Originaltitel: The Victim__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2011__Regie: Michael Biehn__Darsteller: Danielle Harris, Michael Biehn, Kym Jackson, Tanya Newbould, Jennifer Blanc, Nicole Bilderback, Phoebe Price, Caitlin Keats, J.C. Brandy u.a. |
Schaut man den neuen Michael Biehn Streifen „The Victim – Traue keinem Fremden“ an, ist man während des Filmes permanent versucht, den Film in Grund und Boden zu schreiben. Irgendwie stimmt an „The Victim“ nämlich gar nichts. Das Tempo ist eine Katastrophe, den Bildern sieht man permanent an, dass bei Tag gedreht wurde, um dann im Nachgang die Helligkeit aus dem Film zu ziehen und ihn künstlich auf ein nächtliches Setting zu trimmen, man bekommt nur wenige Schauplätze zu sehen, die Darsteller wirken hier und da suboptimal besetzt und so manche Storyentwicklung wirkt so inhomogen und unrund, dass man irgendwann versucht ist, den Film auszuschalten. Doch letzten Endes bleibt man dennoch dran, man ist ja Fan von dem sympathischen Darsteller Michael Biehn und will ja fair bleiben. Und dann kommt das Ende des Filmes. Ein zum bisher Gesehenen vollkommen unpassender Song ertönt und via Fotos und Bewegtbildern werden uns alle an dem Film Beteiligten vorgestellt. Und diese zunächst eigenwillig wirkende Maßnahme funktioniert! Im Nachgang bekommt der Film plötzlich einen familiären Anstrich. Er wirkt wie ein Projekt, bei dem man am Ende alle Freunde vorstellen muss, die den Film möglich gemacht haben. Und plötzlich interessiert man sich mehr für den Film…
httpv://www.youtube.com/watch?v=UdE7O2kb_cc
Dankenswerterweise liefert uns Sunfilm bei der deutschen Veröffentlichung ein zwar nur englischsprachiges, nicht untertiteltes, dafür hochinteressantes Making Of und zeigt uns überdeutlich, dass selbst ein Darsteller wie Michael Biehn, der Arnold Schwarzenegger und James Cameron zu seinen engsten Freunden zählt und in seinen Hochzeiten Produktionen der A-Klasse veredeln durfte (etwa „Navy Seals“ oder „Aliens“), heute riesige Probleme hat, wenn es gilt, einen Film auf die Beine zu stellen. Noch dazu einen Film, bei dem er neben der Hauptrolle die Funktionen des Drehbuchautoren und des Regisseurs (nach dem missglückten „Shadowguard“ zum bereits zweiten Mal) übernommen hat. Wie wir in dem Making Of erfahren, wurden Biehn und seine Frau dann bei Familienmitgliedern und Freunden vorstellig und baten entweder um finanzielle Mittel oder um ein anderweitiges Mitwirken an der Entstehung von „The Victim“. Irgendwann hatte man alle Stellen besetzt, aber nicht einmal genug Geld für platzende Bloodpacks. Kurzum: Ich möchte hiermit allen, die vorhaben, sich „The Victim“ anzusehen, empfehlen, vorher das wirklich gelungene, teilweise regelrecht intime Making Of zum Film zu goutieren. Es hilft enorm, sich schon im Vorfeld besser auf das einstellen zu können, was einen gleich erwarten wird.
„The Victim“ präsentiert sich von Anfang an als ein wenig uneinschätzbar. Ein wenig Thriller hier, ein paar Horrorelemente da, ein paar Psychospielchen, etwas Folter… fertig ist ein bunter Mix der Zutaten, den Biehn selbst in die Richtung Grindhouse rückt. Und er liegt damit meines Erachtens gar nicht so verkehrt. Denn vor allem in Sachen Look und Feel erinnert der Streifen hier und da überdeutlich an das zuletzt kontrovers diskutierte „I Spit on your Grave“ Remake.
Handlungstechnisch geht es um einen Kerl namens Kyle Reese. Ok, das war terminatormäßig gelogen. Der gute Mann heißt nur Kyle und er vertreibt sich in seiner abgeschieden liegenden Waldhütte die Zeit mit Motivationsworkshops aus dem Internet. Da hämmert eine junge Frau an seine Tür und begehrt um Einlass. Zögernd lässt Kyle Annie hinein und hört eine unglaubliche Geschichte: Zwei Cops hätten sich mit Annie und ihrer Freundin Mary, beide Damen des Rotlichtgewerbes, vergnügt. Dabei habe der Cop James Harrison die Beherrschung verloren und Mary versehentlich getötet. Diese wollte man danach im Wald verscharren und Annie gleich mit hinterher, könne doch gerade Harrison, der gesellschaftlich hohes Ansehen genießt, eine lästige Zeugin seines Ausrutschers gar nicht gebrauchen. Kyle ist sich nicht sicher, inwiefern er Annie glauben kann, als auch schon Harrison vor der Tür steht und beider Leben bedroht.
