Originaltitel: Sin City 2: A Dame to Kill for__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2014__Regie: Frank Miller, Robert Rodriguez__Darsteller: Bruce Willis, Mickey Rourke, Josh Brolin, Eva Green, Jessica Alba, Rosario Dawson, Joseph Gordon-Levitt, Juno Temple, Jaime King, Jamie Chung, Lady Gaga, Ray Liotta u.a. |
Auch in „Sin City 2: A Dame To Kill For“ erwacht Marv neben einer Leiche. Neben einer Handvoll Leichen, um genau zu sein. Und wieder erinnert sich der schrankwandgroße Typ an gar nichts. Doch Marv wäre nicht Marv, wenn er nicht versuchen würde, heraus zu finden, was passiert ist. Mit ihm tauchen wir erneut ein in die verkommene Stadt Basin City. Ein Moloch. Die Hölle auf Erden. Und eine Einbahnstraße in Richtung Tod für eine Gruppe Kleinkrimineller, die sich schlichtweg mit dem Falschen angelegt haben. Mit Marv. Nach dieser kurzen Episode dreht sich alles um Dwight. Ein abgehalfterter Ex-Fotograf, der für ein entlarvendes Foto einer Affäre eines wichtigen Geschäftsmannes alle Mühen auf sich nimmt. Doch noch am gleichen Tag soll sich sein Leben grundlegend ändern. Denn Dwight hat ein Treffen mit ihr: Mit Ava, lebender Inbegriff einer Femme Fatale, die Dwight schon einmal ins Unglück gestürzt hat. Und obwohl Dwight aufgrund seiner gemeinsamen Vergangenheit mit ihr gewarnt sein sollte, kann sie ihn wieder um den Finger wickeln. Kopflos stürzt Dwight in einen wahren Höllenritt…
Zur gleichen Zeit versuchen sich gleich zwei Menschen an Senator Roark, seines Zeichens Vater des Yellow Bastards, zu rächen: Zum einen wäre da Nancy, deren Beschützer Hartigan bei der Jagd auf den Yellow Bastard einst alles verloren hatte und sie alleine auf dieser finsteren Welt zurückließ. Und zum anderen hätten wir da Johnny, einen begabten Glücksspieler, dessen Intention, den Senator zu attackieren, nicht wirklich klar ist… Willkommen in Basin City, der Stadt der Sünde!
httpv://www.youtube.com/watch?v=jQ0WNadYnvc
Beginnen wir den offiziellen Kritikteil doch einfach einmal mit einer Art Fazit: „Sin City 2“ bietet grandiose Bilder und eine dichte Atmosphäre und ist eine tolle Huldigung des Film-Noirs im Allgemeinen und Frank Millers im Besonderen. Das Blöde für „Sin City 2“ ist allerdings, dass es genau das schon gab. „Sin City“ exerzierte genau diese Vorteile bereits grandios durch, wirkte zudem komplexer verschachtelt und intelligenter erzählt und hatte meines Erachtens schon hinreichend bewiesen, was es zu beweisen galt: Ja, es ist möglich, eine Comicvorlage originalgetreu und Bild für Bild auf Film zu bannen – auch wenn sich der tiefere Sinn hinter dem Vorgehen schon bei Teil 1 stark einer Deutung entzog. Und ja, pulpige Storys aus der Halb- und Unterwelt verpackt in die Optik eines Film Noirs funktionieren eigentlich so gut wie immer.
Die große Frage lautet also: Warum braucht es einen zweiten Teil? Vor allem, wenn er so spät erscheint wie es „Sin City 2“ im Vergleich zum Vorgänger passiert. Und das ist letzten Endes auch das Hauptproblem von „Sin City 2: A Dame To Kill For“: Er ist schlicht und ergreifend viele Jahre zu spät herausgekommen. Der gleiche Film hätte ein oder zwei Jahre nach dem ersten Teil vermutlich ordentlich am Box Office abgeräumt. Weil er eben eine unmittelbare Weiterführung von etwas Originärem und durchaus Originellem gewesen wäre. Heute ist an „Sin City 2“ nichts mehr originell. All das, was „Sin City 2“ aufzubieten vermag, haben andere Filme inzwischen anderweitig zur Perfektion gebracht. „300“ ist noch mehr Motion Comic als es „Sin City“ je war! Und selbst Frank Miller, Schöpfer der „Sin City“-Comics und Mitverantwortlicher hinter der filmischen Umsetzung seiner eigenen Heftchen, hat mit „The Spirit“ wiederholt, was Rodriguez in „Sin City“ vorexerzierte.
