Originaltitel: Taken 3__Herstellungsland: Frankreich__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: Olivier Megaton__Produktion und Drehbuch: Luc Besson u.a.__Darsteller: Liam Neeson, Maggie Grace, Famke Janssen, Forest Whitaker, Dougray Scott, Jonny Weston, Leland Orser, Jon Gries, Al Sapienza, Andrew Howard u.a. |
Was man direkt als erstes festhalten muss, ist, dass „96 Hours – Taken 3“ tatsächlich den Schritt wagt und vom „Entführungsfall der Woche“-Schema abgeht. An dessen Stelle tritt eine gehörige Portion „Auf der Flucht“, immer wieder angereichert mit kleineren „Taken“-Momenten.
Bryan Mills ist nach den Ereignissen in Teil I und II eigentlich glücklich und zufrieden. Seine Tochter Kim steht inzwischen auf eigenen Beinen und ist mit ihrem Freund zusammengezogen. Und auch seine Ex ist mit dem neuen Kerl in ihrem Leben auf dem Weg ins Glück. Doch von einem Tag auf den anderen ist es vorbei mit dem Idyll: Bryan findet seine Ex ermordet in seiner Wohnung. Die auftauchende Polizei muss ihn fast zwangsläufig für den Täter halten. Und so kommt es auch. Und da ihm die Beamten seine Unschuldsbeteuerungen nicht abnehmen, muss Bryan die Polizisten ausschalten und fliehen. Was seiner Glaubwürdigkeit freilich zusätzlich abträglich ist.
Während Mills nun versucht, den Mörder seiner Frau zu finden, heftet sich der Polizist Frank Dotzler an seine Fersen und verfolgt ihn verbissen. Und als wären dies nicht schon Probleme genug, gerät auch Bryans Tochter ins Fadenkreuz des Mörders seiner Frau…
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Bryan Mills jagt die Mörder seiner Frau. Frank Dotzler jagt Bryan. Und Bryan muss alles versuchen, um seine Tochter aus der Schusslinie zu bekommen. Spannender könnte die Ausgangslage für einen rasanten Actionthriller kaum sein. Sollte man zumindest meinen. Leider macht „96 Hours – Taken 3“ nichts aus seinen Möglichkeiten. Es gelingt ihm nicht einmal, eine gewisse Grundspannung zu etablieren. Das liegt vor allem daran, dass keine der drei Bedrohungen wirklich jemals greifen will:
Da „96 Hours – Taken 3“ mit der wahren Identität des Killers bzw. den eigentlichen Hintergründen ein wenig hinter dem Berg halten will, fehlt eine Person, auf die sich Bryan Mills Wut konzentrieren kann. Wer hofft, dass seine Ermittlungen spannend sein könnten, den muss ich leider enttäuschen. Diese verlaufen sehr unaufgeregt und basieren meist auf zufälligen Erkenntnissen. Da die Cops rund um Dotzler allesamt zu dumm sind und sich bei jeder Gelegenheit von Bryan austanzen lassen, kann man auch sie nie als Bedrohung ernst nehmen. Was noch dadurch verstärkt wird, dass das Skript den armen Forest Whitaker („Zulu“) als Dotzler immer viel zu spät kommen lässt, was auch ihn nicht wirklich fähig herüberkommen lässt. Und die Bedrohung von Kim ist mehr Behauptung als storyinhärentes oder -antreibendes Element.
