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3:15 – Die Stunde der Cobras

Originaltitel: 3:15__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1986__Regie: Larry Gross__Darsteller: Adam Baldwin, Danny De La Paz, Deborah Foreman, Bradford Bancroft, Wendy Barry, Wayne Crawford, Gina Gershon, Ed Lauter, Mario Van Peebles, Wings Hauser, Dean Devlin u.a.
3:15 - Die Stunde der Cobras

In dem Gang-Actionthriller „3:15 – Die Stunde der Cobras“ hat Mario Van Peebles eine Gastrolle, während Adam Baldwin den Protagonisten gibt. Copyright: Cannon/VMP

Larry Gross feierte seine größten Erfolge als Drehbuchautor von vier Walter-Hill-Filmen („Nur 48 Stunden“, „Straßen in Flammen“, „Und wieder 48 Stunden“, „Geronimo“) und brachte es auf bisher eine Spielfilmregie, „3:15“, bei uns noch mit dem Beititel „Die Stunde der Cobras“ versehen.

Die hierzulande im Titel erwähnten Cobras sind eine Jugendgang, angeführt von Cinco (Danny De La Paz), und haben mit Jeff Hannah (Adam Baldwin) auch einen kräftigen Schläger in ihren Reihen. Solche Leute brauchen sie auch, denn als Jugendgang der 1980er muss man ständig sein Territorium verteidigen, so auch in der Auftaktszene, in der eine andere Gang im Revier der Cobras Stress macht. Während die Cobras Lederjacken als Erkennungszeichen tragen, sind die Gegner in Karohemden und Footballjacken gekleidet, sodass man schon optisch darauf vorbereitet wird, dass die Cobras mit den gegnerischen Bubis den Boden aufwischt. Als Cinco jedoch einen Rivalen hinterrücks erdolcht, hat Jeff die Schnauze voll und steigt aus der Gang aus.

Ein Jahr später hat er sich einen Ruf als Basketballer und netter Schüler erarbeitet, Gang-Liebchen Lora (Wendy Barry) als Freundin gegen die brave Sherry (Deborah Foreman) aus gutem Hause ausgetauscht und seine Akte gesäubert. Derweil haben die Cobras die Schule übernommen und dealen sich fröhlich durch die Klassenräume und den Schulhof, was der Direktor gar nicht gerne sieht, obwohl es bei den Schülern gut anzukommen scheint, wenn man sich die Menge an Kunden anschaut. Damit haut auch „3:15“ in die Sparte jener Jugend-außer-Kontrolle- und Selbstjustizreißer, deren führender Vertreter Mark L. Lesters „Die Klasse von 1984“ ist, auch wenn „The Warriors“ (wieder ein Walter-Hill-Film) schon einige Jahre zuvor Maßstäbe im Bereich des Bandenfilms gesetzt hatte.

Mit Hilfe des Cops Morans (Ed Lauter) organisiert der Direx eine Razzia, bei der die Cobras hopps genommen werden. Als sich Jeff weigert Drogen für den flüchtenden Cinco zu verstecken und dieser eingeknastet wird, schwören die Cobras Rache. Und weil dies ein Genrefilm der 1980er ist, sind die Schurken bald schon wieder auf freiem Fuße…

Schaut in den Film hinein

Wer jetzt denkt, dass es direkt zu Kampfhandlungen und derber Gewalttätigkeiten kommt, der ist schief gewickelt. Denn viel mehr orientiert sich „3:15“ an dem Westernklassiker „High Noon“ – auch der Filmtitel gibt jene Uhrzeit an, in der die Cobras Jeff zum finalen Duell fordern. Bis dahin wird erst mal ergründet, wer im Mikrokosmos Schule zu Jeff steht und wer den Schwanz einzieht, was „3:15“ mit weniger psychologischer und sozialkritischer Finesse als das große Vorbild macht, aber doch achtbar ins Highschool-Milieu überträgt, kleine Überraschungen inklusive. Vor allem interessant ist natürlich der Gegensatz zwischen Jeffs eher braver Gegenwart und seiner Vergangenheit, den vor allem seine Freundin auszuhalten hat – ihr Entsetzen in jener Szene, in der Jeffs alte Attitüde durchbricht und er Cobra-Mitglied Whitey (Bradford Bancroft) bei der Verteidigung Sherrys beinahe krankenhausreif prügelt, spricht Bände und zeigt durchaus das Potential der Geschichte von der Vergangenheit, die den Helden einzuholen droht.

