Originaltitel: La French__Herstellungsland: Frankreich__Erscheinungsjahr: 2014__ Regie: Cédric Jimenez__Darsteller: Jean Dujardin, Céline Sallette, Benoît Magimel, Gilles Lellouche, Guillaume Gouix, Pauline Burlet, Eric Godon, Mélanie Doutey, Moussa Maaskri, Féodor Atkine u.a. |
In William Friedkins „French Connection“ beschatten der aufrechte New Yorker Cop „Popeye“ Doyle und sein Kollege „Cloudy“ Russo einen Verdächtigen, der angeblich in die Durchführung eines gigantischen Drogendeals verwickelt ist. Bei diesem sollen Unmengen an Heroin aus Frankreich in die USA importiert werden. Ein Megadeal einer mafiaähnlichen Organisation, deren reales Vorbild dem wegweisenden und auf Tatsachen basierenden Thriller seinen Namen gab: Die French Connection. Das war 1971 und damit wenige Jahre bevor die echte French Connection ihre größten Geschäfte mit den USA durchzog und tonnenweise Heroin ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten schmuggelte.
In dieser Hochphase (genauer: 1975) steigt nun „Der Unbestechliche“ in seine Handlung ein. Er fokussiert dabei auf die Stadt Marseille, die neben Städten wie Paris oder Le Havre eine Hochburg der French Connection war. Gaëtan „Tany“ Zampa, ein Korse, hat hier die Geschäfte fest im Griff: Schutzgelderpressung und die Einnahmen aus dem Glücksspiel sichern ihm ein erträgliches Grundeinkommen für sein wichtigstes Geschäft: Die Drogen. Aus der Türkei importiert er Opium, das er von Spezialisten in Frankreich zu extrem reinen Heroin umwandeln lässt. Dieses verkauft er für Unsummen in die USA. Die Vereinigung um Tany ist dabei so effizient, dass außerhalb der Organisation keiner weiß, wer eigentlich hinter den finsteren Drogengeschäften steckt.
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Just in dem Moment wird der engagierte Jugendrichter Pierre Michel zum Richter für organisierte Kriminalität ernannt. Doch die großen Erfolge bleiben zunächst aus. Auch er stochert eher unbeholfen im Dreck, ohne wirklich wichtige Erkenntnisse zutage zu fördern. Doch der Drogentod eines jungen Mädchens, welches er als Jugendrichter betreut hatte, lässt ihn umdenken. Verbissen macht er sich nun daran, die Drogengeschäfte der Unterwelt der Stadt platzen zu lassen. Gerne auch mit nicht ganz legalen Methoden. Er setzt viele kleine Nadelstiche gegen Tany, die diesem zunehmend echte Kopfschmerzen bereiten.
Bald beginnen sich Tanys eigene Leute gegen ihn zu stellen und das Ende seiner „Karriere“ scheint gekommen. Da wird Pierre Michel von dem Fall „French Connection“ abgezogen. Ungläubig und ohnmächtig muss er feststellen, dass seine größten Feinde in den eigenen Reihen lauern…
Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben. „Der Unbestechliche“ beweist, dass diese Redewendung nach wie vor Bestand hat. Dabei ist natürlich klar, dass das Duell zwischen dem Richter Pierre Michel und dem Drogenchef Tany Zampa dramaturgisch überhöht und auch verdichtet wurde (immerhin fokussiert der Film auf einen Abschnitt von sechs Jahren), dennoch ist das Ergebnis sehr spannend und sehr faszinierend. Vor allem die erste Stunde ist ein Meisterstück in Sachen Erzählkunst. In flottem Tempo werden wir in die Abläufe der French Connection eingeführt und lernen die Antipoden näher kennen.
Auf der einen Seite ist da der Richter. Resigniert, aber dennoch weit davon entfernt, aufzugeben, sieht er, was die Drogen mit den Menschen anrichten. Unbeeindruckt von Beleidigungen, Verleumdungen, Drohungen und Bestechungen geht Pierre Michel seinen Weg. Eine leicht überhebliche, arrogante Note lässt ihn selbstbewusst und stark wirken. In Tany Zampa findet er einen würdigen Gegner. Dieser nimmt den Richter lange gar nicht als Bedrohung wahr und agiert sozusagen in Sphären, in denen er unberührbar ist und von Feinden anerkennend auch so bezeichnet wird. Er ist ein Lebemann, ein Familienmensch und er setzt auf Begriffe wie Loyalität und Ehre. Dennoch macht er sich auch die Hände schmutzig, wenn es denn sein muss.
