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Eureka

Originaltitel: Eureka__Herstellungsland: Großbritannien, USA__Erscheinungsjahr: 1983__Regie: Nicolas Roeg__Darsteller: Gene Hackman, Theresa Russell, Rutger Hauer, Jane Lapotaire, Mickey Rourke, Ed Lauter, Joe Pesci, Helena Kallianiotes, Cavan Kendall, Corin Redgrave u.a.
Eureka

Rutger Hauer und Mickey Rourke treffen auf einen gigantisch aufspielenden Gene Hackman in “Eureka”.

Der Name Nicolas Roeg ist unter Filmfans untrennbar mit seinem grandiosen Mystery-Thriller „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ verknüpft. Doch auch andere Filme des britischen Kameramannes und Regisseurs sind definitiv einen Blick wert: „Der Mann der vom Himmel fiel“ etwa. Oder eben „Eureka“…

„Eureka“ beginnt wie ein Fiebertraum. Fantastische Bilder der unberührten Natur Alaskas stehen hier neben Bildern eines heruntergekommenen Hurenhauses und Eindrücken von menschlichem Verfall und Siechtum. Majestätische, schneebedeckte Wälder werden kontrastiert mit einem heftigen Kopfschuss eines Mannes, der auf der Suche nach Gold sprichwörtlich sein letztes Hemd gegeben hat. Theatralisches Schauspiel und im Wahn gesprochene Dialoge werden eingefasst von einem wahren Sturm an suggestiven Bildern. Mittendrin und dennoch kaum zu fassen: Jack McCann. Seines Zeichens ein Goldsucher. Wieder und wieder bricht er in die Wildnis auf, steckt neue Claims ab und hofft auf eine glückliche Fügung. Nachdem er beinahe von einem Blitz getroffen wurde, gibt die Natur irgendwann seiner Spitzhacke nach und lässt den Reichtum quasi eruptiv über Jack hereinbrechen. Am Ende dieses eher assoziativen Kapitels schwimmt er im Gold. Jack ist ein gemachter Mann.

„Eureka“ wird nun etwas geerdeter in seiner Erzählweise und überspringt knapp 20 Jahre. In Europa tobt ein verheerender Krieg. Die Amerikaner sind soeben in den 2. Weltkrieg eingetreten. Doch Jack bekommt davon nichts mit. Er lebt auf einem Eiland irgendwo bei den Bahamas. Und Jack hat sich verändert. Er ist arrogant geworden, selbstbezogen, misstrauisch, paranoid und beleidigend. Sogar seiner eigenen Familie traut er zu, dass sie sich an seinem Reichtum bereichern will. Ein besonderer Dorn in seinem Auge ist ihm sein zukünftiger Schwiegersohn in spe: Claude, ein Franzose, der seine Tochter erfolgreich umgarnte. Jack bemerkt in seiner unbegründeten Paranoia nicht einmal, wie sich Claude immer wieder von dem Reichtum distanziert und abfällige Bemerkungen über dessen Gold macht.

„Früher hatte ich alles und jetzt fehlt mir nichts.“ (Jack McCann)

Währenddessen baut sich eine durchaus reale Bedrohung auf. Denn ein jüdischer Geschäftsmann will Jacks Eiland kaufen, um darauf zu bauen. Am liebsten ein Casino, in das Jack doch gleich mit einsteigen könnte. Als Jack sich weigert, Mayakofsky sein Land zu verkaufen, zieht dieser die Sandhandschuhe aus und schickt seinen windigen Anwalt Aurelio vor. Dieser sorgt kaum merklich für eine extreme Zuspitzung der Ereignisse.

Roeg folgt auch in diesem geradlinigeren Abschnitt keiner wirklich narrativen Struktur. Vielmehr berichtet der Regisseur vom Niedergang eines Mannes, der seiner eigenen Meinung nach nur von Feinden umgeben ist und mit seinem daraus resultierenden Verhalten wissentlich alle Menschen um sich herum vor den Kopf stößt. Nach und nach beginnen ihm aber die Fäden zu entgleiten. Jack wird mehr und mehr zum Spielball der Intrigen, die um ihn herum gesponnen werden, ohne dass er irgendeinen Einfluss darauf hätte. Oder dass ihm jemand helfen würde. Bis hierhin ist „Eureka“ der Film von Gene Hackman („Erbarmunglos“). Der Edelmime beherrscht jede Szene und macht alle anderen Darsteller zu bloßen Statisten. Egal, wie sehr sie sich auch mühen, sie stehen immer im Schatten des monströsen Hackman. Einzig Rutger Hauer versteht es als juveniler Claude, zumindest halbwegs neben Hackman zu bestehen.