Dass dies dem Film gelingt, liegt vor allem auch an der Darstellung Adam Baldwins, der Jeff facettenreich darstellt und nicht nur mit seiner Physis überzeugt – leider sollte er später erst für TV-Serien wie „Firefly“, „Chuck“ und „The Last Ship“ die entsprechende Anerkennung bekommen, die ihm beim Film weitestgehend verwehrt blieb. Deborah Foreman („Sundown“) ist brauchbar als Freundin im Stresstest, während Danny De La Paz („Freejack“) als Schmierlappen zwar etwas eindimensional, aber doch eingängig verabscheuenswert auftritt.

Bradford Bancroft spielt ähnlich wie in „Teuflische Klasse“ aus dem selben Jahr einen punkigen Außenseiter, hier nur eben als Schurkenfigur, während „3:15“ noch ein paar markige Darsteller in Nebenrollen hat: Ed Lauter („Extreme Justice“) gibt den lakonischen Cop, Wings Hauser („Todesschwadron“) schaut für eine Szene als Vater Sherrys vorbei, Mario van Peebles („New Jack City“) gibt den Anführer ein Black-Panther-artigen schwarzen Jugendgang und Gina Gershon („Best of the Best 3 – No Turning Back“) ist als Teil der Cobrettes, der weiblichen Cobra-Fraktion, in einer frühen Nebenrolle zu sehen.

Dabei atmet „3:15“ rauen Eighties-Style in Bild und Ton, inklusive einem starken Zeitgeist-Soundtrack, bei dem vor allem „Lined Up“ von Shriekback und „Something’s Gotta Change“ von Ruth Daniels ins Ohr gehen. Das tröstet dann auch über die eine oder andere Länge hinweg, denn der Spannungsaufbau auf dem Weg zum erwarteten Finale schwächelt. Die Cobras halten sich mit den Anfeindungen zurück und es gibt viele aufgenommene Subplots und Ansätze, die ins Leere laufen.

Da wären die schwarze Jugendgang sowie eine auf dem Schulhof Karate übende Asiatengang, die zwar auch in zwei, drei Szenen mit Jeff interagieren, aber sonst kaum thematisiert werden, was gerade angesichts des anfangs gezeigten Territorialbewusstseins der Cobras seltsam anmutet. Das ist die Rivalität einiger Cobrettes mit Lora, die zwar mit Cinco zusammen ist, aber wohl immer noch Gefühle für Jeff hat. Da sind Figuren, die auftauchen und verschwinden wie es dem Drehbuch gerade passt, was „3:15“ unterm Strich etwas inkohärent aussehen lässt.

Wenn es dann allerdings mal rummst, also vor allem im Showdown, dann bietet Larry Gross‘ Film rohe, raue Gangaction, bei der meist die Fäuste oder Messer sprechen, seltener mal eine Schusswaffe. Das ist alles eher erdig und nur begrenzt spektakulär in Szene gesetzt, was aber auch hervorragend zum Setting und zum Ton des Films passt – wilde Ballereien oder dicke Explosionen wären hier fehl am Platze. So funktioniert der Showdown als große Entladung der aufgebauten Aggressionen und Spannungen auf beiden Seiten, auch wenn etwas mehr Action im Vorfeld dem Film sicher nicht geschadet hätte.

Das Hauptproblem des gut gespielten und schick inszenierten „3:15“ bleibt aber das Script, das sich bei der Etablierung seiner „High Noon“-Prämisse in interessanten, aber oft unterentwickelten Ansätzen verzettelt. Schade um Adam Baldwins starkes Spiel, das Flair und den duften Soundtrack, aber so ist „3:15“ eben nur ein okayer Jugendkriminalitätsreißer der 1980er und kein Highlight.