Abgesehen von derart originalgetreuen Comicum- setzungen erleben wir gerade den ultimativen Boom der Verfilmung von Comic-Heftchen. Jede Graphic Novel, jede Comicreihe und jeder Held, der irgendwann einmal in einem Comicalbum zum Leben erweckt wurde, scheinen reif zu sein für die Kinoleinwand. Und beispielsweise die Marvel-Filme setzen einen Markstein nach dem anderen und beweisen immer wieder aufs Neue, dass man die Helden der Comicreihen auch freier interpretieren kann und seine Originalität nicht daraus schöpfen muss, sogar den Schattenwurf einzelner Comic-Panels originalgetreu nachzuahmen. Leider hat das Robert Rodriguez keiner gesagt. Oder vielleicht hat er einfach gehofft, dass nach seinen letzten Flops in Reihe ein neuer Ausflug gen Basin City seine Formkurve wieder nach oben steigen lassen würde?
Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass Rodriguez früh hätte ahnen müssen, dass sein Projekt von der Zeit überholt wurde. Spätestens bei den notwendig gewordenen und den Zuschauer extrem verwirrenden Schauspielerwechseln hätten bei Herrn Rodriguez eigentlich die Alarmglocken läuten sollen. Tja, und so ersetzt nun Josh Brolin Clive Owen als Dwight. Der problematischste Wechsel, weil beide Schauspieler vom Typ doch relativ verschieden sind und Dwight eine Schlüsselfigur in „Sin City 2“ darstellt (Zumindest wird in der Comicvorlage und auch im Film hinreichend erklärt, wieso Dwight durchaus extrem unterschiedlich aussehen kann.). Eine unfassbar miese Jamie Chung ersetzt die ebenfalls recht miese Devon Aoki als Miho und Dennis Haysbert ersetzt den inzwischen gar verstorbenen Michael Clarke Duncan als Manute. Manute ist gerade deshalb so haarig, weil „Sin City 2“ – wie die Comicvorlagen – einen etwas seltsamen Umgang mit der Erzählzeit pflegt. Denn der Streifen spielt in seiner Gesamtheit sowohl vor, nach und während Teil 1, ohne dort aufgerissene Lücken wirklich zu stopfen. Und so braucht es in Teil 2 schon eine ganze Weile, bis man Manute und die um ihn herum agierenden Personen wieder in der Mythologie eingeordnet hat.
Auch andere Problemfelder des Vorgängers bleiben evident. Für mich bleiben auch nach Teil 2 die gesetzten Farbkleckse in der monochromen Umgebung ein bloßes optisches Gimmick. Diese gibt es im Übrigen in den Comicvorlagen so gut wie gar nicht (Eine Ausnahme ist etwa der Yellow Bastard). Und immer, wenn man in „Sin City 2“ meint, durchschaut zu haben, wieso Rodriguez die Farbkleckse setzte, haut er in der nächsten Szene all diese Annahmen wieder über den Haufen. Warum leuchtet etwa das vergossene Blut auf den Helden rot, während es bei den Splattereinlagen strahlend weiß ist? Warum leuchten mal nur die unschuldigen Charaktere des Streifens und dann wieder auch die miesen Säcke? Es bleibt ein sinnfreies Gimmick. Optisch nett, aber in Teil 2 nun so inflationär oft eingesetzt, dass es jedwede Wirkung verliert.
Was man bei „Sin City 2“ auch ein wenig vermisst, ist das Giftige des Vorgängers. Bis auf das erstaunlich rigorose Ableben eines vermeintlichen Helden gibt es nicht einen einzigen Aha-Moment. Selbst ein cooles Anti-Image Casting wie jenes von Elijah Wood als Killer in Teil 1, sucht man absolut vergebens. Überraschungen sind allgemein kein wirklicher Bestandteil des zweiten Teils. Wo „Sin City“ ab und an noch unberechenbar wie ein tollwütiger Hund voran raste, weiß man in Teil 2 immer, was als nächstes passieren wird.
Zumindest schlagen sich die meisten Darsteller wirklich gut. Einige werden zwar leider ziemlich verschenkt (etwa Ray Liotta („The Place beyond the Pines“) als Wüterich), andere hätte man nicht wirklich gebraucht (kann es sein, dass Rodriguez einen Narren an Lady Gaga („Machete Kills“) gefressen hat?) und wieder andere sind so mies, dass man nicht verstehen kann, wieso sie Rodriguez in seiner letztendlichen Schnittversion nicht rausgeschmissen hat (Jamie Chung („Premium Rush“) muss hier einfach nochmal erwähnt werden!). Dagegen schlägt sich Josh Brolin („Gangster Squad“) gut, auch wenn ihm die Anlage seiner Rolle nicht viel abverlangt. Das absolute Highlight ist freilich Eva Green („300: Rise of an Empire“) als Femme Fatale, die sich splitterfasernackt durch die Handlung schlängelt und immer zum entscheidenden Zünglein an der Waage mutiert. Sie passt auch optisch einfach perfekt in die beschworene Film Noir Stimmung. Bruce Willis („Stirb Langsam“) bestreitet ein besseres Cameo, was allerdings in der Vorlage begründet liegt, und auch Jeremy Piven („Edge of Tomorrow“) oder Dennis Haysbert („Battledogs“) spielen keine richtige Rolle für den Film, machen in ihren Rollen aber Laune. Jessica Alba („Machete“) überrascht im Grunde am meisten. Ihr geht die Veränderung ihres Charakters richtig gut von der Hand und ihr gemeinsamer Rachefeldzug mit Mickey Rourke („The Expendables“) alias Marv macht richtig Laune! Und Marv ist sowieso der heimliche Held dieser Chose. Powers Boothe („Die rote Flut“) darf in seiner Rolle endlich richtig fies sein und Joseph Gordon-Levitt („Looper“) fügt sich formidabel ins Ensemble ein. Kleinere Cameos bestreiten Christopher Lloyd („Piranha 3D“), Jaime King („Demon Days“) und Juno Temple („Lovelace“) und auch Rosario Dawson („Fire with Fire“) kommt diesmal nur kurz zum Zug.
