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Creed – Rocky’s Legacy

Originaltitel: Creed__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: Ryan Coogler__Darsteller: Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Graham McTavish, Tessa Thompson, Wood Harris, Phylicia Rashad, Ritchie Coster, Tony Bellew, Andre Ward u.a.
Creed: Rocky's Legacy

Für den Oscar hat es nicht gereicht, dennoch spielt Sly absolut genial in “Creed: Rocky’s Legacy”

Ich bin ein großer Fan von Plansequenzen. Je aufwändiger und dynamischer diese ohne Schnitte auskommenden Stilmittel ausfallen, umso besser. Zuletzt hatte mich Sam Mendes mit der Eröffnungssequenz in „Spectre“ begeistern können, musste hernach aber zugeben, dass bei dieser „Plansequenz“ die Schnitte nur gut versteckt wurden. Doch nun gibt es einen neuen Platzhirsch im Plansequenz-Revier: „Creed“. Zumindest solange, bis diese Szene auch als Fake enttarnt wird. Was aber hoffentlich nie passieren wird.

Denn diese Sequenz ist ein echtes Schmuckstück geworden. Sie birst vor Dynamik und unerwarteten Kameraperspektiven und versetzt den Zuschauer mitten hinein in den ersten Profi-Kampf von Adonis Johnson. Adonis wer? Nun, Adonis ist ein Sohn von Apollo Creed. Ergebnis eines Seitensprunges des virilen Ex-Box-Weltmeisters und Freundes von Rocky Balboa. Adonis jedoch hat seinen Vater nie kennengelernt, da dieser vor Adonis’ Geburt bei einem Kampf gegen die russische Kampfmaschine Ivan Drago („Rocky IV“) im Ring verstorben war.

Aufgezogen von der Mutter geriet der impulsive Junge häufiger in Schwierigkeiten. Jugendheime und Strafeinrichtungen wurden zu seiner eigentlichen Heimat. Doch hier lernte er zumindest eines: Sich durchzuboxen. Wortwörtlich. Nach dem Tod seiner leiblichen Mutter steht auf einmal Apollos Frau vor Adonis und verändert sein Leben schlagartig. Sie nimmt den Jungen bei sich auf, lässt ihm eine gute Erziehung zukommen und hegt und pflegt den jungen Mann.

Der fühlt sich in dem goldenen Käfig aber nicht wirklich wohl. Er will kämpfen. Der Box-Autodidakt probt seine Fähigkeiten bei Hinterhofboxkämpfen in Mexiko und macht dabei einen guten Schnitt. Als ihm in seinem aufgedrückten Job eine Beförderung winkt, kündigt er und bricht mit dem Leben unter den Fittichen von Apollos Witwe. Er geht nach Philadelphia. Sein Ziel: Apollos Kumpel Rocky dazu überreden, ihn zu trainieren.

Der hat – wie der Zuschauer in „Rocky V“ – mit dem Part des Trainers keine guten Erfahrungen gemacht und ziert sich darum, Adonis zu unterrichten. Doch im Gegensatz zu dem kalkig wirkenden Mehlsack Tommy Gunn, den Balboa in „Rocky V“ trainierte, stimmt zwischen Adonis und Rocky die Chemie auf den Punkt. Das sieht der Zuschauer und das sieht auch Rocky. Adonis Johnson bzw. dessen Darsteller Michael B. Jordan ist einfach ein ganz anderes Kaliber als der absolut unsympathische Tommy Morrison. Und so ziert sich Rocky auch nicht lange und übernimmt den Trainerjob.

httpv://www.youtube.com/watch?v=g8ZNvWJVZrA
Die B-Roll zum Film

Das gibt vor allem Stallone die Möglichkeit, richtig zu glänzen. Balboa ist sowieso seine Figur. Keiner könnte Rocky so einnehmend verkörpern wie Sylvester Stallone („Shootout“). Und so glaubwürdig. Das leicht Linkische, die Bauernschläue, diese Ansammlung an Lebensweisheiten und dieses absolut sympathische Maß an Naivität nimmt man nur Stallone wirklich ab. Dazu kommt ein absolut köstlicher Humor, vor allem im Zusammenspiel mit dem jungen Michael B. Jordan („Fantastic Four“). Gegen Ende glänzt Stallone zudem mit einer absolut uneitlen Darstellung, die ganz nebenbei seine Figur um eine tragische Dimension erweitert.

