Originaltitel: Grey, The__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2012__Regie: Joe Carnahan__Produktion: Tony und Ridley Scott u.a.__Darsteller: Liam Neeson, Dermot Mulroney, Frank Grillo, James Badge Dale, Joe Anderson, Nonso Anozie, Dallas Roberts, Larissa Stadnichuk, Ben Bray, James Bitonti u.a. |
Nachdem Liam Neeson im in Deutschland zeitgleich gestarteten „Battleship“ eher unter ferner liefen rangiert, darf er „The Grey“ nun quasi im Alleingang tragen. Als John Ottway besteigt er mit diversen anderen Arbeitern einer Ölbohrfirma, die in Alaska tätig ist, den Flug in die weit entfernt liegende Heimat. Doch das Flugzeug gerät in Turbulenzen und stürzt ab. Nur sieben der Insassen überleben und versuchen ab sofort, zu überleben. Kein leichtes Unterfangen, denn das Flugzeug stürzte in das Revier eines äußerst aggressiven Wolfsrudels, das die Überlebenden nach Belieben dezimiert …
Die Natur und ihre Survival of the Fittest Regularien waren schon häufiger Thema in diversen Thrillern, die aufzeigten, dass der Mensch sich gerne als Krone der Schöpfung empfinden darf, zurückgeworfen auf sich selbst und seine Urinstinkte und ohne seine technischen Errungenschaften aber nur ein armes Lichtchen ist und schnell zum Spielball der Naturgewalten werden kann. Dies ist auch Thema des harschen, rohen und unglaublich konsequenten Survivalthrillers „The Grey“, der traumwandlerisch sicher einen verzweifelten Überlebenskampf bebildert, der mit einer Urgewalt immer auswegloser und atemberaubender wird. Dabei steigt Regisseur Joe Carnahan, der nach diversen Ausrutschern endlich wieder einmal beweist, dass man noch mit ihm rechnen muss, ungewöhnlich feinfühlig ein. Zu entrückter Musik entwirft hier ein irre souveräner Liam Neeson monologisierend das Bild von einem gebrochenen, lebensmüden Mann, der nur wenige Gründe findet, sich nicht selbst das Hirn rauszupusten. Dies wird durch seinen eigenwilligen Job, er beschützt die Arbeiter bei ihren Tätigkeiten vor aggressiven Tieren, nicht besser.
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Doch der Absturz erweckt Johns Lebensgeister zu neuem Leben! Er will um jeden Preis die Überlebenden und sich selbst durchbringen. Ein hehrer Wunsch, wie sich herausstellen soll, denn nicht nur die Wölfe betrachten die Arbeiter als Eindringlinge in ihr Revier. Die Natur an sich scheint es ganz genau so zu sehen. So wird der Trupp Überlebender empfindlich ausgedünnt und steigt im Zuschauer ein zunehmendes Gefühl der Beklemmung auf. Denn dass dieser Film kein gutes Ende nehmen wird, zeichnet sich sehr früh ab. Auch durch die Bebilderung des Streifens, die in Verbindung mit urgewaltigen, diverse Dialoge schluckende Soundwände Bilder einer unberührten Natur entwirft, die einen unwillkürlich frösteln lassen. Dazu kommt eine ungewisse, flirrende, verunsichernde Musik, die die Ausweglosigkeit der „Helden“ nur unterstreicht.
