Originaltitel: It Follows__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2014__ Regie: David Robert Mitchell__ Darsteller: Maika Monroe, Keir Gilchrist, Daniel Zovatto, Lili Sepe, Olivia Luccardi, Jake Weary, Leisa Pulido, Debbie Williams, Ruby Harris, Bailey Spry, … |
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Es war im Jahre 2010, dass Regisseur und Drehbuchautor David Robert Mitchell mit „the Myth of the American Sleepover“ sein Spielfilm-Debüt vorlegte: Auf gleichermaßen charmante wie feinfühlige Weise erzählte eben jene kleine Independent-Produktion eine atmosphärische, auf ein einziges Sommerwochenende begrenzte „Coming-of-Age“-Geschichte – und das mit einem beseelten Gespür für die speziellen Denkweisen, Sorgen, Empfindungen, Hoffnungen und Träume seiner sich in einem ganz besonderen Alter ihres Lebens befindenden Protagonisten. All diese Stärken sind in seinem 2014er Nachfolgewerk „It Follows“ ebenfalls prominent vertreten – welches hier fortan im Zentrum der Betrachtung steht und bei dem es sich (dieses Mal) um einen creepy-düsteren, mit einem Budget von rund zwei Millionen Dollar realisierten Horror-Thriller handelt, der im Zuge etlicher Festival-Screenings sowie seiner späteren weltweiten Veröffentlichung prompt zu einem absoluten „Kritiker-Liebling“ avancierte. Originelle, wahrhaft hochwertige Genre-Kost ist inzwischen ja zu einer regelrechten Seltenheit geworden – umso größer meine Erleichterung und Freude, als ich Mitte 2015 dann endlich auch persönlich feststellen durfte, dass der Streifen seine „Lorbeeren“ auf jeden Fall verdient zugesprochen erhalten hat…
Jay (Maika Monroe) ist eine Teenagerin, die ihre Freizeit bisweilen mit ihrer jüngeren Schwester Kelly (Lili Sepe) sowie deren Freunden Yara (Olivia Luccardi) und Paul (Keir Gilchrist) verbringt und aktuell gerade einen jungen Mann (Jake Weary) datet, welchen sie zwar noch nicht allzu gut kennt, der allerdings „ein anständiger Kerl“ zu sein scheint. Eines Abends schlafen sie erstmalig miteinander auf dem Rücksitz seines Wagens – doch wird die wohlige Stimmung nur wenig später urplötzlich zerschlagen, als er sie mit einem Chloroform-getränkten Tuch betäubt sowie anschließend in einem verlassenen Gebäudekomplex (an einen Rollstuhl gefesselt) wieder zu sich kommen lässt. Postwendend erklärt er dem verängstigten Mädel, er habe beim Geschlechtsverkehr eine Art „Fluch“ auf sie übertragen: Von nun an würde sie eine „geisterhafte Gestalt“ verfolgen, die ihr Äußeres beliebig oft verändern und sich nur langsam voranbewegen könne – genau damit jedoch erst aufhören würde, wenn sie den jeweiligen Unglückseligen letzten Endes irgendwann einholt und tötet. Per Sex sei es einem möglich, dieses Schicksal einem anderen aufzubürden: Sollte der- oder diejenige allerdings sterben, würde man selbst erneut ins Visier dieser schweigsam-unerbittlichen „Entität“ geraten – was im Prinzip ja bedeutet, künftig nie wieder eine unbeschwerte Existenz führen zu können…
„It Follows“ eröffnet mit einer fabelhaft arrangierten Sequenz, im Rahmen derer eine von Bangnis ergriffene, sich fortwährend umschauende Jugendliche aus einem Haus heraus auf die Straße stürmt, wo sie einen Kreis abläuft und dabei u.a. die besorgten Fragen ihres Vaters ignoriert, bevor sie noch einmal ins Innere eilt, ihre Schlüssel ergreift sowie hastig in ihrem Wagen davonfährt. Ihr Ziel markiert das einsame Ufer eines Sees, an dem sie sich (nach Anbruch der Dunkelheit) an den Strand setzt, ihre Eltern anruft und ihnen mitteilt, wie sehr sie sie doch lieben würde: Ein unverkennbarer Abschied. Am nächsten Tag offenbart die aufgegangene Sonne ihre ebenso grotesk wie grausam zugerichtete Leiche. Auf Anhieb wird die Existenz einer entsetzlichen, nicht lange darauf seitens der Jay geschilderten (samt aufgezeigten) Gegebenheiten weiter konkretisierten Bedrohung verdeutlicht – allerdings ließ sich Mitchell nicht dazu hinreißen, eine klar definierte „Mythologie“ darzureichen: In diesem Sinne werden weder Ursprünge noch Background- oder Kontext-Informationen kundgetan und obliegt es den Betroffenen, selbständig nach Mitteln und Wegen zu suchen, dieser Gefahr irgendwie Herr zu werden – wobei die entsprechende Unsicherheit aller ins Auge gefasster Pläne eine ungemein reizvolle Komponente bildet…