Creed: Rocky's Legacy

Rocky und Adonis sammeln sich.

In diesem Abschnitt kommt „Creed“ kurz ins Straucheln. Das einzige Mal. „Creed“ wirkt hier zu ambitioniert. Will ein wenig zu viel. Wird ein wenig sperrig. Verliert aber nie seine Zuschauer. Vor allem dank Stallones hinreißender Performance. Aber auch, weil Adonis Johnson um Rocky kämpft. Seine Befindlichkeiten hinten anstellt und aus der Trainer-Schüler-Beziehung im Handumdrehen eine zarte Vater-Sohn-Beziehung macht. Michael B. Jordan muss man aber auch abseits der Szenen mit Stallone größten Respekt zollen. Neben einer ungeheuren physischen Präsenz bringt er die verschiedenen Facetten seiner Figur glaubhaft auf den Punkt und entwirft einen lebendigen, einen authentischen Charakter.

Der in eine ebensolche Beziehung mit der hinreißenden Tessa Thompson („Selma“) stolpern darf. Die gibt eine starke Frau, die genau weiß, was sie will. Die mitten im Leben steht und sich auch nimmt, was sie will. Ihre Figur der Bianca ist nicht einmal ansatzweise mit Rockys schüchterner und viel zu zurückhaltender Adrian zu vergleichen. Nicht die einzige Modernisierung, die „Creed“ ins Rocky-Franchise bringt.

Regisseur Ryan Coogler („Nächster Halt: Fruitvale Station“) macht das Franchise fit für eine neue Generation von Fans. Er kreuzt urbane, moderne, pulsierende Musik mit Klassik und „normalen“ Score-Elementen sowie den Rocky-Fanfaren. Vermengt lange, fantastische Einstellungen mit Stilmitteln des Indie-Kinos (etwa rast- und ruhelos wirkende Einstellungen, bei denen die Kamera erst nach dem wichtigsten Bildinhalt zu suchen scheint). Cooglers Eintrag ins Franchise ist jung, lebendig und definitiv bereit für weitere Runden.

Creed: Rocky's Legacy

Ein audiovisueller Höhepunkt: Adonis’ Lauftraining

Apropos: Die eingangs erwähnte Plansequenz beginnt, wenn Adonis Johnson die Halle seines ersten Profi-Kampfes betritt. Die Kamera schwebt hinter ihm und entdeckt mit ihm den Ort des Geschehens. Ein Stilmittel, dass der Regisseur von „Creed“ bei so gut wie jedem vollkommen neuen Schauplatz einsetzen wird.

Die Kamera besteigt mit Creed den Ring, lauscht den Worten des Ringrichters und gerät dann mitten zwischen die Fronten. Die Gegner stürmen aufeinander zu. Wuchtige Hiebe schlagen in den Körpern der Kontrahenten ein. Die Kamera, die eigentlich immer im Weg stehen muss, umschwebt elegant die Fighter, stört deren Kreise erstaunlicherweise nie, rempelt nirgends an und wird in ihren Bewegungen durch den Ring immer komplexer. Irgendwann nimmt sie sogar gänzlich die Position von einem der Kämpfer ein und teilt selbst aus. Die Soundkulisse besteht aus Jubelschreien der Zuschauer, ergänzt um gebrüllte Trainer-Anweisungen, die aus undefinierbaren Richtungen zu kommen scheinen. Für einen kurzen Moment blendet „Creed“ dann alles aus. Es wird leise, bis auf die Fighter wird alles schwarz. Die vollkommene Konzentration auf das Wesentliche.

