Originaltitel: Blunt Force Trauma__Herstellungsland: Kolumbien__Erscheinungsjahr: 2015__ Regie: Ken Sanzel__Darsteller: Mickey Rourke, Ryan Kwanten, Freida Pinto, Jon Mack, Jason Gibson, Carolina Gómez, David Villada, Maruia Shelton, Ruben Zamora, Steven Galarce u.a. |
Wenn eine Kugel auf eine schusssichere Weste abgefeuert wird, wird sie im besten Fall durch in die Weste eingebrachte Kevlar-Strukturen davon abgehalten, in den Körper des Westenträgers einzudringen. Die kinetische Energie des Projektils jedoch kann auch die dickste Weste nicht vom menschlichen Körper fernhalten. Diese kann so groß sein, dass alleine die Wucht des Aufpralls (durchaus auch tödlich verlaufende) innere Verletzungen bei dem Westenträger bewirken und sogar einen Herzstillstand herbeiführen kann. Diese Auswirkungen bezeichnet man als Blunt Force Trauma. Und damit hätten wir schon einmal den Zusatztitel des Streifens „The Gunfighters“ erklärt.
Zudem sind wir mittendrin in der Handlung des Filmes. In diesem geht es um den modernen Revolverhelden John. Der stellt sich in Südamerika immer neuen Schusswaffenduellen. Diese verlaufen nach festen Regeln. Auch hier gilt: Wer zuerst zieht, hat den größten Vorteil. Der besondere Clou: Beide Duellanten treten mit kugelsicheren Westen gegeneinander an – und beide dürfen ausschließlich auf die Weste des Gegners ballern.
Befördert die Wucht der einschlagenden Kugeln nun einen der Duellanten aus dem Bereich einer fest vorgegebenen Markierung, hat er eine gewisse Zeit, um in diesen Bereich zurückzukehren. Aufgrund der Auswirkungen des Blunt Force Traumas keine leichte Aufgabe… Schafft er es nicht, hat der Gegner das Duell gewonnen und streicht die Siegesprämie ein. Schafft er es doch, ballern die Duellanten weiter aufeinander, bis einer der beiden nicht mehr in den markierten Bereich zurückkehren kann.
Johns Ziel: Er möchte gegen Zorringer antreten. Den vermeintlich besten Revolverhelden überhaupt. Doch dessen Managerin meint, John habe sich noch lange nicht das Recht erkämpft, gegen den Besten der Besten anzutreten. Doch John steckt nicht auf. Gemeinsam mit Colt, einer jungen Dame, die in der Szene den Mörder ihres Bruders sucht, bricht er zu einer langen Reise auf, an deren Ende das Duell mit Zorringer stehen soll.
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Die Folge ist ein thematisch bizarres Road Movie, dem es erstaunlich gut gelingt, eine Art Parallelwelt aufzuspannen, in der die soeben beschriebenen Duelle einer Art sportlichem Wettkampf gleichkommen. Es wird sogar eine Mythologie um diese Duelle errichtet, um sie noch mehr in der vermeintlichen Realität zu verankern. Mit großem Erfolg. Schon nach wenigen Minuten wundert man sich nicht mehr darüber, dass scheinbar jeder Mensch in dem Film von diesen Duellen weiß oder selbst daran partizipiert.
In Sachen Handlung passiert so gut wie gar nichts. Colt sucht den Mörder ihres Bruders und John will zu Zorringer gelangen. Viel mehr ist da nicht. „The Gunfighters“ konzentriert sich stattdessen vollkommen auf seine Figuren und taucht tief in deren Befindlichkeiten ein. Ruhig und konzentriert werden die beiden Hauptfiguren Colt und John zu immer lebendigeren Charakteren entwickelt, die immer mehr von sich preisgeben und den Zuschauer mehr und mehr für sich vereinnahmen. Was freilich auch an den beiden großartigen Darstellern liegt. Die schöne Freida Pinto („Krieg der Götter“) überzeugt vollkommen als zunächst übercoole Revolverbraut und transportiert mit zunehmender Laufzeit auch die weicheren Seiten ihrer Figur absolut überzeugend.
