Originaltitel: Sanitarium__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Bryan Ortiz, Bryan Ramirez, Kerry Valderrama__Darsteller: Lou Diamond Phillips, Robert Englund, David Mazouz, John Glover, Mayra Leal, Lacey Chabert, Chris Mulkey, Walter Perez, Nova Aragon, Venda D’Abato, Malcolm McDowell u.a. |
„Identität“, „The Scribbler“ oder „Black Swan“ haben aufgezeigt, dass man psychische Erkrankungen auch bebildern kann, ohne auf krakeelende Psychiatrie-Insassen und ähnliche Klischeebilder zurückgreifen zu müssen. „Sanitarium – Anstalt des Grauens“ schlägt nun ebenfalls in diese Kerbe und versucht, psychische Erkrankungen für den Zuschauer erfahrbar zu machen…
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Die Folge ist eine Anthologie, von der man im Grunde klassisch erzählte Horrorstorys mit einem offensiven und vor allem fiesen Twist erwartet. Das Cover der Veröffentlichung unterstreicht diesen Eindruck nur. Kann man sich von dieser Erwartungshaltung freimachen und hofft nicht auf allzu offensiv ausgespielten Horror, wird man schnell merken, dass „Sanitarium“ auch ohne diesen Fanservice erstaunlich reizvoll geraten ist. Dabei erzählt der Film folgende Stories:
Figuratively Speaking
Gustav Spieler ist der aktuelle Superstar unter Amerikas Künstlerelite. Seine Arbeiten mit innovativ designten Puppen begeistern die Menschen rund um den Globus. So sehr, dass seine Freunde versuchen, ihn zu überreden, seine Exponate nach New York zu verkaufen, wo sie in einem viel größeren Rahmen präsentiert werden könnten. Doch Gustav sträubt sich dagegen. Und er hegt viel Misstrauen gegenüber seinen Freunden. Wollen sie ihn ausbooten? Zudem scheinen seine Puppen auf einmal zu ihm zu sprechen, befeuern seine Paranoia und treiben ihn zu abscheulichen Taten. Doch was ist Wahn und was Realität?
„Figuratively Speaking“ wird getragen von der manischen Performance John Glovers („Die Geister, die ich rief“). Mit wildem Haupthaar und abgerissenem Look entspricht er dem Klischeebild des abgehobenen, vereinsamten Künstlers. Glovers Manierismen und sein allmähliches Abgleiten in den Wahnsinn wiegen diese Klischees allerdings mühelos wieder auf. Flankiert wird er von Robert Englund („Perfect Target“), der allerdings nicht viel zu tun bekommt. Das Spiel mit vielen Schatten und die beunruhigende Soundkulisse machen den Wahn Gustav Spielers beinahe physisch erfahrbar und Schärfeverlagerungen in der Kameraarbeit lassen einen an der Realität des soeben Gesehenen zweifeln. Das funktioniert alles super, bis Regisseur Bryan Ramirez auf einmal in die „Geschichten aus der Gruft“ Twist-Mentalität verfällt und eine zugegeben gut funktionierende, aber nicht zwingend gute Pointe rausholt. Ein Stilmittel, dass einen leider auch auf die falsche Fährte lockt, was die folgenden Geschichten angeht. Die sind allerdings von einem ganz anderen Kaliber…
Monsters are real
Steven wächst bei seinem verbitterten, herrischen und brutalen Vater auf. In der Folge ist aus dem Jungen ein stiller, introvertierter Zeitgenosse geworden, der seiner Umwelt eigentlich kaum auffällt. Nur seine Lehrerin scheint ihr Herz für den Kleinen zu entdecken und will mit dessen Vater ein tieferes Gespräch führen. Umso mehr, als sie eigentümliche Male am Hals des Jungen entdeckt. Der entdeckt derweil etwas ganz anderes: Ein bedrohlicher, komplett in Schwarz gekleideter Mann scheint ihm auf Schritt und Tritt zu folgen…
Mich erinnerte diese Episode in ihrer Bildgestaltung und ihrem herrlich melancholischen, themenstarken Soundtrack sowie aufgrund des Mitwirkens von David Mazouz (der junge Bruce Wayne in der Serie „Gotham“) an dessen wundervoll emotionale Serie „Touch“. „Monsters are real“ entfaltet sich in der Folge ebenfalls in aller Ruhe und etabliert eine zunehmend dichter werdende Atmosphäre, die gekonnt in die Story hineinzieht. Jene flicht beinahe beiläufig superschwere Themen wie den sexuellen Missbrauch von Kindern ein und entwickelt eine bedrückende Wirkung, die man der Anthologie im Gesamten nie zugetraut hätte. Auch diese Episode bietet gegen Ende eine Pointe, diese hat aber keinen großen Knalleffekt und verkommt so nicht zum Mittel zum Zweck. Ganz im Gegenteil. Wenn gegen Ende die Stimme des Erzählers ertönt, bekommt man eine Gänsehaut ob der dadurch erzeugten Stimmung. Sowohl Mazouz als auch Lacey Chabert („Party of Five“) als seine Lehrerin und Chris Mulkey („The Purge“) als sein Vater brillieren in ihren schwierigen Rollen. „Monsters are real“ von Bryan Ortiz ist das Schmuckstück dieser Anthologie und das ohne Wenn und Aber.