Etwas, das Regisseur Coogler auch in kleinen, ungeheuer intim wirkenden Momenten zelebriert. Etwa wenn Rocky am Grab von Paulie und Adrian steht, ihnen von seinem Tag berichtet, auf einem Klappstuhl Platz nimmt und im Kreise seiner Lieben schlicht und ergreifend Zeitung liest. Ein so simpler wie ergreifender und anrührender Moment. Sofort blitzen die Bilder aus den ersten Teilen auf, als Rocky seine Adrian herbei brüllt und im Ring mit Paulie und Co. triumphiert. Er hatte nicht gewonnen, war aber dennoch ein Sieger.

Creed: Rocky's Legacy

Rocky und Adonis beim Training

Fast noch eindrücklicher ist die finale Szene. Hier stehen Adonis und Rocky vor dem Museum of Art. Sie haben die Treppen erklommen, die sich Rocky Balboa im ersten Teil entgegenstellten und ihm zu Beginn eindrücklich wissen ließen, dass er noch nicht bereit war für die große Herausforderung. Er trainierte hart, bis er die Treppe bezwang. Seinen Aufstieg in der Boxwelt begann. In ein neues Leben startete. Dieses Mal steht er gemeinsam mit Adonis ganz oben. Sie schauen auf Philadelphia hinunter und Rocky stellt allgemein fest, dass man von diesem Punkt aus sein ganzes Leben sehen könne. Für niemanden könnte diese Aussage wahrer sein als für ihn…

„Creed“ hat mich im Kino mehrfach überwältigt. In einer Form, wie ich es niemals erwartet hätte. Für mich war das Rocky-Franchise mit „Rocky Balboa“ zu einem tollen Ende gebracht worden. Ich fühlte mich versöhnt mit der Reihe. War bereit, den grottigen fünften Teil zu vergessen… Und genau diesen Film wollte „Creed“ nun wieder hervorkramen und Rocky als Trainer eines Nachwuchstalentes präsentieren? Ich war ziemlich skeptisch. Vollkommen zu Unrecht! „Creed“ zeigt auf, wie gut „Rocky V“ in versierten Händen, mit einem ordentlichen Drehbuch und engagierten Machern hätte werden können und müssen. Natürlich kann man bemängeln, dass die Story von Adonis Johnson auch nur jene von Rocky Balboa ist und „Creed“ nun mehr Remake denn Weiterentwicklung darstellt, aber wen juckt das? Mich nicht. Vor allem, wenn das Ergebnis einen so punktgenau erreicht, wie es „Creed“ schafft. Der Film drückt genau die richtigen Knöpfe, ist humorvoll, spannend, traurig, bewegend, lebensklug und schlicht und ergreifend fantastisch gespielt. Und spätestens wenn Adonis auf seinen Gegner Conlan trifft, jubilieren auch die Actionfans. Dieser Fight hat richtig Rumms, ist stark inszeniert und montiert und lässt einen im Kinosessel/auf der Couch hemmungslos mitfighten. Bauchkino par excellence.

„Creed: Rocky’s Legacy“ erscheint am 4. Mai von Warner Home Video auf DVD und Blu-ray und ist mit einer FSK 12 Freigabe ungeschnitten.

In diesem Sinne:
freeman


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Creed - Rocky's Legacy

In „Creed“, dem Spin-Off zur „Rocky“-Saga, lässt Sylvester Stallone seine Paraderolle erneut aufleben

Rocky“ ist inzwischen der Inbegriff des Boxerfilms, erlebte 2006 das späte Sequel „Rocky Balboa“ als Wiedergutmachung für den schwachen fünften Teil, war maßgeblich für die Retro-Boxer-Komödie „Grudge Match“ und erhält nun mit „Creed“ ein Spin-Off.