Die Art und Weise, wie „The Victim – Traue keinem Fremden“ vorangetrieben wird, hat schon etwas sehr exploitationmäßiges. Es ist fast, als hake Biehn in seinem Drehbuch ein paar wichtige Stationen ab, die einfach zu einem Film dieser Art gehören: Effektive Exposition mit Sex und Gewalt … check! Kurze Charakterverortung … check! Trashy Sexszene … check! Ein paar dämliche Dialoge … check! Bedrohung von außen … check! Und so weiter und so fort. Diese Storyabschnitte greifen nicht einmal wirklich ineinander. Alleine die Anberaumung der filminhärenten Bumsszene zwischen dem Ehepaar Biehn ist so hanebüchen schlecht geschrieben, dass man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Auch die Logik des Filmes sollte man nicht zu sehr hinterfragen. Als Beispiele seien nur einmal die ewigen Abwesenheitszeiten des zweiten Cops genannt. Spannung will leider auch nie so recht aufkommen, was aber auch daran liegt, dass die Figuren wenig sympathisch gezeichnet wirken. Vor allem, dass man das „Opfer“ Mary so berechnend zeichnet, schadet der Involvierung des Zuschauers in die ganze Geschichte sehr. Und auch der von Biehn gegen Ende servierte Twist scheitert an der Figurenzeichnung. Dazu ist die Charakterisierung von Kyle zu gewollt geheimnisvoll. Allerdings muss man anerkennen, dass der Twist, im Nachgang betrachtet, erstaunlich stimmig wirkt.
Darstellerisch gibt sich vor allem Michael Biehn keine Blöße. Er ringt seiner Figur einige nette Facetten ab und hat sich selbst auch ein paar hübsche Schauspielmomente zugeschanzt. Seine Frau kommt da wesentlich schlechter weg, wirkt sie doch teils sehr überfordert in ihrer Rolle. Den besten Eindruck macht sie in der Sexszene, das aber eher weniger wegen ihrem Schauspiel. Danielle Harris („The Last Boy Scout“), der wegen „Hatchet 2 und 3“ wohl zugkräftigste Name im Cast, dürfte keine zwei Drehtage vor Ort gewesen sein. Mittels arg belangloser Flashbacks werden ihre wenigen Szenen über den ganzen Film verteilt, wodurch sie deutlich präsenter wirkt, als sie es tatsächlich ist. Ryan Honey scheitert als Harrison an seiner Figur, die durch einen dämlichen Zufall ihre fiesen Seiten offenbart, dann aber nicht wirklich konsequent genug zum Fiesling umschlägt. So bleibt hier einiges an Potential ungenutzt.
Und genau das würde man einem anderen Film, der über ausreichende finanzielle Mittel verfügt hätte, auch überdeutlich vorwerfen: Dass unfassbar viele Möglichkeiten da waren, die man beherzt am Wegesrand liegen ließ. Und genau das gilt für „The Victim“ nun nicht. Man spürt einfach, dass es hier in allen Bereichen an allen Ecken und Enden fehlte. Letztendlich erstaunt, dass der Film in den technischen Aspekten gar nicht so billig daherkommt, wie man vermuten musste. Auch der eine herzhafte Splattereffekt des Streifens, gesponsert von Robert Hall („Laid to Rest“), ist handwerklich astrein, und der Score geriert sich durchaus passig. Aber letzten Endes muss man es einfach so sagen: „The Victim – Traue keinem Fremden“ fehlt es an Tempo, Spannung, Konsequenz, galligem Humor, sympathischeren Helden, fieseren Bösewichtern und einer packenderen Story. Und damit fehlt es eben auch an Punkten, die man nicht zwingend über ein mangelndes Budget erklären kann/sollte. Damit bleibt „The Victim“ bei aller Fairness ein eher schwacher Streifen. Leider.
Die deutsche DVD erscheint am 4. Juli 2013 bei dem Label Sunfilm. Die Bildqualität von „The Victim“ ist tadellos, die Synchronisation wirkt an manchen Stellen etwas unrund. Gerade Frau Biehn klingt seltsam unauthentisch. An Extras warten das coole Making Of und einige Trailer aus dem Sunfilm Angebot auf den Michael Biehn Fan.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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