Ausschließlich gegenwärtig oder in der Vergangenheit mal „Angesteckte“ können diesen gespenstisch-stummen, regelmäßig seine Erscheinung wechselnden „Shape-Shifter“ erblicken, der überwiegend „ganz normalen Menschen“ gleicht – gelegentlich aber auch das Aussehen „körperlich eigenwilliger Individuen“ oder gar das von Familienangehörigen seiner potentiellen Opfer annimmt, vermutlich um jene dadurch zu irritieren sowie seelisch einen zusätzlichen Grad intensiver zu belasten. Mit dem Bestreben des Films harmonierend, sind diese „Manifestationen“ weit unheimlicher als vordergründig Schrecken-erregender Natur – wie im Falle eines nackten Mannes, der Jay einfach nur regungslos vom Dach eines Gebäudes aus beobachtet. Mag sein, dass es den Leidtragenden des Öfteren gelingt, einen stattlichen Vorsprung aufzubauen – doch unabhängig seines stets nicht sonderlich hohen Schritt-Tempos findet „es“ einen früher oder später, soviel ist sicher: Ein Furcht-einflößender, psychisch zehrender, das Erkeimen von Paranoia fördernder Gedanke. Die Option, es an einen anderen weiterzugeben, würde jenem dieselbe Bedrängnis auferlegen – und das wohlmöglich mit letalem Ausgang, welchen man ggf. (von seinem Gewissen her) zu verantworten hätte und wonach man selbst ja wiederum geradewegs „an der Reihe“ wäre…
Die grundlegende Konzeption des Werks überzeugt u.a. dank ihrer „schnörkellos“ gearteten Beschaffenheit, inspirierten Ausarbeitung sowie geschickt-cleveren Einbettung innerhalb der klassischen Strukturen des Horror-Genres: Unweigerlich fühlt man sich an die „gemächlich“ voranschreitenden, nichtsdestotrotz unerbittlichen Killer diverser „Slasher“-Flicks sowie an die „undynamischen“ Zombies aus George Romero´s Zeiten erinnert – worüber hinaus die albtraumhafte Story durchaus auch nach einer dieser seit jeher geschätzten „spooky Campfire Tales“ klingt. Die direkte Verknüpfung von Sex und Tod beinhaltet die geläufigen Metapher – á la dass unkeusches Verhalten in Traumata oder Krankheiten resultieren kann – allerdings hat Mitchell in dem Bereich interessante Variationen vorgenommen und dabei überdies auf den sprichwörtlichen „erhobenen moralischen Zeigefinger“ verzichtet: Losgelöst dessen, dass hier (wie so häufig) nur Jungfrauen „gänzlich geschützt“ sind, stellt im Vorliegenden simultan ja ausgerechnet erneuter Geschlechtsverkehr eine ergreifbare Chance auf „Rettung“ dar – was die gehegten Ängste und Sorgen zwar fern von umfassend verschwinden lässt, sie wohl aber immerhin ein wenig lindert. Die Sache ist bloß, dass die Zukunft eben jener Person von dem Augenblick an untrennbar mit der eigenen verflochten ist…
Das Widerfahrene wirkt sich stark auf Jay´s Gemütszustand aus. Ungeachtet vorhandener Skepsis stehen ihre Freunde ihr jedoch behutsam bei – stempeln sie nicht als „verrückt“ ab und unterstützen sie wo sie nur können. Selbst ihr gegenüber wohnender, sie bislang eher flüchtig kennender Nachbar Greg (Daniel Zovatto) vermittelt ihr auf diese Weise zumindest etwas Geborgenheit und Mut. Als die Clique während eines Angriffs auf Jay schließlich Zeuge registrierbarer „physischer Kräfte“ wird – unter ihnen ein unsichtbarer, allerdings spürbarer Schlag sowie eine zersplitternde Tür – bemühen sie sich fortan umso inniger darum, weitere Infos in Erfahrung zu bringen und genau daraus dann einen (hoffentlich) Erfolg-versprechenden Plan zu entwickeln: Speziell ein Set-Piece in einem Hallenbad veranschaulicht das Dilemma sowie die Unklarheit des Ausgangs ihrer Bemühungen, ohne gesichertem Wissen den Kampf gegen diese „paranormale Macht“ anzutreten. Eltern oder sonstige Erwachsene beziehen sie nicht mit ein – u.a. da jene ohnehin kaum zugegen sind. Dies spiegelt sozusagen ihre „Perspektive des Lebens“ wider: Sie wähnen sich auf sich allein gestellt sowie sich nur untereinander „wahrhaft verstanden“ – eine Denk- bzw. Ansichtsweise, die Mitchell bereits bei seinem Vorgängerfilm ebenso zurückhaltend wie glaubwürdig zu transportieren wusste…
