Originaltitel: Vice__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2015__ Regie: Brian A Miller__Darsteller: Bruce Willis, Thomas Jane, Ambyr Childers, Bryan Greenberg, Johnathon Schaech, Charlotte Kirk, Brett Granstaff, Ryan O’Nan, David Gordon, Colin Egglesfield u.a. |
„Vice“ ist ein riesiges Ressort des Multimillionärs Julian Michaels. Der schuf mit dem mehrere Straßenzüge umfassenden Refugium einen irrealen Ort, an dem Regeln und Gesetze ausgehebelt werden. Das heißt, wer Geld hat, mietet sich hier ein und lässt einfach ohne Konsequenzen mal so richtig die Sau raus: Frauen verprügeln, Passanten killen, alles möglich. Nun dürfen die Wohlhabenden hier aber keine echten Menschen killen. Vielmehr sind es Klone mit künstlicher Intelligenz, die Michaels in einer Art Gedächtnis-Loop hält: Alle 24 Stunden werden ihre Erinnerungen gelöscht, so dass sie am nächsten Tag schon nicht mehr wissen, was mit ihnen kurz vorher geschehen ist…
Das ist doch mal eine (von „Westworld“ zumindest ansatzweise bekannte) Prämisse. Politisch total unkorrekt fabuliert sich das Drehbuch von „Vice“ eine gesetzesferne Enklave zusammen, in der das Tier Mensch mal so richtig die Sau rauslassen kann. Abgefahrener Sex, brutale Gewaltfantasien und rauschhafte Partys bestimmen das Leben in der Fantasiewelt „Vice“. Der Film steigt dabei mit einer megadynamisch inszenierten Plansequenz ein, in der ein paar Gäste von „Vice“ mal einen Banküberfall durchziehen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Dann stellt uns Bruce Willis („Stirb Langsam“) alias Julian Michaels die Idee hinter „Vice“ vor und Regisseur Brian A. Miller („The Prince“) entwirft sein Szenario.
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Im Übrigen ein Zukunftsszenario. Leider erfährt man als Zuschauer aber nicht, wie weit in der Zukunft wir uns befinden und warum die Welt außerhalb von „Vice“ so dystopisch ausschaut. Dann lernen wir Kelly kennen. Eine Artifizielle. Also ein Opfer. Ihr Charakter hat eingeimpft bekommen, dass der nächste Tag in ihrem Leben einen Umschwung bringen wird. Demnach lebt Kelly jeden Tag in euphorischer Vorfreude. Bis sie meist am Ende des Tages erschlagen, erwürgt, ersäuft oder verbrannt wird.
Doch was passiert, wenn Gäste von „Vice“ den Glauben des konsequenzlosen Handelns mit in die freie Welt nehmen? In jenen Teil der Welt, wo Julian Michaels nicht feinste Nuancen des Wetters mitbestimmen kann. Jene Welt, wo ein Mord immer auch ein Mord ist und nicht nur Teil eines Lifestyles. Eine reizvolle Frage, die den abgehalfterten Cop Roy auf den Plan bringt. Der sucht nämlich einen Stammgast von Michaels, der in der realen Welt eine Frau ermordete. Realität und Fiktion also vermischte. Roy stellt den Mörder letzten Endes in dem Ressort, wo er gerade gewohnheitsmäßig eine Frau umbringt. Auf frischer Tat ertappt. Sozusagen.
Roy hasst die Idee hinter „Vice“. Er weiß um die sinkenden Hemmschwellen der Gäste des Ressorts. Und er hat die Schnauze voll, hinter Julian Michaels durchgeknallten Kunden aufzuräumen. Da kommt es ihm gerade recht, dass bei Kelly nach einem besonders traumatischen Mord Flashbacks aufblitzen. Flashbacks, die sie merken lassen, dass sie selbst nicht „echt“ ist. Dass sie kein Mensch ist. Dass sie nur ein Objekt ist, das zahlungskräftigen Vollidioten dazu dient, sich abzureagieren. Sie könnte Roy helfen, Michaels zu stürzen und „Vice“ niederzureißen.
„Vice“ hat wirklich viele interessante Ideen und Ansätze. Ausreichend viele, um den Film mühelos am Laufen zu halten und eine nette Grundspannung zu etablieren. Gerade die Idee, dass das Verhalten der Kunden von „Vice“ auch in die reale Welt strahlen könnte, hätte der Film gerne deutlich ausführlicher aufbereiten können. Leider opfert der Film seine reizvollsten Ansätze ungefähr ab der Filmmitte für eine erstaunlich schwach umgesetzte Verfolgungsjagd, der es vor allem nicht gelingen will, echte Spannung zu erzeugen. Vielmehr wirkt der Film plötzlich ein wenig ziellos. Auch weil es recht lange dauert, bis Roy und Kelly endlich zusammenfinden und am gleichen Strang ziehen.
