Am 18. September 2014 ist „Sin City 2: A Dame To Kill For“ in den deutschen Kinos angelaufen. Für den Film entwickelte Frank Miller zwei neue Storylines, die auf die Titel „Nancy’s Last Dance“ und „The Long, Bad Night“ hören. Diese erweitern das „Sin City“-Universum um bisher unbekannte Details und lassen hoffen, dass Frank Miller vielleicht auch abseits der Filme noch einmal Lust entwickelt, nach „Sin City“ zurückzukehren und uns mit neuen Storys aus der Stadt der Sünde zu beglücken. Die beiden anderen Storylines („A Dame To Kill For“ und „Just Another Saturday Night“) dagegen beruhen auf bereits veröffentlichen Storys des Comickünstlers. Beide wollen wir euch in diesem Artikel ausführlicher vorstellen…
Sin City: Eine Braut, für die man mordet
In „Eine Braut, für die man mordet“ („A Dame To Kill For“) dreht sich alles um Dwight McCarthy. Ebenjener Dwight, der bereits in dem Film „Sin City“ in der Episode „Das große Sterben“ eine wichtige Rolle inne hatte. Allerdings findet diese Episode zeitlich gesehen erst nach „Eine Braut, für die man mordet statt“ UND Dwight sieht in beiden Episoden sowohl im Comic als auch im Film komplett unterschiedlich aus? Verwirrt? Dann mal ganz langsam…
Dwight ist am Bodensatz der Gesellschaft angekommen. Der ehemals hochangesehene Fotograf, der für diverse Nachrichtenblätter die besten Bilder schoss, ist inzwischen als Privatdetektiv tätig und verdient sein Geld mit pikanten Fotos von treulosen Ehesäcken. Wie er so abstürzen konnte? Nun, Schuld ist wie so oft eine Frau. Ava. Diese ließ ihn aus heiterem Himmel zugunsten eines reichen Geldsackes sitzen. Daran zerbrach Dwight und er begann zu saufen. Ein ungebremster Absturz folgte. Jahre später hat er zumindest seinen Alkoholismus unter Kontrolle.
Da ruft ihn plötzlich seine Ava an! Dwight versucht sich einzureden, dass er lieber einen großen Bogen um sie machen sollte, doch er kann nicht widerstehen und verabredet sich zu einem Treffen mit ihr. Dieses Treffen beginnt sie mit einer scheinbar ernstgemeinten Entschuldigung und dann bricht es sogleich aus ihr heraus. Ihr jetziger Ehemann missbrauche und schlage sie und sein übermenschlicher Chauffeur Manute folge ihr auf Schritt und Tritt. Da taucht plötzlich tatsächlich Manute auf, um sie von Dwight wegzubringen.
Obwohl Dwight es besser wissen müsste, ertappt er sich mehrfach bei dem Gedanken, Ava helfen zu wollen. Als sie plötzlich auf seiner Türschwelle steht, kann er nicht mehr an sich halten und fällt über sie her. Wieder ist es Manute, der ihre Zusammenkunft beendet und Dwight ordentlich verwackelt. Nun hat Dwight Blut geleckt und er versucht, den Vorgängen in Avas Haus auf den Grund zu gehen. Dabei wird er jedoch ertappt und halb tot geschlagen. Wieder genesen richtet er sich an seinen ehemaligen Saufkumpan Marv und bittet ihn, mit ihm gemeinsam in Avas Anwesen feucht durchzuwischen. Mit aller Gewalt dringen die beiden in das Anwesen ein und schalten diverse Bodyguards aus. Als Dwight Avas neuem Mann gegenübersteht, fackelt er nicht lange und nietet ihn um.
Doch „seine“ Ava zeigt sich nicht wirklich dankbar. Vielmehr offenbart sie nun ihr wahres Gesicht. Und nimmt Dwight das Seine…
Das klassischste aller Film noir Motive
Die Überschrift deutet es bereits an: „Eine Braut, für die man mordet“, der zweite Band Millers rund um Basin City, führt das mit Band eins („Stadt ohne Gnade“) begonnene „Sin City“-Konzept weiter und gießt die bekanntesten Film noir Klischees in neue Geschichten. Also zumindest machte Frank Miller das bei den anderen Bänden seiner „Sin City“-Reihe. Bei „Eine Braut, für die man mordet“ dagegen fällt dem Künstler irgendwie gar nichts Neues zum Thema Femme Fatale ein. So verfolgen wir das Treiben einer verführerischen Dame, die mit ihrem Sex und ihren Maschen jeden Mann um den Finger wickeln kann und ihn in sein Verderben treibt. Leider ist dieses Film noir Klischee gefühlt eines der meist verwendeten überhaupt, weshalb wirklich alles an dieser Geschichte seltsam vorhersehbar wirkt.