Die Story selbst verläuft in arg vorhersehbaren Bahnen. Wer hinter dem großen Ganzen steckt, ahnt man schnell. Zwar versuchen die Drehbuchautoren Luc Besson und Robert Mark Kamen gegen Ende noch einen Twist einzubauen, doch auch dieser geht arg erwartbare Wege. So vorhersehbar die Story auch sein mag, muss man ihr dennoch zugute halten, dass sie etwas vom bewährten Schema abgeht und tatsächlich so etwas wie eine Figurenentwicklung erkennen lässt. Dahingehend sind die ersten 20-30 Minuten ziemlich toll, wenn wir Bryan in ganz vielen Situationen erleben, in denen er gar nicht stecken will. Es ist einfach toll, dem großen Brummbär zuzusehen, wie er von diversen zwischenmenschlichen Situationen vollkommen überfordert wirkt. Doch er steht diese geduldig aus, weil er eben durch die vorhergehenden Ereignisse in Teil I und II weiß, wie flüchtig Glück sein kann. Und so versucht er sein aktuelles Glück eben festzuhalten und fügt sich auch in wenig geliebte, ihm aufgezwängte Szenerien. Diese führen zu einigen Fremdscham-Momenten beim Publikum, werden durch Liam Neesons („Battleship“) tapsiges Spiel aber grandios austariert.
Nett sind auch kleine, gar nicht so dumme Referenzen ans eigene Franchise. Wenn etwa Dotzler am Telefon androht, dass er Bryan jagen und stellen werde, pariert Bryan dies mit einem „Viel Glück“. Genau die Phrase, die er einst als letztes zu hören bekam, als die Menschenhändler seine Tochter in „Taken“ entführt hatten. Fein ist auch, dass Mills Agentenkumpel endlich mal mehr zu tun bekommen. Auf der anderen Seite muss das Drehbuch immer wieder zu Taschenspielertricks greifen, um die Story in Bewegung zu halten. So baut man teilweise aus dem Nichts Spannungsmomente auf, die meist mit netten kleinen Actioneinlagen einhergehen. Diese enden allerdings immer wieder nach dem gleichen Schema: Mills wird in Todesgefahr gebracht, nur um hernach wie durch ein Wunder aus der Situation zu entkommen. Diese Spielerei wird in dem Film wirklich auf unangenehme Art und Weise wiederholt und lässt Mills und seine lebenserhaltenden Tricks und Kniffe fast schon in Richtung Roadrunner-Comics abgleiten.
Und damit sind wir bei einem der größten Problemherde angekommen: Der Action. Diese wird in „96 Hours – Taken 3“ nicht annähernd in den Frequenzen gezündet wie in „96 Hours“ aka „Taken“ und „96 Hours – Taken 2“. Diese hatten freilich den Vorteil, dass sie jeweils filmlange Verfolgungsjagden darstellten. Das kann Teil III ja nun nicht mehr bieten. Zumindest versucht Olivier Megaton („Transporter 3“) ganz oft die Actionkeule zu schwingen. Doch so wirklich hinlangen darf er nicht. „Taken 3“ ist in der vorliegenden Kinofassung so harmlos, dass dagegen selbst der viel gescholtene „The Expendables 3“ einer Brutalo-Orgie gleichkommt. In dem ganzen Film gibt es kein Blut zu sehen. Und das, wo man sich gerne mal mit großkalibrigen Waffen beharkt. Highlight bildet die Erschießung eines obenrum nackten Typen. Als man seinen Oberkörper heranzoomt, sieht man nichts weiter als zwei Brandlöcher. War wohl kein Mensch im eigentlichen Sinne. Auch die Kampfszenen von Mills lassen den gewohnten Impact vermissen. Was allerdings auch mit der etwas zu flotten Montage zusammenhängt, die die Choreografie nicht wirklich atmen lässt.