In Sachen technischer Umsetzung muss man nicht viel sagen. „Sin City“ sieht aus wie „Sin City“ und sieht aus wie „Sin City“. Sprich: Teil 1 sieht aus wie Teil 2 und beide Teile sehen aus wie die Comicvorlagen. Schwarzweiße Bilder dominieren. Den Hintergründen haftet immer etwas surreal Künstliches an, was aber einfach perfekt passt. Natürlich wurde in Sachen Backlot-Technik inzwischen viel verbessert, was es auch Rodriguez erlaubt, noch fantastischere Bilder zu entwerfen. Der große Aha-Effekt bleibt aber auch hier aus. „Sin City“ hat ihn vorweggenommen und für sich behalten. Ein absoluter Mehrwert und eigentlich die einzige Verbesserung von Teil 2 gegenüber Teil 1 ist die frappierende, absolut geniale, mitten in den Film hineinziehende 3D-Technik. Selten knallte das 3D mehr als hier! Zumal Rodriguez auch die Jahrmarktfähigkeiten der Technik erkannt hat und immer mal Gegenstände in den Raum ragen lässt.
Actiontechnisch wirkt „Sin City 2“ ein wenig gebremster als der Vorläufer. Es gibt größere Actionszenarien, die sind aber beinahe ein wenig zu überstilisiert und haben darum nicht ganz den Impact wie jene in „Sin City“. Auch geht das Ganze nun viel deutlicher in Richtung Fun Splatter. Bei einer 360 Grad Rundumenthauptung mehrerer Bäddies auf einen Streich zitiert Rodriguez gar seinen letzten Machete. Und der gibt die Marschrichtung gut vor: Alles ein wenig zu übertrieben, zu überdreht und zu comicartig. Eine FSK 16 Freigabe sollte bei Teil 2 nun auch mühelos drin sein. Anderenfalls müsste die FSK schon einen sehr schlechten Tag haben.
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass spätestens zwei Jahre nach „Sin City“ keiner mehr auf eine Fortsetzung gewartet hat. Und genauso fällt der Film letzten Endes auch aus. Er bietet keinerlei Überraschungen. Keinerlei Mehrwert. Er setzt einfach Teil 1 fort. Mit einigen krassen Zeitsprüngen, bei denen man mehr als einmal überlegt, ob die daraus entstehende Zeitlinie so eigentlich noch korrekt/logisch ist. Die diversen Darstellerwechsel bekommen dem Film gar nicht. Zudem ist „Sin City 2“ deutlich weniger komplex erzählt. Auch das Tempo will nicht immer passen und in den Nebenrollen schleichen sich einige echte darstellerische Komplettausfälle ein. Optisch ist das gesamte Unterfangen ein Augenschmaus, das zudem ein wenig runder wirkt als der Vorläufer. Bis auf den genialen 3D Effekt gibt es hier aber andererseits auch nichts Neues und Unerwartetes zu sehen. Und genau das ist das größte Problem: Wo Teil 1 noch eine echte cineastische Wundertüte war, die bei allen definitiv vorhandenen Problemen noch größtenteils zu unterhalten wusste, ist Teil 2 vor allem eines: Absolut belanglos. Was meiner Meinung nach allerdings auch an der Vorlage zum Film liegt, die dem Femme-Fatale-Thema keine neuen Twists zu entlocken wusste und immer in vorhersehbaren Bahnen verlief.
Unterm Strich wollte ich zunächst nur 4/10 Punkte verteilen. Nun ist es allerdings so, dass man mit den Storys um die Rachefeldzüge von Joseph Gordon-Levitt und Jessica Alba auch Inhalte in „Sin City 2: A Dame To Kill For“ findet, die Frank Miller exklusiv für diese Verfilmung kreierte und die man demzufolge noch nicht aus den Graphic Novel Vorlagen kennen kann. Für diesen „Mut zum Neuen“ bzw. für diese Erweiterungen des mir bekannten „Sin City“-Universums erhöhe ich um einen Punkt auf…
„Sin City 2: A Dame To Kill For“ kann ab Donnerstag, den 18. September 2014, in den deutschen Kinos bestaunt werden und kommt von Splendid Film/Sony Pictures.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Splendid Film/Sony Pictures Releasing GmbH__FSK Freigabe: ab ???__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 18 September in den deutschen Kinos |