Als Leser und Fan des „Sin City“-Universums hofft man beständig, dass Frank Miller noch einer dieser Kniffe einfallen möge, die die anderen Bände so interessant gemacht haben. Aber diverse Möglichkeiten verstreichen immer wieder ungenutzt. Da wird Manute beinahe ins Extrem überhöht und als etwas Übermenschliches gezeichnet, einen positiven oder überraschenden Effekt auf die Story hat er aber nie. Und Dwights Gesichts-Op, die ihn startauglich für weitere Episoden macht (siehe „Das große Sterben“), verpufft vollkommen und hat keinerlei Auswirkungen auf die Geschichte.
Die Unterschiede zum Film „Sin City 2: A Dame To Kill For“
Robert Rodriguez verlieh mit „Sin City“ so ziemlich als erster dem Begriff originalgetreue Comic-Adaption eine vollkommen neue Dimension. Seine Umsetzung der Vorlage von Frank Miller war mehr ein Motion Comic als ein Film. Und dieses Prinzip setzt er bei „Sin City 2: A Dame To Kill For“ folgerichtig fort. Dabei setzt er den Band „Eine Braut, für die man mordet“ fast 1:1 auf die große Kinoleinwand um. Er behält die Dialoge originalgetreu bei, arrangiert seine Filmbilder nach den gezeichneten Comic-Panels und kopiert sogar den Schattenwurf aus der Vorlage bis aufs i-Tüpfelchen. Das Problem für Kenner der Vorlage: Die ohnehin schon sehr vorhersehbare Story wird nun noch vorhersehbarer.
Unterschiede muss man ergo mit der Lupe suchen: So strich Rodriguez den Charakter Agamemnon aus der Vorlage. Der schmierige Typ ist im Comic Dwights Auftraggeber für die schlüpfrigen Fotojobs, steht seinem besten Fotografen aber auch zur Seite, wenn es eng für ihn wird. Warum Rodriguez auf die Figur verzichtete, ist mir persönlich leider nicht bekannt.
Des weiteren strich Rodriguez einige Momente rund um die Cops, die Dwight nach dessen Mordanschlag auf Avas Mann verfolgen und sich in Person von Mort ebenfalls von Ava einwickeln und instrumentalisieren lassen. Diese Szenen sind ganz offensichtlich zugunsten eines schnelleren Pacings über Bord gegangen. Dagegen darf sich Avas Ehemann in der Filmvorlage deutlich mehr produzieren und hat einen richtig langen Dialog mit Dwight abbekommen. Im Comic ist sein Schicksal recht rigoros und sehr schnell besiegelt. Und im Finale wird Manute im Comic etwas mehr in die Mangel genommen als im Film, wo sein Abgang doch sehr unspektakulär ablief.
Die über den ganzen Film hinweg offensichtlichsten Unterschiede zum Comic bestehen darin, dass es in der Comicvorlage keinerlei Form von Farbklecksen zu bestaunen gibt. Des Weiteren erlaubt Frank Miller in seinen Comics bis auf einige weit entfernte Totalen eigentlich kaum Blicke auf die Architektur von Basin City. Alles, was man in den Filmen an Häusern, Straßenzügen usw. zu sehen bekommt, wurde extra für die Verfilmungen aus dem Boden gestampft.
Sämtliche weitere Unterschiede sind eigentlich Makulatur. So sehen manche Schauspieler den Originalfiguren so gar nicht ähnlich (Jeremy Piven etwa hat als Polizist Bob mit der gezeichneten Vorlage nicht einmal im Entferntesten etwas gemein) und an manchen Stellen machen No-Nudity Clauses aus scharfen Stripperinnen wie Nancy eine eher rhythmische Sportgymnastik betreibende Jessica Alba (Wobei ihr letzter Tanz in „Sin City 2: A Dame To Kill For“ sehr sehr heiß geraten ist.). Aber wie gesagt, das sind mehr als verschmerzbare Abweichungen.