Regisseur und Drehbuchautor Ryan Coogler hatte seinen Durchbruch mit „Fruitvale Station“, der Aufarbeitung des Todesfalles von Oscar Grant, in dem es vor allem um die Benachteiligung ging, die Schwarze in der US-Gesellschaft erleben. Von diesem Impetus ist auch „Creed“ beseelt, mit gleichem Hauptdarsteller wie „Fruitvale Station“, wenn er die Jugend des Waisenknaben Adonis Johnson nachzeichnet, der durch Schlägereien in Pflegeeinrichtungen auffällt und schließlich von Mary Anne Creed (Phylicia Rashad) aufgenommen wird, der Frau des verstorbenen Apollo – Adonis‘ Vater, der den Jungen bei einem Seitensprung zeugte, aber vor dessen Geburt verstarb (siehe „Rocky IV“).

Durch die Adoption entkommt Adonis (Michael B. Jordan) dem Schicksal benachteiligter Schwarzer und schlägt einen bürgerlichen Weg mit Bürojob ein, auch wenn das Boxen ihn nie loslässt und er in Mexiko bei zwielichtigen Events 16 Siege einfährt. Doch als eine Beförderung ansteht, ist dies ein Signal für Adonis: Er kündigt, zieht aus dem reichen Elternhaus in eine Bruchbude in Philadelphia und will es als Boxer schaffen, ohne den Namen seines Vaters auszunutzen. Eine bekannte Geisteshaltung des Boxer- und Kampfsportfilms, dass der Erfolg nur durch hartes Leben, durch Training mit einfachen Mitteln kommen kann, dass Luxus und Geborgenheit keine Authentizität bietet, sogar verweichlicht – man vergleiche unzählige Genrefilme, in denen Training mit primitiven Mitteln und eiserner Willen arroganten Widersachern entgegengestellt werden, die mit zig Trainern, modernster Technik und wissenschaftlichen Berechnungen an sich arbeiten, aber gegen den authentischen Fighter unterliegen.

Adonis beginnt in Mickeys alten Gym zu trainieren, wie dereinst Rocky Balboa (Sylvester Stallone), den er ebenfalls aufsucht und bittet ihn zu unterweisen. Der alte Boxer lehnt zuerst ab, aller Verbundenheit Apollo gegenüber zum Trotz, doch wird schließlich vom Charme und Ehrgeiz des Jungboxers vom Gegenteil überzeugt…

httpv://www.youtube.com/watch?v=gvTWfPBFJDU

Creed - Rocky's Legacy

Rocky Balboa (Sylvester Stallone) trainiert Apollos Sprößling

Man kann es „Creed“ nicht absprechen, dass er von wohligem Retrocharme und Nostalgie zehren möchte, dass er gewissermaßen eine Neuauflage des ersten „Rocky“ unter veränderten Vorzeichen ist: Wieder will sich ein junger Boxer beweisen, der ein Außenseiter ist, der sich bloß in kleinen Kämpfen bewährt hat und der schlussendlich tatsächlich für einen Titelfight ausgewählt wird, bei dem seine Wahl eher repräsentativen Charakter hat. Gleichzeitig standen ja alle „Rocky“-Sequels mehr oder weniger im Dialog mit dem Erstling, sei es nun der Wandel des Verhältnisses von Rocky und Apollo zueinander oder die zeitliche Verortung des alternden Boxers Rocky in seinem jeweiligen Kontext, ob nun als schillernder Star der körperfixierten 1980er oder als alter Kämpe, der noch einmal ran muss.

So zitiert und variiert Coogler hier bekannte „Rocky“-Topoi: Erneut wird Schnelligkeit durch das Einfangen von Hühnern geübt, alte Musikstücke werden in neuen Variationen eingespielt, die vom Sound eher zur schwarzen Kultur des jungen Adonis passen, der zudem noch eine Beziehung mit der Musikerin Bianca (Tessa Thompson) beginnt, und sogar sein Äquivalent zu Rockys Jogging die Treppen hinauf bekommt Adonis serviert, auch hier mit Blick auf den kulturellen und sozialen Kontext. Denn erfreulicherweise bleibt Coogler den Formeln der Reihe und des Genres zwar treu, doch arbeitet sie nicht nur stumpf ab, sondern gibt ihnen einen neuen Spin.

