfläche für Parodien bietet wohl auch kaum ein anderen Film und lässt es fast als ein Wunder erscheinen, dass dieser Film bereits seit seiner Entstehung als absoluter Klassiker gilt. In erster Linie liegt das daran, dass er mehr ist als ein platter Action-Film. Unterschwellig wird der Kapitalismus und Konsumgeist der 80er-Jahre kritisiert. Dies geschieht auch mit den satirischen Fernsehshows und Werbeclips, die zwischendrin eingestreut werden. Dazu kommen religiöse Motive wie die Wiedergeburt (siehe die Darstellung von Murphys Exekution) und die Verschmelzung von Mensch und Maschine, klassische Cyberpunk-Konzepte. Natürlich handelt es sich dabei aber nicht um einen gesamtphilosophischen Ansatz, der hier vermittelt werden soll, es handelt sich eher um Anspielungen und Seitenhiebe.
Die Leistungen der Darsteller sind durchgehend auf gehobenem Niveau. Peter Weller spielt die Rolle seines Lebens, Nancy Allens Performance gibt keinen Grund zur Klage und Ronny Coxs Ausstrahlung passt perfekt zum rücksichtslosen “Bösewicht-im-Anzug”-Charakter des Dick Jones. Hinzu kommt natürlich Kurtwood Smith als Gangsterboss Clarence Boddicker, der auch selbst kräftig im operativen Geschäft seines Unternehmens aktiv ist. Legendär seine Sätze der Marke “Kannst du fliegen, Bobby?” oder “Cops stehen nicht auf mich und ich steh nicht auf Cops.” Gnadenlos ist er auch im Umgang mit Freund und Feind. Er ist der typische Film-Gegenspieler, den man einfach liebt und hasst zur gleichen Zeit.
Der Film ist definitiv nichts für zarte Gemüter. Allein die Hinrichtungsszene dürfte einigen den Magen verdrehen. Paul Verhoeven dreht die Action- und Gewaltszenen auf seine typische Art: Immer draufhalten! Hier wird nicht weggeblendet und angedeutet, hier fließt das Blut. Auf jegliche Spielereien verzichtet er. Für Leute, die den Film heute zum ersten Mal sehen, wirkt er wohl technisch etwas veraltet und ehrlich gesagt war er selbst für damalige Zeiten nicht gerade auf höchsten Produktionsniveau, man beachte nur die offensichtlich verwendeten Matte-Paintings oder auch die bescheidenen Stop-Motion-Animationen des ED-209. Da muss man ehrlich sein, Filme wie “Der Drachentöter” oder “Der Terminator” bekamen das bereits Jahre vorher deutlich besser hin. Dennoch sind die Action-Szenen auch heute noch auf höchstem Niveau. Dies liegt vor allem an der emotionalen Befriedigung, die entsteht, wenn der Blechmann die Bösewichte in Einzelteile zerschießt, wobei man zusätzlich von Basil Poledouris („Blade Runner“) genialer Musikuntermalung zusätzlich gepuscht wird. Robocop agiert nicht sonderlich flexibel in diesen Szenen, unbeweglich und eher wie ein Panzer walzt er über seine Gegner. Doch insbesondere die Szene in der Drogenfabrik leidet etwas unter der Natur des Helden. Es entsteht nämlich absolut keine Spannung, da dem Protagonisten und auch niemandem sonst irgendeine Gefahr droht; die Waffen der Gegner sind nicht durchschlagskräftig genug. Zu allem übel scheint das auch keinen der Kriminellen zu stören, sie schießen einfach weiter. Anstatt die Flucht zu ergreifen, werden sie schwer verletzt oder landen im Leichensack. Vielleicht wollen uns die Macher damit etwas sagen, z.B. “Gier vernebelt den Selbsterhaltungstrieb.” Keine Ahnung, aber ich will hier nicht alles zwanghaft entschuldigen, nur weil dies einer meiner Lieblingsfilme ist.
Was den Film noch besser macht, sind die kleinen Details, wie z.B. die zunächst unscheinbaren vier Hauptdirektiven, die dem Cyborg eingebaut werden und erst später relevant werden. Gibt es noch weitere Kritikpunkte? Ja, zum einen wirkt die Grundstruktur der Story etwas arg konstruiert. Zu viele Zufälle greifen ineinander. Auch gewisse Dinge die die Handlung voranbringen, wirken etwas zu erzwungen. So erscheint Murphys Partnerin seltsamerweise genau an der Stelle, wo Murphy nach seinem Duell mit seinen Polizeikollegen hinflieht, um ihn aus der Schusslinie zu bringen. Und Robocop trifft natürlich ausgerechnet auf einen seiner Mörder, der ihn natürlich auch sofort erkennt und den Rachefeldzug erst ins Rollen bringt. Und wie kann Boddicker am Ende mit einer normalen Eisenstange die Rüstung des Robocops durchstoßen, während vorher jegliche Gewehr- und Pistolenkugeln einfach abgeprallt sind? Doch das ist eher Makulatur und hält sich im Vergleich zu anderen Filmen noch im Rahmen.
„Robocop“ ist ein absoluter Klassiker. Ein Fest für Fans von Science-Fiction und Action, welches absolut jeder gesehen haben sollte. Paul Verhoeven leistet sich hier seinen ersten echten Geniestreich und macht den vorher gedrehten und etwas arg mittelmäßigen „Flesh and Blood“ wieder vergessen. An diesem Punkt angekommen ging es für ihn weiter, um dann drei Jahre später sein absolutes Magnum Opus „Total Recall“ zu veröffentlichen, den ich insgesamt noch etwas stärker einschätze, auch wenn „Robocop“ auf emotionaler Ebene besser funktioniert.
Der Erfolg des Filmes brachte ein kleines Franchise hervor, bestehend aus einem durchschnittlichen 2. Teil, einem grottigen Teil 3, einem überflüssigen Remake sowie jeweils zwei “Live-Action”-Fernsehserien und Zeichentrick-Shows (Zielgruppe: Kinder!). Hinzu kamen noch Videospiele und Comics.
Der Film ist in der komplett ungeschnittenen Fassung („Director’s Cut“) bereits mehrfach veröffentlicht worden, auch eine Blu-ray mit durchschnittlicher Bild- und Tonqualität existierte. Zuletzt wurde der Film endlich vom Index genommen und mit einer FSK 18 Freigabe versehen. Twentieth Century Fox ergriff die Gelegenheit beim Schopfe und begleitete den Kinostart des 2014er „Robocop“-Remakes mit einer neuen Blu-ray Veröffentlichung des Klassikers, die den Film endlich in einer würdigen Bildqualität und obendrein mit umfangreichen Extras präsentiert. Einzig die Unrated-Szenen fallen qualitätsmäßig minimal ab, allerdings nicht so stark wie noch bei der DVD-Veröffentlichung. Etwas peinlich ist der blecherne deutsche Ton zum Film. Schaltet man auf die Originaltonspur, erlebt man einen beinahe unglaublichen Dynamiksprung, der vor allem dem starken Score von Poledouris sehr entgegenkommt.
© Kruger
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