Originaltitel: 578: Phát Đạn Của Kẻ Điên__Herstellungsland: Vietnam__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Dung Luong Dinh__Darsteller: Alexandre Nguyen, Jessica Minh Anh, Anh Tuan Hac, Hoang Phuc Nguyen, H’Hen Niê, Nguyen Lam Thao Tam, Ha Van Hieu u.a. |
Der alleinerziehende Truckfahrer Hùng und seine Tochter An sind eigentlich unzertrennlich. Doch es kommt der Tag, da wird das Töchterlein eingeschult und Hùng geht alleine auf seine langen Touren. Eines Tages taucht An an dem Umschlaghafen auf, von dem Hùngs Fahrten immer beginnen und irgendwann freilich auch wieder enden. Doch ihr Vater ist nicht zugegen. Da quatscht ein Typ das kleine Mädchen an.
Wenig später taucht An traumatisiert und zerschunden wieder auf. Fiese Dreckschweine haben sie entführt und missbraucht. Hùng ist natürlich nicht bereit, dies einfach so hinzunehmen. Er begibt sich auf Spurensuche und muss bemerken, dass der Umschlaghafen ein Jagdrevier fieser Kinderhändler zu sein scheint. Hùng reaktiviert längst verschüttet geglaubte Fähigkeiten und räumt unter den Kinderschändern auf.
Action aus Vietnam
Vietnam hat schon häufiger versucht, mit Actionfilmen kleine Duftmarken im internationalen Filmbusiness zu setzen. „The Rebel“, „Clash – Die Söldner“, „Once upon a Time in Vietnam“ und freilich „Furie“ und dessen Fortsetzung „Furies“ seien genannt. Mit „578 Magnum“ liegt nun der nächste Actioner vor, der 2022 sogar als Beitrag Vietnams für die Oscars eingereicht wurde. In technischer Hinsicht kann man das sogar verstehen, weil sich „578 Magnum“ in dieser Sparte vor keinem anderen Film verstecken muss. Inhaltlich wird hier jedoch nichts geboten, was die Jury der Academy Awards hinter dem Ofen hervorlocken würde.
Denn der Film von Dung Luong Dinh, der auch das Drehbuch schrieb, ist absolut geradlinige, schnörkellose Actionkost. „578 Magnum“ soll sein Publikum flott unterhalten und darauf ist der gesamte Film und seine Machart auch ausgerichtet. „Show don’t tell“ ist hier die Maxime. Entsprechend geizt der Actioner mit Dialogen, während das Drehbuch Hùng von Actionszene zu Actionszene peitscht. Dass unser Held zudem ein Truckfahrer und somit immer in Bewegung ist, kommt dem Tempo des ohnehin flott getakteten 90-Minüters zusätzlich zugute.
Neben diversen kleinen Scharmützeln, in denen Hùng die eine oder andere Kauleiste verbiegt, weist der Streifen gleich fünf längere Actionsequenzen auf. Die erste steigt in einer Art Parkbucht und macht klar, Held Hùng hat ordentlich Dampf in den Fäusten. Rund um seinen Truck setzt es hier ordentlich Fratzengeballertes für eine große Anzahl Lumpen. In Actionszene zwei gerät unser Held an eine weibliche Motorradgang. Diese blendet ihn in mehrfacher Hinsicht mit dem sogenannten Holi Pulver, das der Actionszene eine grandiose Farbigkeit verleiht.
Hernach folgt das Schmuckstück des Filmes. In dem für die Handlung sehr wichtigen Umschlaghafen tritt, schlägt und knüppelt Hùng Dutzende Lumpen um und rammt sie in Containerwände. Das wird mal an längeren, schnittlosen Szenen gereicht und mal flott montiert. Ein längeres Duell zwischen einer kampfkräftigen Dame, die Hùng irgendwann zu Hilfe eilt, und einem Riesengoon sorgt für zusätzliches Augenfutter.
Danach geht es in Richtung Showdown. Hier wird zunächst in einem pittoresk schönen Natursetting auf und unter Wasser das Lumpenpack kaltgestellt. Danach geht es dann ins Anwesen des Oberlumps. Leider wurden bis dahin alle Goons bereits abgeräumt, sodass nun nur noch zwei längere Duelle mit einem netten Move-Set gereicht werden.
Leider hat die zahlreiche Action neben einigen wirklich begeisternden Momenten auch so manche Probleme. Das größte: Dafür, dass Hùng die Grausamkeiten rächen will, die seiner Tochter widerfahren sind, gerät sein Rachefeldzug schon arg harmlos. „578 Magnum“ hat irgendwie gar keinen richtigen Spaß am konsequenten Abräumen. Hùng killt nicht einen einzigen Lump so wirklich spektakulär. Die meisten wirken am Ende einfach nur k.o.! Brechende Genicke, zerberstende Gliedmaßen und blutige Schusswunden (zumal eh kaum geballert wird) mag der Film nicht zeigen.
