Beim Dreh zu „Tracers“ bestand Taylor Lautner darauf, so viele Parkour-Szenen und Stunts wie möglichst selbst zu machen. Dass hierfür weit mehr als ein eiserner Wille nötig ist, weiß auch Amadei Weiland, Parkour-Profi und YouTube-Star, der die Entstehung von „Tracers“ verfolgt hat.
Interview mit dem Parkour-Profi Amadei Weiland
Die meisten Jungs spielen Fußball, machen Leichtathletik oder stemmen regelmäßig Hanteln in der Mucki-Bude. Du hast dir mit Parkour eine eher ungewöhnliche Sportart ausgesucht. Wie bist du dazu gekommen?
Als Kind bin ich schon immer auf die höchsten Bäume geklettert, die ich finden konnte, über Mauern balanciert usw. Irgendwann habe ich dann meinen ersten Jackie Chan Film gesehen und war total davon begeistert, was er alles drauf hatte. Ich habe mir alle seine Filme angeschaut und mit 10 Jahren angefangen, fast täglich Kung Fu zu trainieren.
Als ich dann mit ein paar Freunden Video-Clips von Trickern wie Joe Eigo, Steve Terada usw. gesehen habe, haben wir angefangen, nach dem normalen Kung-Fu-Training noch die Tricks aus den Videos zu üben. Wir haben alles an Videos geschaut, was wir irgendwie finden konnten (damals gab es noch kein YouTube). Dabei sind wir irgendwann auf die Parkour-Clips von David Belle, Urban Freeflow usw. gestoßen. Das hat uns so gut gefallen, dass wir direkt nach draußen gegangen sind und einfach begonnen haben, die Bewegungen aus den Videos nachzumachen.
Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um mit Parkour anzufangen?
Die wichtigste Voraussetzung ist, dass man Spaß daran hat und motiviert genug ist, die Bewegungen/Tricks am Anfang teilweise monatelang zu trainieren, bevor sie dann endlich mal klappen. Und das ohne aufzugeben. Kraft, Talent, Körperbeherrschung und eine gute Koordination und Reaktionsgeschwindigkeit sind natürlich auch sehr wichtig. Den Unterschied zwischen einem „Hobby-Freerunner“ und einem Profi macht aber zu 90% die mentale Einstellung.
Wie und wo trainierst du?
Ich versuche möglichst vielseitig an verschiedenen Spots zu trainieren, damit ich flexibel bleibe. Ich betreibe auch sehr gerne andere Sportarten wie Fußball, Slacklinen, Kampfsport, Klettern, Volleyball, Squash oder Tennis, um fit zu bleiben. Aber natürlich gehört auch regelmäßiges Krafttraining im Fitnessstudio und Freerunning-Training in einer Halle mit Matten dazu.
Worin liegt der Unterschied zwischen Parkour und Freerunning?
Beim Parkour geht es darum, möglichst schnell und effizient einen Weg von Punkt A nach Punkt B zurückzulegen und dabei geradlinig alle Hindernisse zu überwinden, die sich einem in den Weg stellen. Beim Freerunning wendet man zwar größtenteils dieselben Bewegungen an, dabei geht es jedoch nicht allein um Geschwindigkeit und das Überwinden einer geradlinigen Strecke, sondern eher darum, seine Umgebung und die Hindernisse darin möglichst kreativ zu nutzen. Dabei gibt es keine wirklichen Regeln, man kann alles machen was einem gefällt, wie etwa Salti oder Elemente aus dem Tricking oder Breakdance.
Mit deinen 26 Jahren bist du mittlerweile ein echter Parkour-Profi und gibst anderen Tipps auf deinem YouTube-Channel. An wen richten sich deine Videos?
Die Videos richten sich an jeden, der sich für Parkour, Freerunning oder Tricking interessiert oder es sogar selbst lernen möchte. Ich selbst habe meine ersten Tricks auch über Videos im Internet gelernt. Damals gab es leider noch keine oder nur sehr schlechte Tutorials und daher war es echt schwierig am Anfang. Mittlerweile gibt es zwar sehr viele Tutorials, jedoch kaum gute auf Deutsch. Das war der Grund, warum ich damit begonnen habe, neben meinen Parkour-Videos auch Tutorials zu machen.