Und dann zieht Roeg unvermittelt an. Der Regisseur hatte sich bis auf wenige Ausnahmen nach dem irrlichternden Einstieg zurückgenommen. Schwelgte in tollen Bildern des Drehortes Jamaika und seiner grandiosen Ausstattung. Doch auf einen Schlag entfesselt er seinen Film. Lässt Lebemann Claude mit einem Freund und zwei sexy Damen einem Voodoo-Ritual beiwohnen… und erschafft eine unfassbar kraftvolle, verstörende Szene, die weit über den Film hinaus in Erinnerung bleibt. Roeg geht mitten in das Ritual, lässt seine Kamera kreisen, wild zoomen und nach Bezugspunkten suchen. Er taucht ein in Beschwörungsformeln stammelnde Menschengruppen, wohnt Tieropferungen bei und lässt das Ritual mehr und mehr zu einer orgiastischen, von zuckenden nackten Menschenleibern dominierten Szenerie mutieren. Eine Orgie, freizügig, verstörend, provokant und für das Entstehungsjahr des Filmes in ihrer Drastik mehr als erstaunlich.

Doch diese Orgie leitet den wahren Alptraum erst ein. Roeg verdichtet nun seine Handlung und lässt mehrere Handlungsstränge im wohl brutalsten Mord der Filmgeschichte kulminieren. Fast schon dokumentarisch wird hier ein Mensch erst mit einem Stein erschlagen, dann mit einem Schneidbrenner verbrannt, bis ihm das Fleisch vom Schädel schmilzt, und obendrein noch mit einer Machete enthauptet. Der Wahnsinn des Einstiegs ist wieder da. Und er lässt einen erneut etwas orientierungslos zurück. Vor allem, da man nicht weiß, wer nun eigentlich der Täter war…

„Ich will nicht dein Gold! Ich will lebendiges, warmes Fleisch! Ich will es anfassen und küssen…“ (Jacks Tochter)

Und Roeg nutzt diese Orientierungslosigkeit für einen erneut ruhigeren, nichtsdestotrotz gelungen finalen Akt. In diesem bereitet er die Bühne für Rutger Hauer („Blade Runner“) und Theresa Russell. Vor allem die bis dahin bewundernswert freizügige Russell (inklusive Money Shot zwischen die Beine!) spielt nun beeindruckend intensiv auf und wird von einem ebenso starken Hauer immer weiter angestachelt, sich noch weiter empor zu schrauben. Die Folge ist eine intensive Gerichtsverhandlung, die Roeg für einen letzten, beinahe unterschwellig gesetzten Twist benötigt. Wie in dem ganzen Film geht es darin um Schein und Sein und die Widerwärtigkeit der menschlichen Natur…

Nicolas Roeg hängte „Eureka“ lose am Leben des Millionärs Harry Oakes auf. Oakes war ebenfalls ein Goldsucher, der damit den Grundstein für seinen Reichtum legte, aus Steuergründen auf die Bahamas zog und dort 1943 bestialisch ermordet wurde. Bis heute konnte nicht herausgefunden werden, wer Oakes ermordete. Dementsprechend fehlt es bis heute auch an klaren Motiven für die Tat, was freilich auch viel Raum für Spekulationen lässt. Das ergibt genau den Stoff, aus dem Filme gemacht sind. Roeg nimmt diese Ereignisse und entwickelt daraus ein Lehrstück über die menschliche Natur. Angereichert mit Elementen, die man heute sicher im Genre des Mystery-Thrillers verorten würde, und immer durchsetzt mit Elementen des Wahnsinns, die seinem Film Momente bescheren, die ihn beinahe zeitlos und sogar noch heute provokativ wirken lassen. Großartige Darstellerleistungen setzen dem Film dann schlussendlich die Krone auf. Neben den bisher genannten Darstellern wissen auch Joe Pesci („Lethal Weapon 2“) als Mayakofsky und Mickey Rourke („Sin City“) als Aurelio absolut zu überzeugen und verschaffen dem Film eindrücklich intensive Momente.

Würde man an dem Film herumkritteln wollen, müsste man festhalten, dass „Eureka“ sicherlich einige Minuten zu lang geraten ist. Gleichzeitig muss man aber auch festhalten, dass Roeg seine Laufzeit und das damit einhergehende niedrige Tempo hervorragend nutzt, um eine wirklich bedrückende und ungewisse Atmosphäre aufzubauen. Kurzum, „Eureka“ ist ein düsteres, sperriges, exzentrisches, fantastisch bebildertes und mit einem eigenwilligen Score arbeitendes Meisterwerk, das gleichzeitig gar nicht von jedem gemocht werden möchte. Eine Eigenschaft, die vielen von Roegs besseren Filmen (Die Grenze sei bei den auslaufenden 80ern gezogen) inhärent war. Hierin dürfte dann auch der Grund dafür liegen, warum man von Roegs Filmen kaum einen zu kennen meint. Außer eben den unwiderruflich im filmischen Kollektivgedächtnis eingebrannten „Wenn die Gondeln Trauer tragen“.

„Eureka“ ist in Deutschland von MGM auf DVD erschienen und mit einer hochverdienten FSK 18 Freigabe ungeschnitten.

In diesem Sinne:
freeman

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Copyright aller Filmbilder/Label: MGM__Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Ja

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