Stand 2017: Hierzulande hat Cannon/VMP den Film auf VHS veröffentlicht, ab 18 Jahren freigegeben und wahrscheinlich ungekürzt. In Holland gibt es „3:15“ auf DVD, aber nur in VHS-Qualität, weshalb es sich dabei um ein Bootleg handeln könnte.

© Nils Bothmann (McClane)


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Mediabook Cover

Cover A der deutschen Blu-ray-Premiere von “3:15 – Die Stunde der Cobras”

Eindimensionaler Jugendbandenfilm

Wenn eine weiß verputzte Schulgebäudewand voller unvollendeter Graffiti ein Film wäre, dann wäre sie wohl „3:15“. Die 80er in all ihrer überzeichneten Pracht, sie führen nicht allzu filigran Strich in diesem überzeichneten Gang- und Schulhofdrama, dessen Regisseur durchaus schon mit feineren Pinseln im gleichen Milieu unterwegs war. Schließlich hatte Larry Gross gemeinsam mit Walter Hill zuvor bereits an den Drehbüchern für „Nur 48 Stunden“ (1982) und „Straßen in Flammen“ (1984) gearbeitet. Nun ist er es, der das Drehbuch zweier unerfahrener, quasi frisch von der Schule kommender Autoren in chaotische Bilder voller Lederjacken, toupierter Frisuren und einem Nebeneinander aus biederen Schulhöfen und filzigen Nachtclubs übersetzt, als wolle er durch Oberflächenreize vom dürftigen Inhalt ablenken. Mittendrin in der Schmiererei: Adam Baldwin als Jeff Hannah, der personifizierte Trigger einer geordneten Gegenwartsaufnahme. Was zieht den Ärger wohl zuverlässiger an als ein milchgesichtiger Ex-Gangleader, der inzwischen auf Musterschüler macht?

Ähnlich grobschlächtig wie die „Ein Jahr später“-Überleitung am Ende des Prologs fällt dann auch die Charakterzeichnung im Film aus. In Artverwandten wie „The Wanderers“ (1979), „The Outsiders“ oder „Rumble Fish“ (beide 1983) gilt ihr üblicherweise das Hauptaugenmerk, hier aber verströmt sie eher einen Alibi-Effekt, während mit Hochdruck auf die dominierende High-Noon-Prämisse hingesteuert wird. Irritierenderweise zeichnet Gross nach dem Ausstieg des Gangmitglieds zunächst eine Idylle, die es ihm ermöglicht, trotz gewechselter Seiten ein Musterleben mit biederer Freundin (Deborah Foreman) und rosiger Zukunftsperspektive auszuleben, während die Gang davon unberührt ihren eigenen Pfad geht. Doch das Skript fackelt nicht lange, den Zufall zur Hilfe zu rufen, um doch noch eine Erzfeindschaft aufflammen zu lassen. Eine unglückselige Kreuzung der Wege in der Duschkabine nur, und schon schlagen die Western-Motive bahn, als Spiegel mit Uhrzeiten bemalt werden und der Schulhof langsam zu klein wird für zwei Kobras.

3:15 - Die Stunde der Cobras

Jeff (Adam Baldwin) lässt sich nicht so leicht in die Zange nehmen.

Inszeniert wird das Ganze aber nicht wie ein düsteres Coming-of-Age-Drama mit Katharsis-Effekt, sondern fast schon mit dem unverbindlichen, vor Konsequenzen gefeiten Charme einer rotzigen Sommerkomödie. Wenn Schulleiter und Polizist im Büro die Lage sondieren und Partei für oder gegen eine Gruppe ergreifen, und erst recht, wenn jemand wie Wings Hauser einen Kurzauftritt als College-Girl-Daddy liefert und eine Explosion verspricht, die nie eintrifft, ist die Chose einem Comic mit kräftigem Tuschestrich deutlich näher als einem fein schattierten Jugenddrama. Bekannte Gesichter wie Gina Gershon oder Mario Van Peebles sorgen trotz der auffälligen Nichtfunktionalität ihrer Rollen für reichlich Profil auf der Oberfläche.