Die große Überraschung ist aber definitiv Ryan Kwanten. Der Prollheld aus der Serie „True Blood“ gefiel zwar schon in Filmen wie „Red Hill“ und „Northmen“, brilliert nun aber in „The Gunfighters“ mit einer hervorragenden, angenehm geerdeten, sehr intensiven schauspielerischen Leistung. Zudem harmoniert er prächtig mit Freida Pinto, weshalb ein Duell zwischen ihren beiden Figuren der intensivste und atmosphärisch dichteste Moment des ganzen Filmes ist. Selbiger ist zudem elegisch inszeniert, mit wunderschönen Bildern auf die Leinwand gemalt und von einem fantastischen Song untermalt. Indem Colt in dieser Szene John ihr vollkommenes Vertrauen einräumt und umgekehrt auch das absolute Vertrauen von ihm einfordert, atmet die Szene obendrein eine verquere, absolut berührende Romantik.
Optisch überzeugt der Film mit unaufgeregten Bildern aus dem Herzen Kolumbiens, ohne jemals konkret zu machen, wo die Handlung tatsächlich angesiedelt ist. Die langsame und bedächtige Inszenierung erzeugt im Verbund mit der immer großartigen Songauswahl eine unglaublich dichte Atmosphäre, die dem Film auch über ein paar zu lange Momente hinweghilft. Vor allem in Richtung Showdown verschleppt Regisseur Ken Sanzel das Tempo nämlich ordentlich. Zudem bekommt der Film zunehmend auch angeschrägte Einschläge. Etwa die Momente in einem Gasthaus, in dem John auf das finale Duell hinfiebert.
Der souveräne Auftritt des optisch wieder einigermaßen vernünftig aussehenden Mickey Rourke („The Expendables“) als Zorringer schlägt dann in die gleiche Kerbe. Gleichnishaft wird nun über das Leben eines Papageien fabuliert, während man als Zuschauer nie so recht verorten kann, ob die Luft zwischen beiden Kontrahenten nun vor Spannung oder gegenseitigem Respekt flirrt. Allgemein hat sich der Ton des Filmes nun leicht verschoben. Ein Happy End scheint nicht mehr möglich. Zumal beide Kontrahenten vollkommen unvermutet ohne Westen gegeneinander antreten. Über das Warum und Wieso schweigt sich „The Gunfighters“ leider zu vehement aus…
Trotz diverser kleinerer Ungereimtheiten und den zum Ende hin immer offenkundiger werdenden Längen des Filmes nimmt dieser den Zuschauer aufgrund seiner dichten Atmosphäre vollkommen gefangen. Hinzu kommt, dass die in regelmäßigen Abständen abgefeuerten Duelle in beständig variierenden Settings immer wieder einen unvermuteten Verlauf nehmen und so nicht zum repetitiven Moment verkommen. Spannung generieren die Duelle auch deshalb, weil im Eifer der Aufeinandertreffen nicht immer nur die Weste getroffen wird. In der Folge ist prinzipiell jeder denkbare Duell-Ausgang – eben auch mit tödlichen Konsequenzen – möglich. Sehr schön ist zudem die Liebeskiste zwischen Colt und John angelegt, die mal sämtlichen Klischees folgt und kurz darauf ebenjenen mit Anlauf in die Eier tritt. Die starken darstellerischen Leistungen runden „The Gunfighters“ dann trefflich ab. Man sollte sich nur nicht von dem allzu waffenstarrenden Cover (inklusive im Film nicht vorkommendem, brennendem Inferno) täuschen lassen. „The Gunfighters“ ist mehr feines Charakterdrama denn Actioner.
Die deutsche DVD/Blu-ray erscheint am 11. Dezember von Universum Film und ist mit einer Freigabe ab 16 ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
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