Die zweite Story, die man für „Sin City 2“ aus den Comic-Vorlagen von Miller entlehnte, wurde direkt ohne irgendwelche Abweichungen auf Film gebannt. Damit kommen wir zu…
Sin City: Bräute, Bier und Blaue Bohnen
„Bräute, Bier und Blaue Bohnen“ bündelt mehrere Kurzgeschichten aus dem „Sin City“-Universum. Dabei werden auch neue Figuren eingeführt, häufiger jedoch treten bereits etablierte Charaktere auf. So eben auch Marv in der Story: „Ein ganz normaler Samstagabend“. Hierbei erwacht Marv in einem Chaos aus Fleisch und Metall. Mehrere Autos sind ineinander verkeilt. Drumherum liegen tote Körper. Nur Marv kann sich an nichts erinnern. Nur allmählich kann er sich wieder entsinnen, dass der Abend damit begann, dass er ein paar Jugendliche verfolgte, die einen Penner in den Straßen von Basin City anzünden wollten…
Diese Geschichte hat Rodriguez 1:1 für die Eröffnung seines Filmes „Sin City 2: A Dame To Kill For“ übernommen und im Grunde nur die Leerstellen zwischen den einzelnen Panels mit weiteren Bildern gefüllt. Die Story ist angenehm kurz und knackig auf den Punkt erzählt und ist sowohl für den Kurzgeschichten-Band als auch für den Kinofilm eine starke Eröffnung. Der Film konzentriert sich nun auf den Band „Eine Braut, für die man mordet“, im Buch folgen dagegen diese Storys:
Fat Man und Little Boy: Zwei Gangster sollen eine Leiche verschwinden lassen.
Der Kunde hat immer Recht: Ein Auftragskiller wurde entsandt, um eine Frau zu töten.
Stille Nacht: Marv befreit ein kleines Mädchen aus den Händen von Menschenhändlern.
Und hinter Tür Nummer 3: Gail und ihre Mädels stellen einen Hurenmörder.
Blue Eyes: Eine junge Frau erlebt ihre Initiation als Auftragskillerin.
Ratten: Ein alter Mann begegnet seinem Scharfrichter.
Daddys kleines Mädchen: Ein Typ will den despotischen Vater seiner Geliebten ermorden und erlebt sein blaues Wunder.
Falsche Ausfahrt: Der zweite Auftragsmord der in „Blue Eyes“ vorgestellten Dame.
Falsches Gleis: Und Mordauftrag Nummer drei für die „Blue Eyes“ Killerin.
Die Braut trug Rot: Dwight liest an einem Tatort eine Frau in Rot auf und wird bald von zwei Killern gejagt.
„Bräute, Bier und Blaue Bohnen“ kann man mit Fug und Recht als Cheap-Thrill bezeichnen. Sie sind irre pointiert, laufen über vor schwarzem, bissigem Humor und üben sich im wilden Hakenschlagen. Keine der Geschichten hat auch nur ein Panel zu viel auf den Rippen. Tempo und Unterhaltungsfaktor sind extrem hoch und es fällt schwer, Totalausfälle zu beklagen. Highlights bilden die Episoden um Marv, die die „Sin City“ typische Mischung aus düsterem Antihelden, Brutalitäten und vielen Film noir Motiven am besten transportieren.
In Stil und Aufmachung unterscheiden sie sich teils deutlich. Manche Geschichten vereinnahmen gerade einmal vier Seiten, andere gehen über 25. Manche Geschichten kommen beinahe vollständig ohne irgendwelchen Text aus, andere müssen beinahe zu viel textuellen Inhalt für ihre Form transportieren. Optisch fällt keine Geschichte aus dem Rahmen, einzig die Tatsache, dass es in diesem Sammelband diverse Farbkleckse zu bestaunen gibt, fällt deutlich auf: Die Frau in Rot aus der letzten Geschichte sei genannt. Oder die komplett blau erleuchtete Killerin aus den Storys „Blue Eyes“, „Falsche Ausfahrt“ und „Falsches Gleis“. Kennern der Materie dürfte vor allem die Story „Der Kunde hat immer Recht“ bekannt vorkommen, bildete sie doch den stilvollen Rahmen für die erste „Sin City“-Verfilmung und drehte sich um einen Auftragskiller, den Josh Hartnett verkörperte.
