Originaltitel: Big Game__Herstellungsland: Deutschland, Finnland, Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2014__Regie: Jalmari Helander__Darsteller: Samuel L. Jackson, Ray Stevenson, Ted Levine, Felicity Huffman, Jim Broadbent, Victor Garber, Jaymes Butler, Erik Markus Schuetz, Ken Thomas, Onni Tommila, Mehmet Kurtulus u.a. |
Sobald nach nicht einmal 90 Minuten kurzweiliger Unterhaltung der Abspann von „Big Game“ einsetzt, wird man des Umstandes gewahr, dass der Film zu weiten Teilen in Deutschland gedreht wurde, einiges an deutschen Geldern verschlang und diversen deutschen Filmschaffenden einen Job bescherte. Und fast sofort stellt man sich die eine, alles entscheidende Frage: Warum bekommen wir Deutschen solche Filme nicht hin? Filme, bei denen der Regisseur seinen eigenen Vorlieben einfach mal freien Lauf lässt und fernab altbackener, optisch nicht ansprechender und verkopfter Hausmannskost auf reines Entertainment ausgerichtetes Kintopp abliefert. Das obendrein ein größeres Publikum abzuholen vermag… Wie einfach es sein kann, beweist der Finne Jalmari Helander („Rare Exports“) mit seinem neuesten Streifen „Big Game“.
Hierbei ging es ihm vor allem darum, seine eigene Vorliebe fürs 80er Jahre Actionkino mit der für das „Coming of Ages“-Abenteuerkino a la „The Goonies“ zu vereinen. Dafür fokussiert er auf den finnischen Jungen Oskari. Jenem steht ein Initiationsritus bevor. Einen Tag und eine Nacht muss er alleine in den Weiten der finnischen Wälder verbringen und hierbei beweisen, dass er zum einen in der Wildnis überleben kann und dass zum anderen ein echter Jäger in ihm steckt. Blöderweise scheinen das sowohl sein Vater als auch die Dorfältesten anzuzweifeln, weshalb Oskari eher wenig zuversichtlich in seine „Mannwerdung“ startet.
Während Oskari zu den Jagdgründen des anliegenden Waldes aufbricht, holen ein paar Halunken mittels Raketen die Air Force One und deren Begleitflugzeuge vom Himmel. Jene waren auf dem Weg zu einem G8-Gipfel in Helsinki. Die Rettungskapsel mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten an Bord kommt natürlich genau in dem Waldgebiet herunter, in dem Oskari gerade nach seiner Beute sucht. Er befreit den Präsidenten aus der Kapsel und verspricht, ihn aus den Wäldern herauszubringen. Allerdings erst, nachdem er mindestens einen stattlichen Hirsch erlegt habe. Der Präsident fügt sich widerwillig in sein Schicksal. Was beide nicht ahnen: Die Typen, die die Air Force One abgeschossen haben, sind ihnen bereits auf der Spur und schrecken definitiv nicht vor Mord und Totschlag zurück…
httpv://www.youtube.com/watch?v=Zk8nK4gDIn0
Jalmari Helander geht es bei „Big Game“ sichtlich nicht um eine plausible oder gar logische Story. In flottem Tempo installiert er die Ausgangssituation und fokussiert ab sofort beinahe ausschließlich auf das Heldengespann aus Präsident und Oskari. Dieses Vorgehen ist Fluch und Segen zugleich. Da die Chemie zwischen dem endlich mal wieder stark aufspielenden Samuel L. Jackson („Kingsmen“) und Onni Tommila („Rare Exports“) wirklich absolut stimmig ist, macht es Spaß, zuzuschauen, wie die beiden zu einer Einheit zusammenwachsen. Ihre gemeinsamen Momente reichen von humorvoll über sensibel bis actionreich. Denn natürlich lernen sich unsere beiden Buddys im Rahmen ihrer Reise genauer kennen und geraten immer mal wieder mit ihren Verfolgern aneinander. Während das Buddygespann also definitiv die größte Stärke des Filmes ist, kommt die eigentliche Bedrohung nie im Film an…
Die Bösewichte wollen einfach nicht so richtig funktionieren. Das liegt auch daran, dass der größte Teil der Verfolger vollkommen gesichtslos bleibt und erst recht kein richtiges Motiv abbekommen hat. Selbiges bekommt nur Ray Stevenson („G.I. Joe – Die Abrechnung“), der in seiner Rolle auch richtig Spaß macht, aber am zweiten großen Problem leidet: Die Bösewichter aus „Big Game“ werden nie wirklich aktiv. Es gibt keine Hetzjagden durchs Unterholz und keine Verfolgungsjagden über Stock und Stein. Stattdessen tauchen die Lumpen einfach immer zur richtigen Zeit am exakt richtigen Ort auf und sorgen für punktuelle, viel zu schnell vorüberziehende Bedrohungsmomente.
