Originaltitel: Rock the Kasbah__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: Barry Levinson__Darsteller: Bill Murray, Bruce Willis, Kate Hudson, Zooey Deschanel, Leem Lubany, Scott Caan, Danny McBride, Kelly Lynch u.a. |
Richie Lanz ist ein Agent. Sein Schwerpunkt: Musiker. Und glaubt man seinen Storys, hat er schon alle großen Stars unter Vertrag gehabt. Madonna etwa verdanke ihm ihren Künstlernamen. Doch inzwischen sind ihm alle Stars abhanden gekommen. Der abgehalfterte Agent weint inzwischen mehr den alten Tagen nach, als neue Talente zu entdecken. Und die wenigen „Talente“, die er noch entdeckt, sind gutgläubige Vollpfosten, die er eiskalt um ihr Erspartes bringt.
Als er eines Tages seine einzige verbliebene Sängerin Ronnie zu einem ihrer Gigs begleitet, wird er von einem anderen Manager angesprochen. Richie solle mit seiner Ronnie nach Afghanistan reisen, um dort in einer landesweiten Tour die amerikanischen Truppen zu bespaßen. Zumindest zögert Richie kurz, wenige Augenblicke später findet sich die wenig begeisterte Ronnie aber schon auf dem Flug ins wilde Afghanistan. Wie wild dieses Land werden kann, hätten sich sowohl Richie als auch Ronnie niemals ausmalen können.
Doch Ronnie hat keine große Lust, von Richies Wohlwollen abhängig zu sein. Sie zieht früh den Stecker und flieht mit Richies Pass und Moneten aus dem Land. Vollkommen auf sich allein gestellt geht es nun für Richie vollends drunter und drüber: Er rutscht in illegale Waffengeschäfte mit Paschtunen und zwischen die Schenkel einer heißen amerikanischen Hure. Zur Krönung erwartet ihn in einer Höhle abseits jeglicher Zivilisation ein Gesangstalent, das nur zu gerne in der afghanischen Version von „American Idol“ auftreten würde…
httpv://www.youtube.com/watch?v=5L4vLzYvgxs
Dass Salima, wie Richies Entdeckung heißt, im Falle eines solchen Auftrittes der Tod droht, nimmt der abgehalfterte Agent eher schulterzuckend zur Kenntnis – nichtsahnend, dass er mit seinem Dickkopf ein ganzes Land in seinen Grundfesten erschüttern wird. Aus dem Loser Richie, der bisher immer als erstes nur an sich dachte und damit auch sein eigenes familiäres Glück zerstörte, wird vollkommen unverhofft und nach vielen Irrungen und Wirrungen ein Botschafter der Veränderung und des Friedens.
Ein beliebtes Topoi des amerikanischen Kinos, hier wie maßgeschneidert auf den Körper von Bill Murray („St. Vincent“) projiziert. Dessen Figur transferiert man nach einer kurzen Verortung seines eher selbstsüchtig gepolten Charakters in eine absolut unwirklich wirkende Umgebung. Der Culture-Clash ist bereits dann riesig, wenn Ronnie und Richie in einem Flieger voller Afghanen hocken und mit allen Klischees konfrontiert werden, die sie so in ihren Köpfen über das Land haben.
Der eigentliche Kulturschock steht ihnen da noch bevor: Militär an allen Ecken Kabuls, explodierende Autos, ein Gefühl der permanenten Bedrohung, immer konterkariert durch wimmelndes, kunterbuntes Leben in den Straßen der zerbombten Stadt. Dabei entwirft Regisseur Barry Levinson („Rain Man“) irgendwann gar vollkommen irreal erscheinende Parallelwelten: Etwa Untergrundpartys, auf denen gefeiert wird, als sei nie etwas gewesen. Huren, die um ihre Trailer herum militärstützpunktähnliche Strukturen entworfen haben, und Charaktere, die in offenen Cadillacs zur Sperrstunde über die Straßen cruisen, laut Musik hören und sich nicht einmal von Feuergefechten beeindrucken lassen. Der Wahnsinn, er hat Methode in dieser Welt fernab aller bekannten Regeln und Konventionen.
Doch dieser Wahnsinn fußt auf Tatsachen. Damit ist vor allem der Story-Strang um Salima und ihren Auftritt bei „Afghan Star“ gemeint. Wie Drehbuchautor Mitch Glazer recherchierte, ist die Sendung in Afghanistan tatsächlich so etwas wie ein Kulturphänomen. Allerdings ein Phänomen, welches das Land seit seiner ersten Ausstrahlung im Jahre 2005 vor immer neue Kontroversen stellte. Vor allem den Traditionalisten ist der aus dem Westen importierte Wettbewerb ein Dorn im Auge.