Hauptdarsteller Adam Baldwin ist dahingehend ein ganz spezieller Fall: Obwohl seine Figur zwischen den Extremen sämtlicher Klischees des High-School-Films pendelt, liefert er eine unerwartet einnehmende, trotz oder wegen seiner Naivität erfrischende Performance. Es gelingt ihm, das Schelmische eines jungen Matthew Broderick („Ferris macht blau“, 1986) mit der aalglatten Ausstrahlung eines Kurt McKinney („Karate Tiger“, 1986) und der trotzigen Erscheinung eines William Zabka („Karate Kid“, 1984) zu einer interessanten Mischung anzurühren, mit der er es schafft, dass man ihm sogar die traditionell negativ konnotierten Eigenschaften typischer Footballstar- und Streber-Figuren verzeiht, auch wenn er vor mancher Kulisse eben trotzdem wie ein dummer Esel im falschen Film wirkt.

Viel Handlung ereignet sich auf dem Weg zum Showdown nicht, und auch was den Spannungsaufbau angeht, zeigen sich weder Skript noch Regie allzu ambitioniert, so dass sich Danny De La Paz als Widersacher erst recht spät in den Vordergrund spielen kann, obwohl er eigentlich durchgängig präsent ist. Gross legt das Augenmerk lieber darauf, profane Alltagsbeobachtung in subkulturelle Klischees umzuwandeln, die mit der Realität nicht viel zu tun haben, dem Film aber trotz fehlender Schauwerte in Form von Action und Gewalt jene Art von Belag verpassen, der mit zeitlicher Distanz heute wieder hübsch anzusehen ist. Dabei wird nicht nur die Gegenwart der 80er ausgestellt, auch der Bezug zu den 50er-Jahren ist zugegen, Haargel, Diners und Rockabilly zum Dank. Insofern steckt durchaus bereits etwas Postironisches in der gezeigten Kultur, die sich auf etwas Vergangenes bezieht und es auf die eigenen Zwecke ummünzt, um Geschichte letztlich zu wiederholen.

3:15 - Die Stunde der Cobras

Die Cobras sind nicht die einzige Gang auf dem Schulhof. Gina Gershon hat auch eine Gang am Start.

Der Flow von „3:15“ ist bei alldem recht träge. Er ist sogar so genügsam, dass sich der plötzliche Auge-um-Auge-Ethos, den das Finale schließlich einbringt, wie ein Fremdkörper anfühlt. Obwohl sich Gevatter Ernst natürlich lange im Voraus angekündigt hatte, überrumpelt er den Zuschauer mit seiner Gnadenlosigkeit, die irgendwie fehl am Platz wirkt, wenn auf einmal nerdige Sidekicks mit Schusswunde am Rand liegen und zu verbluten drohen. Gross strebt hier aber nicht etwa einen „Wake Up and Grow Up“-Effekt an, mit dem die unversehrte Unschuld an der Realität kollidiert, sondern er inszeniert weiter so überzeichnet, als wäre alles nur ein großer Spaß.

Dass man den Titel „3:15“ nie in einem Atemzug mit den Klassikern der Jugendbandenfilme zu hören bekommt, hat schon seinen Grund. Von dieser Sorte Film erwartet man eben vor allem das, was dieser Kandidat kaum zu bieten hat, nämlich fein geschliffene Charaktere in komplex geschriebenen Dramen. Was sich da im einzigen Spielfilm von Larry Gross tummelt, ist schlichtweg zu eindimensional, um nicht von Anfang an zum Vergessenwerden verdammt gewesen zu sein. Dass man heute überhaupt noch die Möglichkeit hat, ihn wiederzuentdecken, ist lediglich der unberechenbaren Lotterie medialer Verbreitung zu verdanken. Wer auf diese Weise zufällig darauf stößt, wird zwar keinen vergessenen Klassiker entdecken, wohl aber ein buntes Kleinod mit reichlich Zeitkolorit, das neben einem charismatischen Hauptdarsteller eine ganze Menge charismatischer Gesichter in Nebenrollen zu bieten hat, die gemeinsam für ein lebhaftes Portrait der 80er posieren, angefertigt von einem Street Artist.