Und doch finden sich inmitten dieser rohen, mit grobkörnigem Filmmaterial gefilmten Vorhölle Momente vollendeter Schönheit: Seien es die großartigen, epischen Naturpanoramen, fast schon meditative Bilder von fallendem Schnee oder die langen Einstellungen von Liam Neesons wettergegerbten Gesicht. Großartig auch die Momente, in denen sich John zu seiner Frau sehnt. Hier setzt der Film auf totale Stille, weichgezeichnete, lichtüberflutete Bilder, die Hoffnung aufkeimen lassen … Trügerische Hoffnung, denn Carnahan baut einige seiner effektivsten Schockmomente in genau jene stillen Szenen ein. Genannt sei dahingehend auch eine großartige Szene, in der ein Arbeiter nach einem heftigen Sturz träumt, seine Tochter würde ihre Haare durch sein Gesicht streifen lassen. Einen Schnitt später sieht der schockierte Zuschauer, wie ein Wolf ihm das Gesicht zerfetzt. Diese heftigen Wechsel zwischen fast schon poetisch schönen Momenten und der markerschütternd brutalen Wirklichkeit zerfetzen einem dann endgültig das Nervenkostüm.
Mittendrin ein unglaublicher Liam Neeson, der alle anderen Figuren, die Natur und selbst die Wölfe zu Nebendarstellern degradiert. Wenn er mit kehliger Stimme und voller Wut Gott als „Arschloch“ beschimpft und Glauben und Gottesfürchtigkeit in Frage stellt, nur um kurz darauf zu beschließen, sich selbst aus der Scheiße zu ziehen, stellen sich dem Zuschauer die Nackenhaare auf. So wuchtig, so punktgenau, so übergroß hat man Neeson noch nie gesehen und man mag kaum Glauben, dass die Natur in einem nichtfilmischen Konflikt eine Chance gegen Neeson hätte. Die restlichen Figuren werden zwar eher oberflächlich gezeichnet, doch ihre Darsteller machen das Bestmögliche aus ihren Rollen. Dies und die relativ unvorhersehbare Reihenfolge ihres Ablebens verschaffen „The Grey“ eine hübsche Spannungskurve.
Dennoch ist „The Grey“ leider nicht perfekt. Denn ausgerechnet die Antipoden und damit die Wölfe funktionieren nicht hundertprozentig. Oft griff man in Schlüsselszenen augenscheinlich auf nicht so gelungene CGI Kreaturen zurück. Ein natürlich absolut nachvollziehbarer Kniff, will man ja auch als Zuschauer, dass weder Darsteller noch Tiere unnötig in Gefahr gebracht werden, aber ein Wolf aus der Retorte ist eben genau das: Ein künstliches Wesen, dem eigentlich genau das abgeht, was den Film davon abgesehen so brillant macht: Seine raue Realität und die schroffe Natürlichkeit. Glücklicherweise setzt der Regisseur aber gar nicht soooo oft auf seine tierischen „Monstren“, vielmehr ist es die Ahnung der lauernden Gefahr, Wolfsgeheul und das Knacken des Unterholzes, was sowohl die Filmfiguren als auch die Zuschauer den letzten Nerv kostet.
Ein weiteres Problem ist, dass es Carnahan beim Ableben von zwei Figuren etwas zu gut meint und gar heftig mit der Betroffenheitskeule wedelt, beinahe sogar ins Kitschige abkippt. Einer dieser Momente, ungünstig vor dem Showdown platziert, verpasst dem Film sogar eine empfindliche Länge. Doch danach zieht „The Grey“ wieder an und präsentiert ein wirklich irre grausames Ende eines Charakters, der eigentlich nur Millimeter von seiner Rettung entfernt ist. Hernach mündet „The Grey“ in ein präzises Finale, das sogar Tränen zu ziehen vermag und in einem Schlussbild gipfelt, in dem zwei Leitwölfe mit aller natürlichen Urgewalt aufeinanderprallen…
Ein Mal noch in die Schlacht,
in ein letztes gutes Gefecht.
Lebe und stirb heute Nacht.
Lebe und stirb heute Nacht.
Die perfekte Abrundung des meines Erachtens intensivsten, brutalsten und rüdesten Survivalthrillers überhaupt, der gleichzeitig so voller wunderschöner Szenen ist und mit einem absolut genialen Liam Neeson geadelt wird. Ein Ereignis von einem Film!
Der Film kommt auf DVD und Blu Ray von dem Label Universum Film und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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