Creed - Rocky's Legacy, Sylvester Stallone

Adonis Johnson (Michael B. Jordan) bewährt sich im Ring

Schön auch, dass Coogler bei aller Nostalgie und Huldigung des Charmes des Einfachen auch Zeit für ironische Brüche findet, gerade was das Aus-der-Zeit-Gefallene Rockys angeht. Erwähnt Adonis etwa, ein soeben geschossenes Handyfoto befände sich in der Cloud, guckt dieser nur verdattert gen Himmel. An anderer Stelle kündigt Adonis eine exzessive Siegesfeier nach einem gewonnenen Kampf an, ein Schnitt zeigt ihn, Bianca und Rocky schlafend mit Eiscreme auf der Couch, während im Fernsehen „Skyfall“ läuft – noch so eine inzwischen modernisierte Figur vom „Rocky“-Studio MGM. Gleichzeitig ist da immer auch Platz für das mitreißende Pathos der „Rocky“-Saga, für die Verluste und Triumphe der Hauptfiguren, für das Melodrama, für den emotionalen Kern der Franchise, der bei deren schwächeren Einträgen immer etwas in den Hintergrund rückte.

Nicht immer ganz reibungslos verläuft dagegen die Einbindung von Franchise-Zugpferd Rocky, der sich hier nun auf den Lehrerposten zurückzieht und eine mögliche Staffelstabübergabe vorbereitet. Zum einen ist dieser Schritt fast schon folgerichtig und bringt ein nostalgisches Wiedersehen mit dem Fighter aus einfachen Verhältnissen, der immer noch auf liebenswerte Weise simpel ist, bevorzugt Hut trägt, pragmatische Lösungen findet und seine Vergangenheit nie vergisst: Inzwischen ist auch Paulie gestorben, dessen Grab nun neben Adrians liegt, welches Rocky häufig besucht. Ein Subplot im letzten Drittel allerdings droht kurzfristig zu viel Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken, wirkt etwas eingeschoben, auch wenn „Creed“ die Kurve dadurch kriegt, dass er ihn durch das Thema der Quasifamilie Creed-Balboa und des gemeinsamen Kämpfens wieder an den Mainplot bindet.

Creed - Rocky's Legacy

Der Champ: ‘Pretty’ Ricky Conlan (Tony Bellew)

Geboxt wird natürlich auch in „Creed“, neben Trainingseinheiten und -montagen eines der Herzstücke eines jeden Boxerfilms. Dabei setzt Coogler auf etwas größeren Realismus als die Vorgängerfilme und inszeniert zwei packende Boxkämpfe. Den ersten in der Filmmitte als actionreiche Plansequenz, die längste und aufwändigste von mehreren im ganzen Film, ein in einem einzigen Take gefilmtes Match. Das Finale dagegen ist ein langer Kampf, mit Zwischenschnitten und Ellipsen, mit in Zeitlupe stürzenden Kontrahenten, mit blutigen Cuts und Schwellungen im Gesicht. Ein Finalkampf in der Tradition der Reihe, in dem sich zwei Kontrahenten beharken, der Held als Außenseiter antritt und die Frage ist, ob mehr als ein moralischer Sieg drin ist. Und ganz im Sinne der Franchise stehen am Ende versöhnliche Töne zwischen den Fightern.