© Sascha Ganser (Vince)

Informationen zur Neuveröffentlichung

Coffy - Die Raubkatze

“3:15 – Die Stunde der Cobras” feierte bei Wicked Vision in der “Limited Collector’s Edition” seine europäische HD-Premiere.

Limited Collector’s Edition #69

Wer weiß, vielleicht werden sie irgendwann alle wieder an die Oberfläche gespült. „3:15 – Die Stunde der Cobras“ schien zwischenzeitlich unwiederbringlich im Meer der Bedeutungslosigkeit verloren. Im VHS-Zeitalter spielte der Streifen aus dem Jahr 1986 noch eine gewisse Rolle, auch in Deutschland konnte man ihn 1987 als Kassette erwerben. 1988 folgte dann die Indizierung, die bis 2013 Bestand hatte. Das glorreiche DVD-Zeitalter ging scheinbar vorbei, ohne „3:15“ eines Blickes zu würdigen, Hinweise auf eine legale DVD-Veröffentlichung fehlen sogar aus dem Heimatland USA. Dort tat sich offenbar erst 2020 etwas, als über Scorpion Releasing eine Blu-ray erschien. 2022 folgte sogar noch eine Special Edition aus dem gleichen Hause. Die bildet dann wohl auch die Basis für die bereits 2023 über Wicked Vision erschienene deutsche Blu-ray/DVD-Doppeledition aus der bekannten „Limited Collector’s Edition“-Reihe.

In 2023, dem Jahr ihrer Veröffentlichung, könnte man diese Ausgabe aber womöglich verpasst haben, denn ursprünglich war sie exklusiv im Shop des Labels zu erwerben und wurde erst Anfang 2024 im freien Handel zugänglich gemacht.

Goodies

Um den Kauf im Label-Shop aber auch nach Freigabe für Zwischenhändler attraktiver zu machen, hat man sich diesmal wieder etwas Besonderes ausgedacht. Nur aus erster Hand bekommt man nämlich ein üppiges Paket an Goodies frei Haus dazu. Dazu gehört:

– Ein doppelseitig bedrucktes, gerolltes Poster im DIN A3-Format mit leichter Hochglanzbeschichtung. Die Motive entsprechen dabei den Artworks der beiden Mediabook-Varianten – mehr dazu bei der Besprechung der Verpackung.
– Ein ovalrunder, schwarzer Aufkleber mit dem Wicked-Vision-Logo und dem vollständigen Filmtitel „3:15“ in originaler Graffiti-Optik und dem zugehörigen deutschen Titelgefüge „Die Stunde der Cobras“
– Ein doppelseitig bedruckter Bierdeckel mit einem flapsigen Spruch, bei dem man einen Rainer Brandt, vielleicht aber auch den Wicked-Vision-Chef persönlich mit rheinischer Schnodderschnauze vor dem inneren Auge hat: „Ich sach dir dat nochmal – Kein Bier vor Vier!“. Definitiv zu schade, um tatsächlich ein kühles Helles darauf zu platzieren.
– Fünf Postkarten, zwei hochkant, drei im Querformat. Eine der hochkantigen Karten zeigt ein alternatives Postermotiv, alle anderen Szenenbilder, anhand derer man eine Ahnung vom Ambiente im Film bekommt.

3:15 - Die Stunde der Cobras

Wer im Labelshop bestellt, bekommt neben dem Mediabook jede Menge Goodies oben drauf.

Das ist alles nicht essenziell, aber auch für solche Beigaben gibt es Sammler, die sich womöglich einen Ast freuen, ausgerechnet zu einem vergessenen Film wie diesem ein paar zusätzliche Memorabilia zu erhalten, die ohne Aufpreis mit in die Versandschachtel gepackt werden. Da sagt man sicher nicht nein… wenn der Rest auch stimmt.

