Originaltitel: Rampage: President Down__Herstellungsland: Kanada__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Uwe Boll__Darsteller: Brendan Fletcher, Matt Frewer, Ryan McDonell, Steve Baran, Bruce Blain, Michaela Mann, Victor Formosa, Scott Patey, Ralph Steiger, Timo Weingaertner, Crystal Lowe u.a. |
Aus! Vorbei! Uwe Boll will nicht mehr! Würden sich die Voraussetzungen für die Finanzierung von Filmen nicht grundlegend ändern, sei der Abschied des streitbaren Filmemachers als endgültig zu betrachten. Ganz wolle er dem Filmbusiness aber nicht den Rücken kehren, wie er bei der Kinotour zu seinem Streifen „Rampage: President Down“ feststellt, denn als Produzent und als Vertrieb von Werken anderer Regisseure wolle er noch agieren. Doch Regieführen, das sei gegessen. Zumindest habe er bei seinem letzten Werk noch einmal ordentlich einen rausgehauen. So wirklich mitgehen, kann ich mit dieser Aussage aber leider nicht.
Die Geburt von „Rampage: President Down“ war keine leichte. Als ich Uwe Boll bei der Kinotour zu „Rampage: Capital Punishment“ fragte, was er für einen eventuellen dritten Teil noch in der Hinterhand habe, antwortete er, dass er die Reihe mit einem großen Knall enden lassen wolle. Um das umzusetzen, braucht es freilich ordentlich Geld. Doch das wird für Boll diesmal schwierig. Die DVD und Blu-ray-Märkte refinanzieren seine Filme nicht mehr. Das TV schlägt in den seltensten Fällen bei seinen Werken zu. Boll ergreift darum einen allzu logisch erscheinenden Strohhalm. Versucht den Film mittels Crowdfunding anzuschieben und scheitert krachend.
Zwar sorgt eine wütende Ansprache Bolls für Amüsement im Netz und einige Spenden, am Ende bleibt aber kaum mehr als eine weitere Wutrede, in der Boll bereits leicht resigniert klingt. Doch es gelingt ihm dennoch, das Budget für „Rampage 3“ aufzutreiben. Mit einer Million Dollar dreht er den Film innerhalb rekordverdächtiger sechs Tage ab…
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Bill Williamson ist der große Coup gelungen. In einem Husarenstreich erschießt er den Präsidenten der Vereinigten Staaten, den Vizepräsidenten und einen Minister. Er flieht in einen Unterschlupf irgendwo im Nirgendwo und hält hier Kontakt mit seinen Followern und seiner großen Liebe. Selbige hat ihm inzwischen gar ein Kind geboren. Doch Bill weiß, dass er dem Kind nie ein Vater wird sein können.
Und tatsächlich, das FBI ist ihm bereits näher, als ihm lieb sein kann. Doch Bill ist bereit, für seine Überzeugungen zu sterben. Mit aller Macht wirft er sich den FBI-Agenten entgegen. Er weiß, wenn er stirbt, setzt er damit ein Zeichen, das die Welt aufrütteln wird…
„Rampage: President Down“ ist sicherlich eines der sperrigsten Bollwerke überhaupt. Es beginnt mit kurzen Impressionen des finalen Großmassakers, das Bill unter den FBI-Agenten anrichtet. Danach spannt Boll eine dreimonatige Zeitspanne auf, während der Bill den Präsidenten killt, sein Baby kennenlernt und wütende Kommentare zur aktuellen Weltlage abfeuert, in denen mehr denn je Uwe Boll in jeder Zeile durchscheint. Es geht gegen den Kapitalismus, die Eliten, die Politik und gegen „Transformers“, „Avengers“, Bay und andere Lichtgestalten der Filmindustrie, die mit ihren Blendwerken allesamt mithelfen würden, die Mittelschicht vom Denken abzuhalten.
Boll spuckt mittels seines Sprachrohrs Bill Williamson Gift und Galle und schüttet ein ganzes Füllhorn an Verachtung über unserer duckmäuserischen Gesellschaft aus. Das hat durchaus faszinierende Momente und man erwischt sich auch dabei, dass manche Ansätze, so unreflektiert sie auch über einen hereinbrechen, so abwegig gar nicht sind. Die reine Fülle an Informationen erschlägt einen aber schier. Und sie tut dem Pacing des Streifens nicht gut. Zudem wiederholen sich während dieser Informationsflut die optischen Motive. Vor allem der verzweifelt in seinem Bart herumfahrende Bill Williamson wirkt spätestens nach 30 Minuten absolut überstrapaziert.