Für entsprechende Authentizität verpflichtete man sogar echte Boxer für entsprechende Rollen, darunter Andrew Ward und Tony Bellew, von denen vor allem letzterer als Champ eine überraschend starke Leistung hinlegt, nicht nur in den Kampfszenen. Das große schauspielerische Nachwuchspfund, mit dem „Creed“ wuchern kann, ist natürlich Michael B. Jordan („Fantastic Four“), dem man sowohl den ehrgeizigen Fighter als auch den jungen Mann, der mit dem Familienerbe des Namens Creed Schwierigkeiten hat, abkauft. Sylvester Stallone („Cop Land“) dagegen präsentiert sich uneitel als gealterter Rocky, von dem keine körperlichen Heldentaten mehr zu erwarten sind, eine reife Leistung und ein mutiger Schritt innerhalb der Franchise. Phylicia Rashad („Die Bill Cosby Show“) und Tessa Thompson („Veronica Mars“) überzeugen als Mutter und Freundin von Adonis, auch wenn sie in diesem Männerfilm nur zweite Geigen spielen, und Graham McTavish („John Rambo“) lässt bei seinen wenigen Szenen als kalkulierender Boxtrainer und -promoter so richtig die Sau raus.

Wie schon „Rocky Balboa“ und vielleicht mehr noch als dieser ist „Creed“ ein Film für die Fans, einer, den es ohne „Rocky“ unmöglich gäbe, der sich vor allem durch das Spiel mit Wiederholung und Abgrenzung vom Original definiert, der sich aber auch mit der neuen Hauptfigur einen neuen Blickwinkel erlaubt. Gerade dann, wenn „Creed“ diesem Blickwinkel etwas untreu wirkt, dann schwächelt Cooglers Film etwas, ansonsten aber ein schöner Boxerfilm nach bekannter Formel – und mit mehr emotionaler und erzählerischer Schlagkraft als der zuvor gestartete „Southpaw“.

Knappe:

„Creed“ startet am 14. Januar 2016 in den deutschen Kinos.

© Nils Bothmann (McClane)


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Es liegt auf der Hand – dieser Film hätte mächtig in die Hose gehen können. Würde ein Rocky-Spin-Off funktionieren, nachdem mindestens „Rocky V“ und „Balboa“ so etwas wie einen Abschied von der legendären Boxerfigur Stallones behauptet haben? Würde die Geschichte um einen Apollo-Nachkommen interessieren? Würde Michael B. Jordan ihn mit Leben füllen? Würde Stallone einem jungen Nachwuchsregisseur vertrauen können, der zwar die Euphorie und Leidenschaft mitbrachte, nicht aber die Erfahrung? Deutete eine Laufzeit mit Überlänge nicht auf falsche Komplexität hin, die das einfache Leben im Wirkungskreis von Balboa nur verkomplizierte?

Am Ende wurden all diese Fragen auf bestmögliche Art gelöst und ein fragiles Gerüst in eine stabile Form gebracht, mehr noch: Einer der besten Filme der Serie entstand.

Rocky, muss man dazu anbringen, ist zwar eine von Pathos getriebene Figur, keine aber, die mit einem großen Knall von der Bühne abtreten muss; diese Entscheidung hat Stallone am Ende von „Rocky V“ getroffen. Sie verkörpert den Lauf des Lebens an sich über einen Zyklus von bisher sieben Filmen mit einer ihr eigenen Logik. Selten cool, immer jedoch aufrecht und kämpferisch, macht sie das Prinzip des Kämpfens und der Rückkehr vielleicht deutlicher als jeder andere Hollywood-Charakter.