Die Verpackung

Und da sehen wir zunächst einmal die klassische Mediabook-Umverpackung, geschützt von einem Deckblatt, das sich todesmutig in die Schussbahn des FSK-Stempels wirft und seine eigene Brust opfert, um die des Mediabooks zu schützen. Dieses wiederum kommt diesmal in nur zwei Cover-Varianten anstatt der üblichen drei. Cover A entspricht dem Motiv, das auch auf der alten VHS zu sehen war. Es handelt sich um eine Zeichnung, die auf Grundlage eines Szenenbildes angefertigt wurde, das ebenfalls auf dem Backcover der VHS abgedruckt ist. Man sieht David De La Paz in Cobra-Kluft, der Adam Baldwin eine Kette um den Hals legt und kräftig zudrückt. Weil schon die Vorlage des Bildes nicht die beste ist, kann man vor allem Baldwins Gesicht leider kaum erkennen.

Überhaupt wirken die Gesichtszüge trotz hohen Detailreichtums extrem gepresst und verzerrt. Im Vordergrund leuchtet eine Klinge mit weißen Lichtreflexionen, die fast schon in der Optik eines Ralf-Krause-Motivs erstrahlen. Die Gegenlichtszenerie der Gang vor einem Zaun in der unteren rechten Diagonale bringt noch ein stimmungsvolles Spiel mit der Beleuchtung ein, das allerdings teilweise vom Titelschriftzug überdeckt wird.

Cover A weist mit 666 Einheiten eine höhere Stückmenge auf als das auf 333 Einheiten begrenzte Cover B, das von Gilles Vranckx neu angefertigt wurde. Ebenso wie das Originalmotiv verwendete er ein Szenenbild als Vorlage, liefert daraus aber die deutlich bessere Arbeit ab. Durch die simple, aber effektive Durch-die-Beine-Froschperspektive werden gleichermaßen die omnipräsenten Western-Motive des Films als auch die modischen Standards des Jahrzehnts referenziert, und das mit vergleichsweise einfachen Mitteln. Die Farben sind dabei deutlich freundlicher als bei Cover A, beide Motive ergänzen sich aber zumindest in der stilistischen Strömung der Graffiti-Art so nahtlos, dass man meinen könnte, auch Cover B sei zur Entstehungszeit des Films gezeichnet worden. Insofern kann man vor dem Künstler den Hut dafür ziehen, dass er genau die richtigen Prioritäten gesetzt hat.

Das Booklet

Hier wie dort sind Blu-ray und DVD innen auf eigenen Trays aufgelegt, hinter denen Filmbilder zu sehen sind, die wie mit Tape befestigte Polaroid-Erinnerungsfotos auf der Fläche drapiert sind. Als Umschlag des 24-seitigen Booklets in der Mitte dient passend dazu ein schwarzes Cover im Look eines Klassenheftes mit der Aufschrift „3:15 – Klassenbuch“. Da hat man wieder viel Liebe reingesteckt, um das Drumherum gemäß der Filmthematik zu individualisieren. Das putzige Polaroid-Design setzt sich auch im Inneren des Booklets fort, das vom unermüdlichen Christoph N. Kellerbach, der wohl mal wieder nachsitzen musste, mit einem Aufsatz gefüllt wird.

Der Autor muss unzählige Geschichtswälzer von seinem Lehrer aufgedrückt bekommen haben, anders lässt sich nicht erklären, dass er bis in die 1930er Jahre zurückgeht, um die Geschichte der filmischen Abhandlung von Gewalt an Schulen aufzurollen. Man könnte einwenden, dass das vielleicht ein wenig zu viel der Ehre für einen eher primitiven Gang-Prügler wie „3:15 – Die Rache der Cobras“ ist, zumal der Text seinem Betrachtungsgegenstand eine dunkle Aura verpasst, die dieser nur bedingt hergibt. Im Fazit wird aber spätestens deutlich, dass Kellerbach den Film durchaus richtig einzuordnen weiß. Im Mittelteil werden über die reine Wertung hinaus außerdem unzählige Details zur Produktion und den Beteiligten wie auch zur Veröffentlichungsgeschichte geteilt, die um so wertvoller sind, da diesmal auf der Disc selbst nicht ganz so viele Extras zu finden sind. Auf den letzten vier Seiten sind dann noch sechs Aushangfotos abgedruckt sowie dasselbe Poster, das auch auf einer der Postkarten zu finden ist.