Die Jagd auf Tany Zampa verändert Pierre Michel. Er wird zum Getriebenen, zum Besessenen. Er vernachlässigt seine Familie und bringt sich selbst wiederholt in Lebensgefahr. Er wird zur allgegenwärtigen Bedrohung für Tany, der seinerseits an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen muss: Gegen die Cops, gegen seine Abnehmer, die ihn abzocken wollen, und gegen seine eigenen Handlanger. Ganz viel „Heat“ umweht in diesen Momenten „Den Unbestechlichen“. Dieser fordert den Vergleich sogar heraus, wenn er ungefähr zur Filmmitte die Charaktere zufällig aufeinander treffen lässt, was ihnen die Möglichkeit gibt, in Belanglosigkeiten verpackte Drohungen auszutauschen. Ein Treffen, das in Wirklichkeit nie stattgefunden hat, hier aber genauso eine flirrende Spannung erzeugt, wie es das Gipfeltreffen von De Niro und Pacino im Michael-Mann-Klassiker vermochte.
Nach dem Treffen verliert „Der Unbestechliche“ etwas an Kraft. Er wirkt auf einmal seltsam fahrig und unfokussiert. Anstatt die Ereignisse zu verdichten, wirkt manches auf einmal gestreckt und etwas beliebig. Der Film fängt sich zwar wieder und entfaltet gegen Ende – auch durch eine kurze Verlagerung der Handlung in die USA – wieder seine anfängliche Sogkraft, man kommt aber nicht umhin, festzustellen, dass die 135 Minuten Laufzeit durchaus etwas kürzer hätten ausfallen dürfen. So hätten beispielsweise alle Szenen mit den Frauen von Pierre Michel und Tany Zampa auf den Boden des Schneideraumes gehört. Diese sind nämlich so nachlässig und nichtssagend gezeichnet, dass sie schlichtweg überflüssig wirken. Von der besorgten Ehefrau zur mondänen Partyschnepfe dürfen sie dann auch noch alle erwartbaren Klischees befeuern.
Doch glücklicherweise konzentriert sich „Der Unbestechliche“ eh weitgehend auf seine männlichen Protagonisten, die von hervorragenden Darstellern verkörpert werden. Allen voran die beiden grandios aufspielenden Hauptdarsteller Jean Dujardin („The Artist“) als Pierre Michel und Gilles Lellouche („Point Blank – Aus kurzer Distanz“) als Tany Zampa. Vor allem Dujardin wirkt komplett gegen den Strich besetzt und überrascht mit seinem extrem konzentrierten und präzisen Spiel. Den eiskalt auftretenden Benoît Magimel hätte man weitaus mehr Screentime gewünscht, doch vor dem Hintergrund der Fokussierung auf die beiden Hauptfiguren geht diese Entscheidung gegen den starken Mimen durchaus in Ordnung.
Cédric Jimenez hat seinen Film inszenatorisch immer voll im Griff. Er entschied sich bewusst gegen digitale Technik und setzte auf echtes 35 mm Filmmaterial, was dem Gangsterepos einen mehr als ansprechenden Look verleiht. Jimenez bevorzugt dabei eine fiebrige, nervöse Inszenierung mit Handkamera und Steadycam. So ist er nahe an den Figuren dran und zieht den Zuschauer in sein lebendiges Marseille hinein. Der immer passende Score schwankt zwischen Discosound und beklemmenden Themen, die die zunehmende Abwärtsspirale aller Figuren trefflich untermalen. In Sachen Ausstattung kann man dem Film keinerlei Vorhaltungen machen. Vor allem eine gigantische Disco-Szene in einem Tanzschuppen von Tany birst schier vor stimmigen Details.
Wo Drogen und Gangsterbanden sind, ist Action meist nicht weit. Diese beschränkt sich in „Der Unbestechliche“ jedoch auf einige derbe Gewalteskalationen voll eruptiver Gewalt. Etwa bei Mordanschlägen oder gezielten Hinrichtungen. Dabei kommt es natürlich nicht zu Feuergefechten oder komplexen Actionchoreografien. Die aufwändigste Actionszene bildet die Erstürmung eines Unterschlupfes von Tany Zampas, bei dem dann aber ordentlich blaue Bohnen durch die Luft fliegen.
Das Ergebnis ist eine Art verspätete europäische Fortsetzung bzw. das europäische Gegenstück von „French Connection 1+2“. Ein stilsicherer Thriller über das organisierte Verbrechen im Drogenmilieu mit ambivalenten Figuren, starker Spannungskurve, dichter Atmosphäre, ordentlichem Tempo, brillanten Darstellern und basierend auf einer wahren Geschichte. Aus der tatsächlichen Geschichte resultiert im Übrigen auch ein interessantes Ende. Während man als Zuschauer nämlich glaubt, dass alles auf eine finale Konfrontation zwischen Tany und Pierre hinauslaufen muss, kommt es dann doch ganz anders. Nach Jahren der gegenseitigen Konkurrenz sind beide zum kleinen, schnell ersetzbaren Rädchen im Getriebe des jeweiligen Systems mutiert. Entsprechend unwürdig enden die Karrieren beider Männer…
Die deutsche DVD/Blu-ray erscheint am 24. September 2015 von Koch Media und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten. Ein fast einstündiges Making Of erlaubt tiefe Einblicke in die Entwicklung der Charaktere von „Der Unbestechliche“.
In diesem Sinne:
freeman
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