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Hollywood Justice

Hollywood Justice

In „Hollywood Justice“ beschäftigt sich Peter Vogl mit dem Thema Selbstjustiz im amerikanischen Kino seit 1915.
© Mühlbeyer Filmverlag

Es mag verwundern, aber bis zum Jahr 2016 hat sich noch kein filmwissenschaftliches Buch mit dem Thema Selbstjustiz bzw. Vigilantismus beschäftigt. Mit „Hollywood Justice. Selbstjustiz im amerikanischen Film 1915 – 2015“ legt Peter Vogl nun zum ersten Mal einen Überblick über 100 Jahre Vigilantismus im amerikanischen Film vor, wobei der Autor in der Einleitung eine Grenze zwischen den artverwandten Genres des Rache- und des Selbstjustiz- bzw. Vigilantenfilms zieht. Zwar sind viele filmische Rächer gleichzeitig Vigilanten, da sie Gerechtigkeit außerhalb des Rechtssystems suchen, doch nicht jeder Vigilant ist ein Rächer. Vielmehr ist Vigilantismus von der Idee geprägt das System bzw. die Gemeinschaft zu schützen, indem man es – ohne den Umweg über die Gerichte zu nehmen – eigenhändig von Übeltätern befreit, wofür die Bösewichte den (Anti-)Helden eines Selbstjustizfilms nicht zwangsläufig persönlich angegriffen müssen. Gleichzeitig zieht Vogl eine Grenze zu staatlich legitimierten Actionhelden wie Polizisten oder Soldaten, die im Film zwar oft ihre Kompetenzen überschreiten, im Grunde genommen aber im Dienste des Systems stehen und zur Bekämpfung von Unrecht mit Gewalt befugt sind. Einige Ausnahmefälle, in denen die Helden Polizisten sind, nimmt Vogl dennoch in seine Untersuchung auf, da die Filme größere Bedeutung für den Vigilantenfilm haben, darunter die „Dirty Harry“-Reihe und „Die City Cobra“.

Auf die Einleitung, welche diese Abgrenzung trifft, folgt eine Übersicht über verschiedene Definitionen von Vigilantismus, die Vogl kommentiert und vergleicht, aber nicht zu einer eigenen oder allgemeinen Definition synthetisiert. Im nächsten Kapitel behandelt er Autor die historische Bedeutung von Vigilantismus in den USA, etwa im Falle der South Carolina Regulators, die sich aus dem Bürgertum zur Zeit des Wilden Westens rekrutierten. Nach einem Überblick über nichtfilmische Vigilanten vor 1970, etwa in dem Roman „Nick of the Woods“ oder den Pulp-Geschichten um Figuren wie The Shadow, widmet sich Vogl dem berühmt-berüchtigten „Birth of a Nation“ von 1915 als Startpunkt des filmischen Vigilantismus. Vor den 1970ern ist Vigilantismus nur in vereinzelten Filmen anzutreffen, ab den 1970ern widmet Vogl jeder Dekade ein einzelnes Kapitel mit Unterkapiteln zu den wichtigsten Filmen der jeweiligen Epoche sowie kurzen Überblicken, in denen weitere Beispiele aufgeführt werden. Außerdem gibt es Kapitel zu Klassenzimmervigilanten (in Filmen wie „Mörderischer Tausch“ und dessen Sequels, Mark L. Lesters „Die Klasse von 1984“ und „Die Klasse von 1999“ und Albert Pyuns „Teuflische Klasse“), zu den Batmanfilmen (vor allem der Nolan-Trilogie aus „Batman Begins“, „The Dark Knight“ und „The Dark Knight Rises“) sowie Videospielvigilanten (vor allem in Beat’Em’Ups wie „Final Fight“, „Streets of Rage“ und „Renegade“). Dabei umfasst Vogls Auswahl Selbstjustizklassiker wie „Death Wish“, „Taxi Driver“ und „Dirty Harry“, Hollywoodproduktionen wie „Die Fremde in dir“, „The Equalizer“ und „The Lone Ranger“ und kaum bekannte B-Filme wie „Ghetto Blaster“, „City Commando“ und „3:15 – Die Stunde der Cobras“. Hinzu kommt mancher Film, der sich klar dem Thema Vigilantismus widmet, der Lesern bei dem Thema aber nicht sofort in den Sinn kommen würde, darunter Denis Villeneuves Thrillerdrama „Prisoners“ und die Dokumentation „Cartel Land“.

Auf dem Backcover wird „Hollywood Justice“ als eine „Enzyklopädie filmischen Faustrechts“ beschrieben, was den Kern des Buches ziemlich gut trifft. Vogl hat viele interessante Filme zu dem Thema recherchiert, sieht sein Werk aber in erster Linie als Ausgangspunkt und Anstoß für weitere Forschung zu dem Thema, wie er selbst im einleitenden Teil schreibt. Daher liefert er keine übergreifende These und beschränkt sich bei vielen seiner Beispiele auf Inhaltswiedergaben mit gelegentlichen einordnenden Kommentaren, etwa dass Peter Hyams‘ Justizthriller „Ein Richter sieht rot“ ein gängiges Bild des Rechtssystems im Vigilantenfilm zeichnet, demzufolge Straftäter bevorzugt und aufgrund von Schlupflöchern laufen gelassen werden. So geht „Hollywood Justice“ eher in die Breite als in die Tiefe, liefert mit seinen Exkursen zu Themen wie geschichtlichen Hintergründen und Vigilanten in anderen Medien aber viele interessante Denkanstöße sowie -ansätze und der geneigte Leser bzw. Genrefan wird durch die Vielzahl an Beispielen auf ihm eventuell unbekannte Filme von Interesse verwiesen. Eigentlich müßig zu erwähnen, dass Actionfilme in im Selbstjustizkontext eine wichtige Rolle spielen, Steven Seagal etwa erhält ein eigenes Unterkapitel. „Hollywood Justice“ kommt seinem Anspruch als Überblickswerk auf jeden Fall nach und ist daher jedem Fan des Selbstjustizgenres ans Herz gelegt, auch wenn man sich hin und wieder eine detailliertere Erörterung und weniger Inhaltswiedergaben wünschen würde.

Details zu „Hollywood Justice“

Hollywood Justice. Selbstjustiz im amerikanischen Film 1915 – 2015
Peter Vogl
Gebundene Ausgabe: 217 Seiten
Verlag: Mühlbeyer Filmbuchverlag (28. März 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3945378298

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© Nils Bothmann

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Categorised in: Buchtipps, Der Actionfilm

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