3:15 - Die Stunde der Cobras

Das Bild

Auf dem Deckblatt ist von einer „europäischen HD-Premiere“ die Rede; wie die (vermutlich für Scorpion Releasing erstellte) Abtastung aber genau zustande gekommen ist, wird nicht weiter erwähnt. Wer den Streifen aber noch von der schnoddrigen Vollbild-VHS in Erinnerung hat, wird durchaus einen gewissen Aha-Effekt erleben. Das auf 1,85:1 gespannte Bild grieselt lebhaft vor sich hin, so wie es für einen Film voller beschmierter Wände und extravaganter Outfits sein muss, und überzeugt dabei vor allem mit seinen leuchtenden Farben. Insbesondere die Rot-, Orange- und Pinktöne heben sich stark hervor. Allgemein ist das Bild ausgesprochen sauber und die Bildschärfe erreicht ein hohes Niveau. Gemessen daran, dass „3:15 – Die Stunde der Cobras“ vor allem durch seine Kulissen und Kostüme geprägt wird, ist die visuelle Präsentation mehr als zufriedenstellend.

Der Ton

Sehr transparent ist auch die akustische Repräsentation, die geprägt wird von klar verständlichen Dialogen, sehr organisch wirkenden Effekten (quietschende Fußschritte auf dem Basketballplatz oder Schulflur, saftige Faustschläge, brummende Motoren, klappernde Zäune) und einem Teppich aus Hard-Rock-, Punk- und New-Wave-Songs, aus dem vor allem Chris Farrens „No Hesitation“ im Ohr hängen bleibt. In den Höhen und Tiefen entsteht dabei auch ein wenig Dynamik, in der Breite entwickelt sich durch fehlende Basseffekte allerdings wenig Volumen. Dafür bleibt der Ton von Rauschelementen und anderen Störfaktoren verschont. In der M&E-Spur hört man zwischen dem englischen und dem deutschen Ton kaum Unterschiede heraus. Im Original klingt natürlich alles ein wenig authentischer und dadurch auch ernstzunehmender, die Synchronisation bringt aber ihre ganz eigenen Vorzüge mit.

Nicht nur strotzt das Dialogbuch vor flapsigen Übersetzungen („langes Gerippe“, „weichgefönte Süßwasserkreische“, „gehirnamputierte Kakerlaken“, gefühlt alle zehn Minuten wirft jemand ein saftiges „du machst mir Spaß“ ein), auch hört man bei jeder zweiten Nebenfigur eine bekannte Stimme heraus. Adam Baldwin ist überaus prominent mit Tobias Meister (Kiefer Sutherland, Sean Penn, Robert Downey Jr.) besetzt, Danny De La Paz bekam die Stimme von Oliver Rohrbeck (Chris Rock, Ben Stiller) zugewiesen, auch Santiago Ziesmer (Steve Buscemi, SpongeBob Schwammkopf) hört man gelegentlich heraus. Thomas Petruo, der Sprecher von Biff Tannen aus „Zurück in die Zukunft“, darf in einer Szene sogar „du feige Sau“ sagen. Wir haben es hier also durchaus mit einer dieser legendären Synchronisationen der 80er zu tun, die ein Stück weit ihr eigenes Filmerlebnis kredenzen.

