Originaltitel: Sherlock Holmes__Herstellungsland: USA/Deutschland__Erscheinungsjahr: 2009__Regie: Guy Ritchie__Produktion: Joel Silver u.a.__Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law, Rachel McAdams, Mark Strong, Eddie Marsan, Robert Maillet, Geraldine James, Kelly Reilly, William Houston, Hans Matheson, James Fox u.a. |
Ein „Sherlock Holmes“ aus dem Hause des klassischen Krawallbruders Joel Silvers („Stirb langsam“), da waren einige Leute schon skeptisch, nicht zuletzt, da sie vor allem die klassischen Detektivfilme um die Kultfigur kannten.
Dabei hat der neue Sherlock Holmes (Robert Downey Jr.) viele Züge der literarischen Figur, die frühere Verfilmungen nicht hatten oder gar verschwiegen. Zum Beispiel seine Kampfsportkenntnisse – wobei Conan Doyle dabei vielleicht nicht unbedingt das gleiche wie Silver und Regisseur Guy Ritchie („Snatch“) im Sinn hatte, die Holmes und Dr. John Watson (Jude Law) gleich zu Beginn in bester Bourne-Manier unter den Schergen von Lord Blackwood (Mark Strong) aufräumen, um den Frauenmörder bei seinem neuesten Ritual aufzuhalten.
Das kriminelle Mastermind wandert in den Knast, das kriminalistische Mastermind hingegen in eine Art frühen Ruhestand, der mit Exzentrik, Erfindung und (immerhin angedeutetem) Drogenkonsum gefüllt ist. Sein Gegenspieler Blackwood kündigt kurz vor seiner Hinrichtung an von den Toten wiederaufzuerstehen, was Holmes aber weniger aus der Fassung bringt als Watons’ Offerte, dass er bald ausziehen werde um seine holde Verlobte zu ehelichen. Sherlock Holmes zwischen Genie und Wahnsinn, das ist wieder näher an der Vorlage als der steife, tadellose Denker, den mancher im Sinn hat, wenn er an die Figur denkt und dabei an Image, das bestimmte Verfilmungen gezeichnet haben.
Blackwood entkommt dem Grabe tatsächlich und begeht weiteren Morde, was Holmes und Watson dazu nötigt ein letztes Mal auf Verbrecherjagd zu gehen, denn Blackwood hat eine ganz besonders große Verschwörung am Laufen…
httpv://www.youtube.com/watch?v=8beqXEMoPfc
Nun mag die Figur Sherlock Holmes durchaus viele Berührungspunkte zur Literatur besitzen, der Film „Sherlock Holmes“ entfernt sich als postmodernes Blockbuster-Spektakel dann schon etwas mehr davon. Als Buddy Movie im viktorianischen London wird zwar kein reiner Actionfilm aus, doch mehrere Nahkampf- und Fechteinlagen muss das dynamische Duo schon bestehen, eine mehrstufige Explosion und sehenswertes Stuntwork gibt es auch zu bestaunen, wobei die Nahkämpfe trotz Bourne-mäßiger Selbstverteidigungstechniken erfreulich übersichtlich bleiben. Zudem zitiert das bunte Potpourri verschiedene Filmgenres vom Horrorfilm bis zur Screwballkomödie und geizt auch nicht mit direkten Referenzen In Richtung Literatur (z.B. einer Erwähnung von „Alice im Wunderland“).
Guy Ritchie wahrt bei allem Blockbusterappeal aber noch das britische Understatement, gerade wenn die Buddies Holmes und Watson sich fetzen. Keine lauten Meinungsverschiedenheiten Marke „Lethal Weapon“, „Bad Boys“ oder „Nur 48 Stunden“, sondern herrlich trockene Sticheleien dominieren das Geschehen – selbst ein wohl platzierter Faustschlag vor Holmes’ Kauleiste wirkt noch unterkühlt und gleichzeitig witzig. Doch in diesem Stil streiten sich nicht nur die Hauptfiguren, sondern genauso springen sie auch mit den Nebenfiguren um, gerade wenn sich Holmes und seine große Liebe, die Meisterdiebin Irene Adler (Rachel McAdams) käbbeln. Geradezu wunderbar absurde Einlagen wie Holmes’ Fliegenexperiment sind da noch das Salz in der Suppe.
Für diese Interpretation der Holmes-Rolle ist Robert Downey Jr. („Kiss Kiss, Bang Bang“) wie geschaffen, ähnlich wie bei „Iron Man“ brilliert als dreister Lebemann mit Ehrgeiz und dem Herz am rechten Fleck. Als wunderbar knochentrockener Watson gibt Jude Law („Shopping“) da ein tolles Gegengewicht und auch Rachel McAdams („Mean Girls“) schafft es trotz vergleichsweise geringer Screentime nicht neben den beiden zu verblassen. Mark Strong („Welcome to the Punch“) als Bösewicht ist ebenfalls ein wunderbarer Gegenpart, während der Rest des Ensembles dann doch eher Stichwortgeber spielen muss.
Doch nicht nur an Holmes, den Actionhelden, und Holmes, den Exzentriker, wurde gedacht, sondern auch an Holmes, den Denker: Immer wieder führt der Film auch charmante Weise vor, wie brillant das Gehirn des Meisterdetektivs arbeitet, egal ob er sich vor einer Schlägerei überlegt, wie er einen Gegner ausschaltet (verbildlicht durch Flashfowards) oder am Ende das Geheimnis von Blackwoods Plänen offenlegt (verbildlicht durch Flashbacks). Doch ganz klar: „Sherlock Holmes“ interessiert sich eher dafür wie Holmes zum Ziel kommt, das Ergebnis seiner Recherchen ist dem Film weniger wichtig, weshalb der Plot überraschend sekundär ist bei dieser Holmes-Show. Zudem hätte man den Film, der sich so wenig auf seine Geschichte konzentriert, dann durchaus etwas kürzer fassen können, gerade zu Beginn des letzten Drittels stagniert das vorher so hohe Tempo ein wenig und der Film hat seine kleinen Hänger.
Dennoch: Die (ähnlich wie bei „Batman Begins“) ziemlich deutlich angedeutete Fortsetzung durfte gerne kommen, denn „Sherlock Holmes“ ist schelmisches, gut aufgelegtes und spektakuläres Blockbusterentertainment der gehobenen Sorte, dem man auch seine Plotschwächen gerne verzeiht.
„Sherlock Holmes“ ist im Hause Warner in verschiedenen DVD- und Blu-Ray-Editionen erschienen. Während die Single-DVD kaum Extras besitzt, haben die Special Edition auf DVD sowie alle Blu-Ray-Auflagen diverse Making Ofs zu bieten.
© Nils Bothmann (McClane)
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