Auch die Action mag nicht wirklich rocken. Größtenteils wird einfach nur ewig herumgeballert, ohne dass irgendetwas getroffen wird. Schlagen die Kugeln dann endlich mal ein, bleibt es leider arg blutleer, auch wenn die Sicherheitswesten der Verfolger immer eindrucksvoll von den Kugeln zerfetzt werden. Bis auf längere Shootouts hat der Film leider keinerlei Action zu bieten. Gerade eine nette Verfolgungsjagd hätte den Actionanteil des Filmes doch deutlich aufgewertet.
Selbiger wird von Brian A. Miller sauber inszeniert. Die Szenen in „Vice“ dürfen allesamt gülden überstrahlen. Die Traumwelt ist in warme Farben getaucht und wirkt anheimelnd weich und dadurch hübsch unreal. Außerhalb von „Vice“ dominieren kalte Farben und klare Bilder. Alles erstrahlt vorwiegend in stahlblau und witzigerweise stehen überall Neonlampen herum. Selbst auf offener Straße. Ist wohl so ein Zukunftsding. Auffällig ist die ungeheuer dynamische, breite Bilder einfangende Kamera, die sich obendrein um ein paar schrägere Perspektiven bemüht. Darunter pumpt ein basslastiger, sehr atmosphärischer, sehr sehr gelungener Score von Hybrid.
Als Bösewicht Julian Michaels liefert Bruce Willis eine recht gelangweilt wirkende Performance ab. Da ist nichts von dem wunderbar schmierigen Bösewicht aus der vorherigen Zusammenarbeit mit Miller in „The Prince“ zu spüren. Weder kommt er besonders bedrohlich noch besonders zynisch oder gar besonders machtgeil herüber. Hatte wohl keine rechte Lust auf den Film. Thomas Jane („Reach Me“) dagegen amüsiert mit einem seltsam verwilderten Look. Die Langhaarfrisur steht dem Mimen wirklich so gar nicht. Davon abgesehen macht er als abgebrannter Cop Roy einen sehr soliden Job. Ambyr Childers („Gangster Squad“) ist die große Gewinnerin von „Vice“. Sie spielt sehr einnehmend auf und darf vom schwachen Hascherl bis zur taffen Powerfrau einiges zeigen. Gerade von der mittels Update zur Powerfrau mutierten Kelly hätte man gerne sehr viel mehr gesehen. Johnathon Schaech („Phantom“) mausert sich langsam aber sicher zu einem B-Movie-Regular und wirkt als rechte Hand von Willis’ Michaels deutlich präsenter als sein Boss.
Am Ende bleibt eine sauber inszenierte und mit einem tollen Score versehene Zukunftsvision, die vor allem von ihrer Grundprämisse zehrt und um sie herum einige interessante Details auffährt. Leider opfert „Vice“ diese Ansätze für einen wenig involvierenden Action-Abgang, der zudem wenig spektakulär daherkommt. Bruce Willis hatte mal wieder sichtlich keinen Bock auf den Film und wird von Thomas Jane und vor allem Ambyr Childers mühelos an die Wand gespielt. Einige Fragen, die „Vice“ aufwirft, sind deutlich interessanter und spannender als der Film selbst (etwa: Was würde ich tun, wenn ich für jedwedes Handeln keinerlei Konsequenzen befürchten müsste?) und hätten gerne zu Ende gedacht werden dürfen. Allerdings schwebte den Machern eher eine flotte Dystopie und weniger eine Ethikstunde vor. Ein legitimer Ansatz, das Potential für mehr ließ man so aber links liegen. Vor allem wäre es cool gewesen, „Vice“ einen „Total Recall“-Twist zu verpassen. Denn gerade den technikfeindlichen Roy hätte man am Ende gut und gerne auch als Gast von „Vice“ enttarnen können. Doch genau dieses Quäntchen Hinterlist fehlt „Vice“ einfach.
Die deutsche DVD von „Vice“ erscheint am 2. Oktober 2015 auf DVD und Blu-ray von dem Label Universum Film. Mit einer FSK 16 Freigabe ist der Film uncut. In England ist der Film bereits eine Weile draußen und kommt von Lionsgate. Hier hat er eine harsche und unverständliche Freigabe ab 18 erhalten.
In diesem Sinne:
freeman
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