Unterschiede zu den Filmumsetzungen kann man sowohl bei „Ein ganz normaler Samstagabend“ als auch bei „Der Kunde hat immer Recht“ nicht wirklich ausmachen. Die Filmepisoden wirken ein wenig ausführlicher, viel mehr fällt aber nicht auf. Weder wurden Pointen verändert noch Figuren neu erfunden oder weggelassen.
Vom Comic zu „Sin City 2: A Dame To Kill For“
Wie bereits angedeutet kann man eine Comicvorlage eigentlich kaum noch originalgetreuer auf Film bannen. Über den Sinn und Unsinn dieses Vorgehens kann man sicher trefflich streiten, das Ergebnis jedoch beeindruckt und die detailverliebten Portierungen der Comics auf die große Leinwand haben schon Respekt verdient. Vor allem in technischer Hinsicht. Dahingehend Chapeau an Herrn Robert Rodriguez.
Leider steht und fällt ein solcher Film dann auch mit seiner Vorlage. Und bei „Sin City 2: A Dame To Kill For“ basiert der Löwenanteil des Filmes auf der meines Erachtens am wenigsten inspirierten Geschichte des „Sin City“-Universums. Einfach weil alles an „Eine Braut, für die man mordet“ abgegriffen und altbekannt wirkt und man beim Lesen richtig spürt, wie in einem die Erwartung hochsteigt, dass jetzt der Punkt kommen muss, an dem Miller dem Treiben einen originellen Twist verabreicht. Doch das geschieht nicht. Er huldigt voll und ganz einem der bekanntesten Motive des Film noirs. Er feiert die Femme Fatale. Er inszeniert sie regelrecht als Göttin, aber er schafft es nicht, den Leser derart um den Finger zu wickeln, wie es seiner Ava mit solch spielerischer Leichtigkeit immer wieder mit der Männerwelt gelingt.
Das Ergebnis hat dennoch Tempo, coole Sprüche, noch coolere Helden und tolle Action. Auch der transportierte Zynismus ist nicht zu verachten. Und das Artwork ist einfach unvergleichlich schön anzuschauen und reicht von extrem detailliert bis zu beinah abstrakt reduziert. Dabei wirken die Zeichnungen oft so, als habe Miller einfach aus schwarzen Flächen seine Figuren „herausradiert, herausgeschnitten“.
Dennoch ist die kleine Geschichte um Marv griffiger, flotter und als Opener für den Film „Sin City 2: A Dame To Kill For“ fast zu gut gewählt, da er Erwartungen in Sachen Witz und Tempo schürt, die der Film in der Folge nicht einzulösen versteht. Und auch in Comicform überflügeln „Ein ganz normaler Samstagabend“ und die weiteren Storys aus „Bräute, Bier und Blaue Bohnen“ die „Braut, für die man mordet“ mit Leichtigkeit.
Eine Braut, für die man mordet | Bräute, Bier und Blaue Bohnen |
Alle Informationen zu „Die Braut, für die man mordet“ und „Bräute, Bier und Blaue Bohnen“
Die „Sin City“-Storys sind bereits in den verschiedensten Formen aufgelegt wurden. Sowohl als 13 Einzelbände als auch als zusammengefasste Sammelbände. Mein Review beruht auf den tollen, gebundenen Ausgaben von Cross Cult. Diese kommen im handlichen Taschenbuchformat und mit Hardcover-Einband. „Eine Braut, für die man mordet“ wurde mit einem Interview mit Frank Miller angereichert. „Bräute, Bier und Blaue Bohnen“ hat als Extra eine coole Cover-Galerie der zugrundeliegenden Einzelhefte, auf denen sogar Hellboy eine kleine Rolle spielen darf.
„Eine Braut, für die man mordet“ von Frank Miller Gebundene Ausgabe: 224 Seiten Verlag: Cross Cult ISBN-13: 978-3942649124 |
„Bräute, Bier und Blaue Bohnen“ von Frank Miller Gebundene Ausgabe: 160 Seiten Verlag: Cross Cult ISBN-13: 978-3942649162 |
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