Prinzipiell hat der Film zwei größer skalierte Action-Highlights. Bei der ersten Szene werden möglichst viele Autos zerstört. Das Setting ist also eine Autobahn. Leider ist die Szene ein wenig unglücklich inszeniert, da sie über keine rechte Dramaturgie verfügt. Sie türmt einfach verschiedene Destruktionsmomente aufeinander, ohne dass diese in einem richtigen Zusammenhang stehen oder durch unseren Helden ausgelöst werden. Zynischer Höhepunkt ist ein sich verselbstständigender Container, der diverse Autos, theoretisch voll besetzt, platt walzt… Die zweite große Actionszene ist da schon wesentlich interessanter. In dieser wird ein Apartmentflur mal so richtig zerballert. Und wenn schon keine Menschenkörper zerschossen werden dürfen, darf wenigstens das Mauerwerk so richtig „bluten“. Das ergibt ein paar infernalische Momente, die mich ein wenig an Megatons Shootout-Großtat bei seinem Film „Red Siren“ erinnerte, wo ebenfalls mit Großkalibern eine Wohnung umgestaltet wird. Zwar verneinte Megaton im Gespräch bei der Premiere die Tatsache, dass diese Szene eine Referenz an seinen eigenen Film darstellt, aber er räumte zumindest ein, dass es durchaus legitim sei, wenn einem derartige Gedanken kommen.
Doch keine Sorge, die beiden Actionszenen sind nicht die einzigen Actioneinlagen des Filmes. Allerdings sind die verbleibenden Momente eher sehr kurz ausgefallen und treiben nur für wenige Sekunden den Puls hoch. Dabei sieht Liam Neeson sowohl in den langen als auch den kurzen Actionszenen gut aus. Der Ire wirkt topfit und man kann nur hoffen, dass er den Actionkurs noch ein wenig beibehalten wird. Zumal er seine Figur auch abseits der Action mit viel Leben zu füllen vermag. Sicherlich sogar mit weit mehr Leben, als es das Drehbuch vorgesehen hat. Als sein Verfolger agiert Forest Whitaker, der eine undankbare Rolle abbekommen hat. Weder darf er richtig Action machen noch Mills jemals zu nahe kommen. Wie in „The Last Stand“ schaut er eigentlich nur mit großen Augen zu, wie der eigentliche Held der Chose alles richtet. Dennoch muss man freilich auch festhalten, dass alleine die Gegenwart eines Hochkaräters wie Whitaker ordentlich Charisma in den Film pumpt. Famke Jansen („Wolverine: Weg des Kriegers“) und Maggie Grace („Lockout“) verkörpern ihre Rollen sehr gut, wobei vor allem bei Frau Grace auffällt, dass man ihre Figur bzw. ihre in Teil II angedeutete Kämpfernatur ganz schön zügelte für Teil III.
Am Ende bleibt ein Film, der vor allem mit dem Ursprungsteil des Franchises nicht mehr viel zu tun hat. Das ist zum einen positiv gemeint (eine durchaus andere Story, ein deutlich gewandelter Held), zum anderen aber auch sehr negativ: Das Raue, das Brutale, das Unmittelbare ist vollkommen raus aus dem Franchise. „96 Hours – Taken 3“ ist sonnendurchflutet und voller warmem Licht. Der Schauplatz L.A. verpasst dem Film beinahe von allein ein zu freundliches Bild. Beständig tönen irgendwelche Soft-Popsongs durch die Lautsprecher und Megaton schmeißt mit tollen Bildern nur so um sich. Doch irgendwie passt das alles nicht auf die Story. Auch ist Megatons Inszenierung, vor allem in der Action, ein wenig zu schnell und hektisch. Allgemein hat die Action einige gravierende Probleme. Sie fühlt sich vor allem unfassbar weichgespült an. Und letzten Endes ist auch die ach so neue Story von „Taken 3“ nur ein „Auf der Flucht“ Klon, in dem Neeson Harrison Ford und Whitaker Tommy Lee Jones ersetzt. Und anstelle des Einarmigen gibt es einen Bösewicht, den man am Ende in Feinripp-Unterhose herumtoben lässt… und ihn mal so richtig entwürdigt.
„96 Hours – Taken 3“ ist ab 8. Januar 2015 in den deutschen Kinos zu sehen. Eine FSK 12 sollte problemlos für die aktuelle Kinofassung drin sein.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
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Copyright aller Filmbilder/Label: Universum Film__Freigabe: ab ???__Geschnitten: ???__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 8. Januar in den deutschen Kinos. |