Was noch verschärft wurde, als Frauen in den Shows auftraten. Kein Wunder, war es doch Frauen in dem stark patriarchalisch geprägten, muslimischen Land sogar verboten, alleine auf die Straße zu gehen. Wie konnten sie es da wagen, im TV aufzutreten? Eine der Frauen – Setara Hussainzada, dieser Frau gehört auch die letzte Schrifttafel im Film – ging sogar noch weiter und tanzte zu ihrem Song. Ein Affront sondergleichen, der Morddrohungen nach sich zog. Dennoch war es mit Lema Sahar 2008 einer anderen Frau gelungen, bei einer Staffel bis unter die besten drei zu kommen. Damit gelang es ihr wie kaum einer anderen zuvor, heiße Diskussionen rund um Tradition und Moderne in Afghanistan loszutreten.
Barry Levinson findet für diesen Generationen-Konflikt ein tolles Bild. Hier zersingt Richie „Smoke on the Water“ vor einer Gruppe verständnislos dreinblickender alter Paschtunen, während ein paar Kinder im Hintergrund begeistert zu der Musik wippen. Dieser Konflikt wird im zweiten Teil des Filmes zum handlungsantreibenden Moment. Da stemmt sich eine junge Paschtunin mit westlichen Songs gegen ihren strengen Vater und die Traditionen ihres Landes. Das ganze Land weigert sich im Umkehrschluss, einer jungen Frau ihren Traum zu erfüllen. Mittendrin Richie Lanz, der ebenfalls einen Paradigmenwechsel in sich selbst herbeiführen muss. Denn so, wie gewohnt, kann es auch für ihn nicht weiter gehen. Auch er muss wieder lernen, zu kämpfen und sich durchzusetzen.
Was für Bill Murray freilich eine mehr als dankbare Aufgabe darstellt. Mit lakonischen Kommentaren stolpert er als Richie blauäugig von einer verfahrenen Situation in die nächste und entwirft einen durchaus sympathischen Losertyp, dem man gerne durch die nicht immer logische Story folgt. Unterstützt wird Bill Murray unter anderem von Bruce Willis (drehte schon in „Moonrise Kingdom“ mit Murray). Der gibt den eigenwilligen Söldner Bombay Brian, wirkt wenig engagiert und hat obendrein kaum echte Szenen zum Glänzen abbekommen. Kate Hudson („Cutlass“), Zooey Deschanel („The Happening“), Scott Caan („Der Staatsfeind Nr. 1“) und Brachialkomiker Danny McBride („This is the End“) sind in ebenfalls wenig ergiebigen Nebenrollen zu sehen.
Das klingt alles gar nicht soooo schlecht, meint ihr? Damit habt ihr definitiv recht. Das Problem allerdings ist, dass man während des Filmgenusses ein wenig anders denkt. Hier stellt man anerkennend fest, dass Barry Levinson immer dann aus den Vollen schöpfen kann, wenn es um Ausnahmesituationen geht, wie sie nur Kriege hervorbringen können. Hier entwickelt sein „Rock the Kasbah“ einen teilweise fast schon absurden Witz. In diesen Momenten fühlt sich sein Film beinahe wie eine scharfe Satire an. Das Problem ist, dass der Film nur als solche wirklich funktioniert hätte. Doch Levinson zieht den satirischen Ansatz nicht durch. Stattdessen geht es eben um die Wandlung eines Mannes, deren dramaturgischen Verlauf und Vorhersehbarkeit Levinson nicht viel hinzufügen kann.
Auch der erstaunlich reibungslose Ablauf der Mission „Afghan Star“ befremdet. Denn die dabei abgefeuerte Storyline um einen Erfolg, der sich wie die Erfüllung des vielbeschworenen amerikanischen Traumes anfühlt, ist viel zu seicht, um wirklich ätzen zu können. Zudem sorgt die viel zu starke Fokussierung auf Richie dafür, dass man in Salimas Kampf niemals wirklich involviert wird. Dieser wird zudem nur oberflächlich angerissen und ist wenig packend, geschweige denn emotional berührend. Ganz abgesehen davon, dass Levinson eine gefühlte Ewigkeit braucht, um zu diesem Kern seiner Story vorzudringen.
Die wichtigste Frage, die einen aber immer wieder umtreibt, ist jene nach dem Schauplatz. Will man sehen, wie sich der amerikanische Traum ausgerechnet in Afghanistan erfüllt? Ist das von Kriegen zerrüttete, nicht wirklich zur Ruhe kommende Land der ideale Schauplatz für eine Geschichte wie die hier dargebotene? Eben ohne einen explizit satirischen Ansatz? Gefühlt ist die Antwort nein. Gefühlt geht in dem Film nicht wirklich viel zusammen. Gefühlt weiß man nicht so recht, worauf „Rock the Kasbah“ eigentlich hinauswill. Und das, wo man in diesem Film einige Ansätze finden kann, die gefühlt durchaus richtig und wichtig sind.
„Rock the Kasbah“ ist ab dem 24. März 2016 in den deutschen Kinos zu sehen und kommt von Tobis/Splendid Film.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Tobis/Splendid Film__Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab dem 24.3.2016 in den deutschen Kinos |