In deren Umfeld steigen dann auch die erstaunlich wenigen Actionsequenzen des Filmes. Nimmt man dann noch die Trailer zum Film her, die reichlich überkandidelte Big-Bang-Action versprachen, bleibt das Endergebnis fast schon verhalten. Ab und an verwehrt uns Regisseur Helander sogar die eigentlichen Money Shots. Wenn zu Beginn die Air Force One abgeschossen wird, verharrt „Big Game“ in Andeutungen. Die Landung der Rettungskapsel sorgt dagegen für erstaunliches Getöse, wird aber aus der Sicht des sich rettenden Oskaris inszeniert, wobei auch hier die großen Actionmomente ausbleiben. Hernach ist dann gar nicht mehr viel. Eine viel zu lang ausgekostete Szene um einen Kühlschrank sorgt für amüsante Momente, ist aber unpointiert. Erst im Showdown gibt es dann das zu sehen, was man sich nach dem Trailer für den ganzen Film erwartet hatte: Schöne, übergroße Zerstörungsbilder mit ein oder zwei netten Ideen. Bei der Action merkt man dann auch, dass der „Goonies“-Faktor eindeutig überwiegt und sich der Film somit eher an ein jugendliches Publikum wendet. Entsprechend bleibt die Action weitgehend unblutig und geschehen die meisten Todesfälle offscreen.
In optischer Hinsicht inszeniert Helander mit einer knackigen Farbpalette und schön breiten Kinobildern. Diverse Landschaftsshots aus Finnland sind schlichtweg atemberaubend. Dass Bayern abseits der großen Landschaftspanoramen Finnland überzeugend doubeln kann, ist eine nette Erkenntnis des Streifens, zeugt aber auch nur vom Auge des Regisseurs bzw. seinem Gespür für die genau richtige Inszenierung seiner Drehorte. Die Special Effects des Filmes sind blitzsauber umgesetzt und unter den Bildern treibt ein wirklich flotter Score die Handlung voran. In ziemlichem Kontrast dazu stehen die langweiligen Bilder rund um das Klischee-Element des Filmes überhaupt. Denn ganz klar: Wenn ein Präsident verschütt geht, braucht es einen Krisenstab. Der ist mit Victor Garber („The Entitled“), Ted Levine („Ohne Ausweg“), Jim Broadbent („Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“) sowie Felicity Huffman („Transamerica“) stark besetzt, für den Film aber vollkommen unerheblich und teilweise auch massive Tempobremse.
Man merkt schon: Ein rundum gelungener Film sieht anders aus. Dennoch kann man „Big Game“ eines mit Sicherheit nicht vorwerfen: Dass er nicht unterhaltsam wäre. „Big Game“ ist einer dieser Filme, deren Mängel offenkundig sind, die aber das Herz eindeutig am rechten Fleck haben und ihr Programm derart sympathisch durchziehen, dass man ihnen gar nicht wirklich böse sein kann. Dafür sorgt schon das tolle Heldengespann aus einem wenig kämpferischen Präsidenten und seinem kleinen Beschützer. Die beiden wachsen dem Zuschauer sofort ans Herz. Dazu kommen einige sehr gelungene Einzelmomente. Genannt seien eine E.T.-Hommage mit Samuel L. Jackson als „Außerirdischem“ oder die Einlagen rund um das großartige Set-Piece der abgestürzten Air Force One. Das ist alles nichts für die Ewigkeit, aber für rund 90 Minuten wird man hier mal ordentlich aus seinem Alltag befördert.
Der Film ist ab dem 18. Juni 2015 in den deutschen Kinos zu sehen und kommt von Ascot Elite.
In diesem Sinne:
freeman
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Copyright aller Filmbilder/Label: Ascot Elite__Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 18. Juni in den deutschen Kinos |