Ein Problem ist auch, dass Boll seinen Darstellern sichtlich freie Hand gibt und auf Teufel komm raus improvisieren lässt. Brendan Fletcher („Rampage: Capital Punishment“) kommt damit gut zu Rande und wirkt in einigen Abschnitten mit seiner absoluten Anti-Attitüde sogar durchaus sympathisch (das ging ihm und seiner Figur in Teil 2 ja vollkommen ab), aber die Nebenfiguren sind damit heillos überfordert. Ganz schlimm ist das bei dem Dreigestirn der ermittelnden FBI-Agenten. Die erzählen so viel Mist, dass der Film in ihren Szenen zur Parodie seiner selbst zu verkommen droht. Das Kinopublikum lag teilweise lachend in den Gängen ob der absolut beknackten Dialoge der drei Knallchargen.
Ohne groß eine Geschichte zu erzählen oder echten Zusammenhang in die abgedrehten Szenen zu bekommen, wuchtet sich Uwe Boll so zum großen Finale seiner Trilogie. Eine angenehm lange Actionszene, in der Bill in bekannter Montur durch die Reihen der FBI-Agenten pflügt und einen ordentlichen Leichenberg fabriziert. Leider wird in diesem Showdown immer wieder auch das schmale Budget des Filmes spürbar: Es gibt kein Blut, keine Treffereffekte, der Schauplatz ist ein Wald, die Explosionen sind schwachbrüstig und diverse Szenen werden – aus verschiedenen Perspektiven gedreht – immer wieder wiederholt.
Der eigentliche Clou aber, der lange über den Film hinaus Bestand haben wird, ist der Epilog. In diesem haut Uwe Boll final noch einmal so richtig auf die Kacke! Es entspinnt sich ein großes „Was wäre wenn?“-Szenario, das sich gewaschen hat und in dem Boll allen noch einmal den dicken fetten Mittelfinger zeigt. Klar, das ist alles zu bemüht, zu ambitioniert und teilweise einfach nur heillos überzogen, aber man merkt wieder einmal in jeder Filmsekunde, wie wichtig dem Regisseur dieser Film und die angerissenen Themen sind. Dabei erweist sich Boll teilweise sogar als extrem prophetisch, nimmt er doch Anschläge vorweg, die erst Monate nach den Dreharbeiten tatsächlich so oder so ähnlich passieren sollten. Auch ist Boll hochaktuell. Scheut nicht einmal vor dem Thema Isis zurück und zeigt auf, was die Mediengeilheit derartiger Terroristengruppen für Auswirkungen haben kann bzw. wie diese durchaus auch missbraucht werden könnte. Das ist alles wichtig und man kann nur froh sein, dass Boll all das nochmal laut ausgesprochen hat. Deshalb überzeugt „Rampage: President Down“ vor allem als Sprachrohr seines Machers. Als filmisches Erlebnis jedoch scheitert der Film. Ihm fehlen eine involvierende Handlung, ein vernünftiger Spannungsaufbau, ein ordentliches Tempo und vor allem Schauspieler, die ihren Job verstehen. Für mich der schwächste Film der „Rampage“-Serie.
Solange kein Rücktritt vom Rücktritt erfolgt, ist „Rampage: President Down“ also das finale filmische Statement eines Mannes, der mit den Filmen, für die er teilweise aus tiefstem Herzen gehasst wurde, das meiste Geld machte. Geld, das er für die Filme ausgab, die ihm wirklich wichtig waren. In den letzten Jahren hat er in dem anspruchsvolleren Independent Filmsegment definitiv auch eine eigene Stimme entwickelt. Und so ist es nur richtig und gut, dass er mit einem solchen Herzensprojekt seine Karriere beendet. Well Done Uwe. Du wirst fehlen.
Die deutsche DVD/Blu-ray zum Film erscheint am 26. August 2016 als Teil der „Rampage“-Trilogie Box von Splendid Film. Leider enthält diese den ersten Teil nur in der geschnittenen Fassung, die in Verbindung mit Teil 2 einen riesigen Logikfehler erzeugt. Zumindest sind Teil 2 und 3 ungeschnitten. Einzeln kann man „Rampage 3“ am 28. Oktober 2016 erstehen.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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