Ryan Coogler stellt nun unter Beweis, dass er sich mit dieser Figur hervorragend auskennt. Obwohl die Filme stilistisch und tonal nicht immer aus einem Guss wirkten, nimmt er sie alle als Teil seiner eigenen Geschichte an und arbeitet sie über Anekdoten oder Archivmaterial geschickt ein. Marotten wie das Lesen der Zeitung vor Adrians Grab weisen Rocky als treuherzig und gewohnheitsgetrieben aus. Andererseits fällt in einem Vergleich mit dem Vorgänger „Balboa“ auf, wie sehr die Zeit ihn verändert hat. Stallone, der 2006 einen Mann spielte, der es noch ein letztes Mal wissen wollte, rechtfertigt den Golden-Globe-Gewinn und die Oscarnominierung mit einer der besten Leistungen seiner Karriere. Er lässt den alten Bekannten, mit dem er 1976 zum ersten Mal zusammentraf, immer wieder aufblitzen, zeichnet hauptsächlich aber das Bild eines vom Alter gezeichneten Ex-Boxers, der eine völlig andere Motivation entdeckt, ins Geschäft zurückzukehren.

Diese ungemein feinfühlige Charakterzeichnung dürfte eben auch Coogler anzurechnen sein, der sich die nötige Zeit nimmt, die Saga um ein weiteres wertvolles Kapitel zu bereichern. Das gelingt ihm aber nicht etwa nur über Stallone, der laufzeittechnisch nur noch eine Nebenrolle bedient. Sondern eben auch durch die Portraitierung Philadelphias, immer kurz vor der Verklärung zwar, aber doch stellt er die Vorzüge der Ostküstenstadt an Originalschauplätzen ähnlich stark heraus wie der letzte Film dies tat.

Natürlich bedient „Creed“ auch all die anderen Elemente, durch die „Rocky“ populär geworden ist. Den Trademarks der Reihe wird konsequent Tribut gezollt und in einen modernen Kontext gesetzt, egal wie albern einiges davon heute wirken mag: Schattenboxen vor einem Youtube-Video von einem Kampf zwischen Creed und Balboa, Lauftraining mit finaler Jubelsequenz unter Begleitung Jugendlicher (pompös inszeniert mit Rundum-Kamerafahrt und der legendären Rocky-Fanfare, die sich aus urbanem Hip Hop schält), letztlich die finale motivierende Trainingssequenz. Auf die Boxkämpfe indes wurde noch mehr Fokus gelegt und mit Kamerafahrten experimentiert: An „Raging Bull“ angelehnt, tänzelt die Kamera durch den Ring, gleitet mal in die Egoperspektive eines Boxers und wieder aus ihr heraus und vermittelt so ein überzeugendes Gefühl des Mittendrinseins, das den Film auch technisch stark sein lässt, wobei selbst Szenen abseits des Rings oftmals ungewöhnlich inszeniert sind, denkt man etwa an den in Aufsicht gefilmten Eintritt in eine alte Trainingshalle. In Anthony Bellew ist weiterhin ein Endgegner mit bedrohlicher Ausstrahlung gefunden, der auch im wahren Leben Boxer ist, auch wenn Ivan Drago natürlich der furchterregendeste aller Antagonisten dieser Reihe bleibt.

Die Haupthandlung dreht sich um Adonis Johnson / Creed, seine Vorgeschichte, seine Motivation, sein Einleben in New York und seine Suche nach mentaler Führung. Sie gehört mit einer vereinfachten Psychologisierung und einer standardisierten Love Story (ordentlich dabei: Tessa Thompson) nicht zwangsläufig zu den Stärken dieses Werkes (und wurde daher bis zu diesem Punkt noch nicht angesprochen), gibt der Handlung aber andererseits eine solide Basis und hilft dabei, den von Michael B. Jordan dargestellten Hauptcharakter besser zu verstehen. Tatsächlich findet man anfangs kaum einen Bezug zur Figur, was sich dann im Laufe der über 130 Minuten deutlich verändert. Schön ist es auch, Phylicia Rashad (Bill Cosby Show) wiederzusehen.

Kleine Schwächen verzeiht man dieser Mischung also gerne, denn irgendwie haben sie schon immer dazugehört und ohne sie wäre es wohl kein Rocky. Davon abgesehen holt Coogler tatsächlich das allerbeste aus einem Stoff, den man eigentlich längst für beendet erklärt hatte.


© Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Warner__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 14.1.2016 in den deutschen Kinos

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