Originaltitel: Jing Cha Gu Shi 2013 / Police Story 2013__Herstellungsland: China__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Ding Sheng__Darsteller: Jackie Chan, Liu Ye, Jing Tian, Yu Rongguan u.a. |
Mag der Titel auch anderes verkünden, “Police Story – Back For Law” ist kein Blick nach hinten, sondern nach vorne. Mit der wohl wichtigsten Franchise in Jackie Chans umfangreicher Karriere hat dieser nunmehr sechste Ableger noch weniger zu tun als sein direkter Vorgänger aus dem Jahr 2004, vielmehr bietet er eine wilde Collage an zukunftsweisenden Genre- und Stilrichtungen an, die ohne Rücksicht auf innere Kohärenz zusammengestellt wurde und an welcher sich der Zuschauer mit der Spontaneität eines Urlaubers bedienen darf, der auf seiner Hotelanlage soeben ein reich gedecktes Buffet entdeckt hat, das jeden Geschmack von A bis Z bedienen soll. Die kulinarische Reise reicht vom Vater-Tochter-Drama über das altgediente Stirb-Langsam-Konstrukt bis hin zur multiperspektivischen Episoden- erzählung eines zentralen Ereignisses wie in “8 Blickwinkel” oder “11:14”, angereichert mit weiteren Stilmitteln, die den chronologischen Ablauf der Handlung manipulieren, etwa diverse Rückblenden oder Holmes’sche Schlussfolgerungen aus Situationsabläufen, die auch visualisiert werden und den Betrachter desorientieren sollen, wenn ein vermeintliches Geschehnis sich lediglich als deduktives Gedankenspiel einer Figur entpuppt.
Infolge dessen ergeben sich massive Probleme für die Glaubwürdigkeit des Films: In den seltensten Fällen passen Inhalt und gewähltes Stilmittel zusammen, so dass gerade die dramatischen Elemente – befeuert noch durch den weinerlichen Score und manch schwülstigen Dialog – aufgesetzt und der Situation nicht angemessen erscheinen. Das rührt auch daher, dass viele der (äußerst unsauberen) Übergänge einen unschönen, weil künstlich wirkenden Aha-Effekt mit sich führen.
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Auf diese Weise versucht man uns auch den dramatischen Kern zu verkaufen. Indem nach und nach weitere Puzzlestücke über die Vorgeschichte des Polizisten und seiner Tochter zu Tage treten, soll man der Figur näher kommen, was aber schon deswegen nicht gelingt, weil der Hauptdarsteller relativ teilnahmslos und auch kurz angebunden wirkt – selbst dann, wenn es im Finale, wo einmal mehr der klassische Western-Standoff in ein urbanes Setting gelegt wird, ans Eingemachte geht.
Chans schon vor Jahren geäußerter Wunsch, sich dem Charakterfach zu nähern, wird dennoch sukzessive erfüllt; er darf betont oft in psycho- logischer Funktion auf den Plan treten und findet sich über weite Strecken in Situationen der Anspannung, die jenen zahlreichen Momenten seiner Karriere widersprechen, in denen eher die Entladung auf dem Plan stand. Die wenigen Körperkontaktszenen wirken dafür eher müde und scheinen auf der letzten Reserve zu laufen (was allerdings zur Figur passt), die punktuell auftretende Action definiert sich über kleine Episoden wie den Autoüber- und Kugel-in-Schulter-Ein- schlag oder den Muay-Thai-Käfigkampf – fremdkörperartige Einschübe, die mit der Haupthandlung zu keinem Zeitpunkt harmonieren.
Die Optik wird bestimmt vom kalten Neon-Design des Hauptschauplatzes, einer Szenebar, die Modern-Art-Architektur mit der technoid-futuristischen Wirkung eines Labyrinths aus Lüftungsrohren kreuzt und diesen Rahmen mit Unmengen von symbolischem Tand ausstaffiert. Das abstruse Setting nutzt der Regisseur für manch beeindruckende Bildaufteilung, die dann aber als Kunstobjekt in der Regel ebenso im Sande verläuft wie all die kleinen Nebenepisoden, mit denen man den Knochen um das Vater-Tochter-Drama ungeschickt zu füllen versucht.
Dass ausgerechnet Ding Sheng für diese kopflose Flucht nach vorne verantwortlich zeichnet, ist bemerkenswert; er ist immerhin der Regisseur von „Little Big Soldier“ (2010), dem bis dato letzten durchweg überzeugenden Jackie-Chan-Film, der das Lehrer-Schüler-Prinzip geschickt auf die lange Karriere der Martial-Arts-Legende anwandte und somit eine schöne Retrospektive bot. „Police Story: Back For Law“ ist als wirrer Zukunftsweiser das komplette Gegenteil dessen, wobei nicht der Wechsel der Perspektive das Problem ist, sondern die unübersichtliche Methodik, mit der dabei operiert wurde.
Sascha Ganser (Vince)
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