Dazu hat man ab und an den Eindruck, entweder den Einstieg oder das Ende der Actionszenen verpasst zu haben. Das absolute Lowlight stellt dahingehend und ganz allgemein die zweite Actionszene um die weibliche Motorradgang dar. Diese ist brutal zerschnitten und vollkommen unübersichtlich montiert worden. Vermutlich musste hier kaschiert werden, dass die Damen allesamt keinen Martial-Arts-Hintergrund hatten. Dazu kommt, dass die Szene einfach zwischendrin aufhört und man vom Finish nur ein Foto auf dem Handy des Oberlumps zu sehen bekommt. Da fühlt man sich schon reichlich um seinen Spaß betrogen. Zum Glück legt der Film fortfolgend in seiner Action wieder einige Schippen drauf.
Diese ist, abgesehen von den genannten Problemen, sauber inszeniert, hübsch coreographiert und bietet immer mal wieder schön dynamische Kamerafahrten auf. Auch abseits der Action dominiert ein angenehm filmischer Look. Vor allem rund um die Lumpen wird von Kameramann Morgan Schmidt („Furie“) immer mal wieder der aktuell häufiger in Südkoreas Filmen zelebrierte Hochglanzlook mit schwarzen Karren und schwarzen Designeranzügen zelebriert.
Interessant ist zudem, dass „578 Magnum“ wenig auf Großstadtimpressionen setzt und stattdessen Freund und Feind durch die schönen Landschaften Vietnams scheucht. Werden dann mal befestigte Settings präsentiert, etwa der Umschlaghafen oder die Häuser der Fieswichte, die brutal an Paläste gemahnen, wird’s direkt spektakulär.
Darstellerisch macht Alexandre Nguyen („End of a Gun“) als schweigsamer Einzelgänger einen starken und einnehmenden Job. Dabei überzeugt er sowohl in den dramatischeren als auch in den physischen Momenten seiner Rolle. In den Nebenrollen sind einige Figuren nicht so gut gespielt. Vor allem die Kinderdarsteller wirken von ihren Rollen hier und da überfordert, sind aber zugegebenermaßen auch verdammt jung. Ansonsten bleibt nur noch die Opfermasse, die von nichtssagend bis leicht exaltiert reicht. In Erinnerung bleibt eigentlich nur der Oberlump, weil dessen Darsteller ihn mit einer beunruhigenden Eiseskälte versieht.
„578 Magnum“ könnte mehr reinhauen
Vor allem den Machern des amerikanischen B-Actionkinos sei mal ein ganz genauer Blick auf „578 Magnum“ empfohlen. Denn die Vietnamesen zeigen hier, dass es gar nicht viel Kohle braucht, um einen wirklich ordentlichen und vor allem unterhaltsamen Actioner auf die Beine zu stellen. Die Macher von „578 Magnum“ haben erkannt, dass es nicht darum geht, sinnlos teuren, abgehalfterten Stars einen schönen Lebensabend zu ermöglichen und statt auf Spektakel auf dummes Gelaber und noch dümmere Storys zu setzen. Niemand braucht miese CGIs und eine Optik, die ausschaut, als habe man sich selbige vor der Veröffentlichung noch einmal ordentlich durch die Kimme gezerrt.
Was es vielmehr braucht, ist eine Story mit Vortrieb, viel Action, sympathischen Helden, fiesen Fieswichten sowie schönen Bildern. Hilfreich ist auch der Wille, alles handmade zu reichen und allgemein ordentlich abzuliefern. Und trotz diverser, nicht wegzudiskutierender Mängel und einer hier und da mal kräftig holpernden Dramaturgie liefert „578 Magnum“ genau das – und ab und an sogar noch ein Quäntchen mehr. Das Ergebnis sollte jedem Actionfan zumindest ein Antesten wert sein.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 29. Februar 2024 von Dolphin Medien. Die Datenträger sind ab 16 freigegeben. Streamen kann man den Film natürlich auch. Dabei scheint uns in Deutschland eine Art internationale Fassung zu erreichen, denn laut Schnittberichte und Wikipedia soll in Vietnam eine Fassung mit 107 Minuten veröffentlicht worden sein. Vielleicht erklären sich darüber manch unrunde Übergänge und vor allem die verwunderliche Fähigkeit von Freund und Feind, immer punktgenau da aufzutauchen, wo es brennt, obwohl man davon in der internationalen Schnittfassung teils gar nichts wissen konnte. Die Kollegen von Schnittberichte präsentieren nun auch die Unterschiede zwischen internationaler und vietnamesischer Fassung.
In diesem Sinne:
freeman
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