Up to the Last Man
Die letzte Episode ist die große Lou Diamond Phillips („Extreme Justice“) Show. Der Mime gibt James, einen Professor, der mit seinen Theorien über die Voraussagen der Majas zum Weltuntergang von seinen Kollegen und Studenten nur Hohn und Spott erntet. Trotzdem steckt er immer mehr Arbeit in seine Ansätze und verliert irgendwann jede Bodenhaftung in seinem Tun. So errichtet er einen Bunker, in dem er den Weltuntergang überleben kann. In ebenjenen erleben wir ihn in „Up to the Last Man“ von der ersten Minute an. Er geht seinen täglichen Ritualen nach, kontrolliert seine Vorräte und versucht sich irgendwie zu beschäftigen. Was ihn in den Bunker führte, erfahren wir in einer Parallelmontage. Beide Erzählstränge münden in einen Tag, an dem von Draußen an seine Bunkertür geklopft wird. Wie kann das sein, wenn doch alle Menschen tot sind? James Zustand verschlechtert sich nun von Tag zu Tag mehr, denn jeden Tag klopft es erneut an seine Bunkertür… Soll er seine sichere Zuflucht wirklich verlassen?
Phillips macht als Eingeschlossener einen starken und einnehmenden Job. Nur selten wird er von anderen Darstellern in den Rückblenden flankiert. So muss er die Folge eigentlich im Alleingang schultern. Diese lässt sich viel Zeit, um die Grundsituation zu etablieren. Das macht das parallele Abrutschen des Charakters (in der Vergangenheit und im Bunker) in den Wahn sehr effizient und beklemmend. Die düstere, erneut sehr gelungene Musik trägt wie schon in „Monsters are real“ viel zur starken Atmosphäre der Episode bei. Schade ist, dass es Regisseur Kerry Valderrama nicht bei seinem durchdachten Finale belässt und im Abspann noch eine Pointe anhängt, die einfach nur dumm ist…
Allgemein muss man anmerken, dass es sich „Sanitarium“ vor allem in Richtung seiner Pointen ab und an zu einfach macht. Was schade ist, da alle Episoden Momente enthalten, bei denen der Zuschauer schon hinterfragt, was real und was wahnhaft ist. Vor allem die erste Episode leidet doch sehr darunter. Und auch bei Episode drei hätte man sich eher einen Denkanstoß und weniger eine „Moral von der Geschicht“ Pointe erhofft. Des Weiteren enttäuscht, dass „Sanitarium“ über keine richtige Rahmenhandlung verfügt. Was die Filme eint, sind der Schauplatz der psychischen Heilanstalt und Malcolm McDowell („Silent Night“) als Erzählerfigur. Ansonsten werden die Episoden nur durch ihre Grundidee, den Wahnsinn zu bebildern, zusammengehalten. Am deutlichsten wird das durch wirklich lange Schwarzblenden zwischen den Episoden, die sie zu deutlich voneinander trennen und den „Film“ formal wie Stückwerk wirken lassen.
Und dennoch sorgen vor allem „Monsters are real“ und „Up to the Last Man“ dafür, dass „Sanitarium“ definitiv seine Berechtigung hat. Und auch wenn „Figuratively Speaking“ mit den beiden Episoden nicht mithalten kann, ist diese Story alles andere als missraten. Was vor allem an John Glovers starker Darbietung liegt. Davon abgesehen glänzen alle Storys aufgrund ihrer konsequenten Humorlosigkeit, ihrer beeindruckenden filmischen Umsetzung, ihrer tollen musikalischen Untermalung, ihrer starken Darsteller und ihrer erstaunlichen Wirkung auf den Zuschauer. „Sanitarium“ ist nämlich definitiv nichts für labile Gemüter. Die Storys haben allesamt eine extrem bedrückende Wirkung und lassen einen nicht so schnell wieder los.
Nice to know: Während man „Sanitarium“ schaut, entwickelt sich schnell die Frage, ob die Storys wie die „Geschichten aus der Gruft“ eventuell auf Comicvorlagen beruhen. Der Abspann nährt diesen Verdacht noch. Doch es verhält sich genau andersherum: Aufgrund des Filmes wurde eine Independent-Comicreihe ins Leben gerufen…
Die deutsche DVD/Blu-ray zum Film kommt am 24. März 2015 von Maritim Pictures und ist mit einer FSK 18 Freigabe ungeschnitten. Die Freigabe wirkt ein wenig überzogen, da „Sanitarium“ eher über die Psyche als über Gewaltexzesse funktioniert. Die Synchronisation der ersten Episode lässt leider John Glovers Performance ein wenig abfallen. Sie trifft sein Acting und seine Aussprache nicht wirklich. Ansonsten ist die Synchronisation sehr solide.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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