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Sie nannten ihn El Lute

Originaltitel: Bobbie Jo and the Outlaw__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1976__Regie: Mark L. Lester__Darsteller: Marjoe Gortner, Lynda Carter, Jesse Vint, Merrie Lynn Ross, Belinda Balaski, Gene Drew, Peggy Stewart, Gerrit Graham, John Durren, Virgil Frye, Chuck Russell u.a.
Sie nannten ihn El Lute

Mark L. Lesters Road Movie „Sie nannten ihn El Lute“ reitet auf den Gegenkulturwelle der 1970er

In den späten 1960ern und den 1970ern versprachen die amerikanischen Highways Freiheit und Abenteuer für die junge Generation, vor allem eingefangen durch Erfolge wie „Easy Rider“ und „Vanishing Point“, weshalb auch Mark L. Lester („Insemination“) anno 1976 mit „Sie nannten ihn El Lute“ alias „Bobbie Jo and the Outlaw“ einen Beitrag zu dem Thema ablieferte.

Hierzulande ging es in Sachen Titel etwas reißerischer zu, teilweise wurde der Film als „Todesduell auf dem Highway“ veröffentlicht, meist als „Sie nannten ihn El Lute“. El Lute als spanischen Revolutionsführer, den Lyle Wheeler (Marjoe Gortner) in der deutschen Synchro als sein Vorbild nennt, gibt es nur dort, denn im Originalton hat der Mann sich niemand geringeren als Billy the Kid sein Idol ausgesucht. Also ist es fast schon Ehrensache, dass der Herumtreiber und Gelegenheitsarbeiter, der sich damit brüstet schneller ziehen zu können als jeder andere, einem Vertreter dessen schnellen Sportwagen klaut als sein eigener Hobel den Geist aufgibt und der protzige Kerl Lyle mal in seiner Karre Probe sitzen lässt.

Nach erfolgreicher Flucht vor der Polizei lernt Lyle die Kellnerin Bobbie Jo Baker (Lynda Carter) kennen, die unter ihrer dominanten Mutter leidet. Sie verguckt sich in den Outlaw und gemeinsam ziehen sie durch die Lande, bald mit Verstärkung in Sachen kriminelle Aktivitäten…

Schaut euch den Trailer zu „Sie nannten ihn El Lute“ an

Ähnlich wie viele andere Road-Movie- und Gangstercharaktere jener Ära (Bonnie und Clyde müssen als Vorbilder der Protagonisten ebenfalls genannt werden) begehen Lyle und Bobbie Jo ihre Verbrechen nicht nur aus Habgier, sondern auch in einem Akt der Auflehnung gegen die Generation der Eltern, die sie als Spießer oder Ewiggestrige wahrnehmen und die es auch teilweise sind, wie man an Bobbie Jos religiös verbohrter Mutter sehen kann. Dabei ist wenig Planung angesagt, man lebt in den Tag hinein, knallt sich mal gemeinsam mit einem alten Indianer Pilze in den Kopp, mal überfällt man eben eine Bank. So wird der Film zu einer losen Abfolge von Einzelepisoden, in denen die jungen Gesetzlosen ihren Freiheitsdrang ausleben, sich mit der Polizei anlegen oder auch mit Landbewohnern konfrontiert sehen, die sie zum Duell in Wildwest-Manier herausfordern oder beim Sheriff verpfeifen wollen, der ihnen gerade auf den Fersen ist.

Das ist natürlich ein konfrontatives Verhalten aller Beteiligter und dementsprechend kann man bereits früh Elemente von Mark L. Lesters Actioninszenierung sehen: Die Einschüsse sind blutig und werden detailliert festgehalten, gelegentlich geht der Film in den Zeitlupenmodus, um einen besonders wichtigen Moment detailliert festzuhalten. Gleichzeitig ist „Sie nannten ihn El Lute“ noch kein Reißer der Marke „Commando“, sondern die Schusswechsel und Verfolgungsjagden setzen gelegentliche Akzente in der Gangstergeschichte, der es vielmehr um das Einfangen eines Lebensgefühls geht.

Und genau das ist Fluch und Segen des Films zugleich. Einerseits atmet „Sie nannten ihn El Lute“ durchaus den Spirit der damaligen Gegenkultur, die man auch den entsprechenden Filmen anmerkt: Die Lust am Ausprobieren und an der Auflehnung, der Hang zum gelegentlichen Schock, zum unangepassten Kino, nachdem Hollywood sich in den 1960ern mit kreuzbraven Musicals und sauteuren Epen, die größtenteils floppten, kommerziell beinahe beerdigt hätte. Andrerseits ist der Film nicht mehr als das, als ein Ausprobieren, während die Jagd auf Lyle und seine Entourage nur ein roter Faden bleibt und die Figuren allesamt egal sind, von denen nicht alle aus der Gruppe um Lyle, Bobbie Jo und ihre Freunde den Abspann erleben werden. Das schwächt den Film ab, macht ihn weniger mitreißend, während die Polizei als begrenzt sympathische Ordnungsmacht gezeichnet wird, die den Jugendlichen zwar einen fairen Deal bieten will, aber doch vorschnell zur Waffe greift und sie im Zweifelsfall lieber über den Haufen schießt.

Dass Lynda Carter, damals durch die Serie „Wonder Woman“ populär, die weibliche Hauptrolle annahm, bescherte „Sie nannten ihn El Lute“ ein gewisses Aufsehen und sie macht sich brauchbar als eine der Titelfiguren, wie auch Marjoe Gortner („American Fighter III“) okay als Lyle ist. Großes Schauspiel liefert zwar keiner ab, auch die Nebendarsteller nicht, aber neben Belinda Balaski („Piranha“) als Bobbie Jos beste Freundin sind sie die beiden einprägsam genug den Film zu tragen und das kann man bei weitem nicht über jeden Film der Billigschmiede American International Pictures sagen, aus deren Haus auch „Sie nannten ihn El Lute“ stammt. In einer Nebenrolle ist der spätere Actionregisseur Chuck Russell („The Scorpion King“) als Deputy zu sehen, der hier außerdem als Regieassistent tätig war.

Handlung und Figuren sind egal, der Film in erster Linie eine Abfolge von Outlaw-Aktionen der Protagonisten, aber dank des Gegenkulturgefühls, das „Sie nannten ihn El Lute“ spürbar atmet, hat der Film durchaus eigenwillige Qualitäten und das nicht nur in den kompetent gemachten Shoot-Outs und Autostunts. Denn viele Momente haben schon etwas für sich, wie z.B. jener, in dem sich Teile der Gang als Kirchentruppe ausgeben um in einem umgebauten Schulbus eine Straßensperre zu passieren.

Dieser Besprechung lag die amerikanische MGM-DVD zugrunde, die als On-Demand-Angebot der Firma angeboten wird und den Film ungekürzt präsentiert, mit einem Trailer als Bonus. In Deutschland gibt es den Film bisher nur auf Video (u.a. von VMP und ITT) und dort sind Kürzungen zu beklagen. Inzwischen gibt es in den USA auch eine Blu-Ray von Kino Lorber.

© Nils Bothmann (McClane)

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