In der Hauptrolle liefert Maika Monroe (in ihrem zweiten herausragenden Streifen des Jahres 2014 nach Adam Wingard´s „the Guest“) eine vorzügliche Performance ab: Jay ist ein nettes, hübsches, bodenständiges Mädel, das mit der über sie hereingebrochenen Situation so gut es geht fertigzuwerden versucht – dabei allerdings auf Unterstützung angewiesen ist. Sie selbst besitzt offenbar keinen engeren gleichaltrigen Bekanntenkreis – hängt sporadisch aber gern mit ihrer jüngeren Schwester Kelly und deren „Gefährten“ ab. Einer davon ist Paul, der schon lange in Jay verknallt ist und ihr den „Fluch“ ohne weiteres „abnehmen“ würde – und das sowohl um ihr zu helfen als auch um ihr auf jenem Wege tatsächlich mal „körperlich näher kommen“ zu können. Mag sein, dass die jeweiligen Charaktere nicht unbedingt tiefgründig ausgestaltet wurden – doch erwecken sie einen (mehrheitlich) sympathischen Eindruck, bereichern das Gesamtbild und profitieren von einer prima gecasteten, engagiert auftretenden sowie eine Menge „Natürlichkeit“ ausstrahlenden Besetzung, zu der u.a. Lili Sepe („Spork“), Daniel Zovatto („Beneath“), Olivia Luccardi („the Rewrite“), Keir Gilchrist („It´s kind of a funny Story“) und Jake Weary („Zombeavers“) zählen…
In und um Detroit gedreht sowie in einer typisch amerikanischen, jedoch weder geographisch noch zeitlich je eine spezifische Verortung erfahrenden Vorstadt-Gegend angesiedelt, tragen viele der gewählten Locations und eingefangenen Impressionen (wie z.B. der wiederholt gebotene trostlose Anblick inzwischen ungenutzter, dem Verfall überlassener Gebäude) dienlich zu der achtsam heraufbeschworenen, überaus dichten Atmosphäre des Streifens bei. Cinematographer Mike Gioulakis („John dies at the End“) sorgte für etliche optisch exzellent komponierte Einstellungen, einen düster-kühlen Look sowie diverse nervenaufreibend-unbehagliche Kamera-Fahrten, welche den Geschehnissen vor allem im Zusammenspiel mit dem klangvollen Retro-Sythesizer-Score von Rich Vreeland (aka „Disasterpeace“) einen ausgewogen-subtilen „Neo-Vintage-Vibe“ verleihen. Zudem gibt es verschiedene „inhaltliche und stilistische Ehrerweisungen“ wahrzunehmen, die allerdings nie aufdringlich oder überreizt eingebunden anmuten: So einigen Veröffentlichungen aus der Vergangenheit des Genres wird Tribut gezollt – insbesondere John Carpenter´s „Halloween“. Obendrein gefiel mir die Einbildung einzelner passend-markanter Zeilen aus Fyodor Dostoyevsky´s „the Idiot“ und TS Eliot´s „the Love Song of J. Alfred Prufrock”…
Einträglich merkt man dem Film an, dass Mitchell seine jugendlichen Protagonisten ernst genommen und sie nicht bloß „als Mittel zum Zweck verwendet“ hat – was gleichermaßen auf die Präsentation der Materie an sich zutrifft: Zwar gibt es (z.B.) den einen oder anderen „gängigen Jump Scare“ zu verzeichnen – doch wurde dem sie umgebenden (beklemmenden) Kontext stets ein höherer Stellenwert eingeräumt bzw. gewidmet. Frei unnötiger Grausamkeiten wird ein ausgeprägter Suspense-Grad generiert, der auf Seiten des Betrachters u.a. regelmäßig zum Absuchen einzelner Shots nach sich möglicherweise irgendwo im Hintergrund nähernden Personen führt. Als etwas unvorteilhaft und schade empfand ich indes, dass in einigen (wenigen) Schlüssel-Momenten auf CGIs zurückgegriffen wurde – ebenso wie dass gewisse dargereichte Eigenheiten der „Entität“ durchaus ein Stück weit „verwunderlich-seltsam“ wirken (Stichwort: Blut). Letztere Punkte ändern allerdings nichts daran, dass David Robert Mitchell mit „It Follows“ ein stimmungsvoller, spannender und origineller, clever, einfühlsam und mehrschichtig verfasster, handwerklich kompetent in Szene gesetzter „Slow Burner“ gelungen ist, der mit guten, ansprechenden Schauspielern aufwartet und welchen es auf jeden Fall zu entdecken Schrägstrich anzusehen lohnt…
starke
Hierzulande ist der Film auf DVD und BluRay erhältlich. Unabhängig dessen ist die französische Veröffentlichung aus dem Hause „Metropolitan“ zu empfehlen – in erster Linie weil man der „Édition Limitée“ sogar David Robert Mitchell´s „the Myth of the American Sleepover“ als „Extra“ beigefügt hat!
Stefan Seidl
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