Der Audiokommentar

Man kann aber sogar eine dritte Runde mit dem Film drehen, denn die Filmwissenschaftler Dr. Kai Naumann (nicht zu verwechseln mit Dr. Gerd Naumann) und Oliver Hahm haben sich zum Filmegucken verabredet und ihre Unterhaltung auf eine Tonspur gebannt, die auf dieser Scheibe als Audiokommentar abspielbar ist. Laut Naumann hatte man sich eigentlich stilecht für 3:15 Uhr verabredet, was dann aber, so viel zur Pünktlichkeit des gemeinen Deutschen, nicht ganz geklappt hat. Das Duo bleibt im Wesentlichen sehr nah an den gezeigten Szenen und analysiert diese auf ihre kulturellen Einflüsse, auf die Motivation der Figuren und die Bezüge zu anderen Werken des Genres.

Später lösen sie sich auch mal ein wenig vom Film und nehmen Bezug auf ganze Biografien wie jene von Regisseur Larry Gross, im Großen und Ganzen ist es aber mal eine willkommene Abwechslung, eine filmwissenschaftliche Perspektive mit direktem Bezug zum Sichtbaren geboten zu bekommen, gerade wenn man zum Beispiel gerade von den Gerd-Naumann-Klaese-Kommentaren der Black-Cinema-Collection kommt, die üblicherweise einen anderen Ansatz wählen, bei dem wesentlich freier diskutiert wird. Schön ist es dabei, dass es auch kaum zu Überschneidungen mit dem Booklet kommt, insofern lohnt es sich durchaus, sich mit beiden Quellen zu beschäftigen.

Die Extras

3:15 - Die Stunde der Cobras

Schauspieler Danny De La Paz teilt in einem Interview seine Erinnerungen an den Film.

Was eben bis hierhin fehlt, ist die Perspektive der Filmemacher. Zumindest Danny De La Paz kommt in einem 12-minütigen Interview zur Sprache, das 2020 anlässlich der Scorpion-Releasing-Blu-ray aufgenommen wurde. Der Cinco-Darsteller schildert, wie er von seinem Spielfilmdebüt „Boulevard des Todes“ (1979) in das Engagement in „3:15 – Die Rache der Cobras“ geschlittert ist. Dabei erläutert er die Unterschiede in der Motivation seiner Figuren und gibt Einblick in seine Gedanken als 27-Jähriger, der seine Rollen mit Übermotivation anging – einem Vorgehen, mit dem er aus heutiger Sicht nicht mehr immer ganz einverstanden ist, das er allerdings als Teil seiner Vergangenheit akzeptiert.

Die Beziehung zwischen Chico und Jeff habe er vor allem als eine Art zerbrechende Ehe betrachtet, weshalb es ihm darum ging, vor allem die Wut und Verzweiflung spürbar zu machen. Im späteren Verlauf des Gesprächs geht er noch auf viele andere Darsteller und den Regisseur ein, hat aber kaum mehr von ihnen zu berichten als die Karrieren, die sie später eingeschlagen haben. Die Beziehungen am Set werden nur sehr vage und oberflächlich abgehandelt. Schließlich verliert er noch ein paar Worte dazu, dass man einen Film wie diesen, den er selbst fast schon vergessen hatte, auf einmal wieder in höchster Qualität neu entdecken kann. Es sind Antworten auf Fragen, die offensichtlich den Interviewer mehr interessiert haben dürften als den Interviewten, aber De La Paz beantwortet sie dennoch mit viel Energie und Einsatz.

Der Rest des Bonusmaterials besteht ausschließlich aus Werbematerial. Den Anfang macht eigens für das lokale Publikum der deutsche Kinovorspann (mit wilden Schmutzpartikel-Tänzen), gefolgt vom originalen Kinotrailer und dem anders geschnittenen VHS-Trailer. Anschließend gibt es noch eine Galerie mit dem deutschen Presseheft sowie eine allgemeine Bildergalerie gefüllt mit Postern, Artworks, Lobby Cards, Stills, Pressebildern sowie VHS- und Blu-ray-Covern.

Blu-ray und DVD sind dabei übrigens bis auf die Auflösung inhaltsgleich… mit einer kleinen Ausnahme. Exklusiv auf der Blu-ray ist nämlich noch ein Easter Egg versteckt. Worum es sich handelt und wie man es findet, könnt ihr auf Seite 2 dieser Besprechung nachschlagen.

Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love

Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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