Beim Parkour wird die ganze Stadt zum Spielplatz. Was bedeutet dir der Sport und welche Philosophie steht für dich dahinter?
Am Anfang war mir die Philosophie dahinter, ehrlich gesagt, komplett egal. Ich hatte einfach Spaß daran, mich zu bewegen. Als Kind philosophiert man auch nicht rum, bevor man auf einen Baum oder über eine Mauer klettert. Wenn man eine Weile leidenschaftlich Parkour betreibt, merkt man irgendwann von selbst, wie sich die eigene Sichtweise auf die Umgebung und das Leben verändert. Das ist ein Prozess. Das Erlebnis, in Extremsituationen auf seine eigenen Fähigkeiten zu vertrauen und seine eigenen Grenzen immer wieder aufs Neue zu verschieben, bzw. einschätzen zu müssen, stärkt vor allem das Selbstvertrauen und die Selbsteinschätzung. Darum ist Parkour für die Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen meiner Meinung nach sehr förderlich.
In „Tracers“ spielt Taylor Lautner den Fahrradkurier Cam, der durch eine zufällige Begegnung mit Parkour in Berührung kommt und die Sportart für sich selbst entdeckt. Dabei geht es relativ schnell, bis er sich mit anderen Parkour-Sportlern messen kann. Wie lange dauert es im wahren Leben bis man richtig gut ist?
Da beim Parkour die mentale Einstellung den entschiedenen Unterschied macht, kann das sehr unterschiedlich sein. Manche erreichen nach zehn Jahren Training nicht das Level, was manche nach zwei Jahren bereits haben. Wer vorher keinen Sport gemacht hat, braucht vermutlich mindestens zwei bis drei Jahre, um die nötige Muskulatur aufzubauen und den Körper langsam an die Belastung der hohen Sprünge etc. zu gewöhnen. Da Cam in „Tracers“ jedoch schon vorher auf hohem Level als Fahrradkurier unterwegs ist, sehr akrobatisch und daher koordinativ und körperlich fit ist, ist es nicht unrealistisch, dass er innerhalb von kurzer Zeit ein recht gutes Niveau erreichen kann.
Bisher ist Parkour in Deutschland noch eher ein Nischensport. Hast du das Gefühl, dass Filme wie „Parkour“, „Ghetto Gangz“ oder „Tracers“ die Popularität von Parkour steigern?
Für Parkour gibt es in Deutschland zwar keine vergleichbaren Vereinsstrukturen, wie etwa beim Fußball, aber wenn man sich anschaut wie viele Schulen mittlerweile Parkour-Kurse im Sportunterricht anbieten, kann man, glaube ich, gar nicht mehr von einer reinen Nischensportart sprechen. Ich denke jeder Film, der das öffentliche Interesse weckt und Leute dazu motiviert, damit anzufangen, trägt dazu bei, dass sich die Sportart weiterentwickelt und größer wird.
Im Film wird Parkour gern zum Verüben von Verbrechen benutzt, nicht zuletzt, weil es die perfekte Flucht ermöglicht. Siehst du diese Verbindung kritisch?
Überhaupt nicht. In Filmen geht es einfach darum, eine Geschichte zu erzählen und die Action darin irgendwie sinnvoll einzubauen. Es kommen auch oft Verfolgungsjagden mit Autos in Filmen vor, da knüpft auch niemand eine Verbindung zwischen normalen Autofahrern und Verbrechen. Ich denke, jeder der einigermaßen intelligent ist, kann zwischen Film und Realität unterscheiden.
Du hast die Entstehung von „Tracers“ verfolgt. Was begeistert dich an dem Film besonders?
Besonders gut finde ich, dass in „Tracers“ viel Wert auf die mentale Einstellung beim Parkour/Freerunning gelegt wird. Darüber hinaus merkt man, dass die größtenteils realistischen Parkour-Szenen von echten Parkour-Experten choreografiert wurden. Die Kameraeinstellungen beispielsweise erinnern teilweise sogar an echte Parkour-Videos aus dem Internet. Bei den meisten anderen Hollywood-Produktionen, in denen Parkour-Action vorkommt, wird diese sehr filmisch umgesetzt und dabei wenig Wert auf realistische Flugkurven, Landungen etc. gelegt.