Originaltitel: The VVitch: A New-England Folktale__Herstellungsland: Brasilien, Großbritannien, Kanada, USA__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: Robert Eggers__Darsteller: Anya Taylor-Joy, Ralph Ineson, Kate Dickie, Harvey Scrimshaw, Ellie Grainger, Lucas Dawson, Julian Richings, Bathsheba Garnett, Sarah Stephens, Viv Moore u.a. |
Amerika in den 1630er Jahren. Immer wieder landen neue Schiffe mit Puritanern in der neuen Welt an. Teils kommen die Puritaner aus freien Stücken, teils aus Gründen religiöser Verfolgung. In jedem Fall hoffen sie, hier ein neues, ein besseres Leben führen zu können. Darunter befindet sich auch die Familie der jungen Thomasin. Da Thomasins Eltern ihren puritanischen Glauben zu vehement ausleben, werden sie alsbald aus der Siedlung verbannt, in der sie ein neues Heim gefunden zu haben glaubten.
Doch die Familie findet schnell ein neues Zuhause an einer Waldlichtung. Früh zeigt sich allerdings, dass dieser Ort der Familie kein Glück bringen wird. Zum einen erweist sich der Vater weder als guter Jäger noch als guter Landwirt, zum anderen verschwindet eines Tages das jüngste Kind der Familie spurlos. Thomasin, mit der Beaufsichtigung des Babys beauftragt, muss sich infolgedessen immer wieder mit dem Hass ihrer Mutter und Geschwister auseinandersetzen.
Doch es kommt noch schlimmer. Auch der älteste Sohn der Familie verschwindet im angrenzenden Wald und erneut ist Thomasin zugegen und hat dem Jungen in der Wahrnehmung der Eltern nicht geholfen. Da taucht der Junge plötzlich wieder auf. Schwer erkrankt spricht er in fremden Zungen. Unbedachte Äußerungen Thomasins werden für sie nun zum Bumerang. Ist sie vielleicht tatsächlich eine Hexe? Thomasin bezichtigt derweil die beiden jüngeren Zwillinge der Familie der Hexerei, verhalten diese sich seit einiger Zeit doch sehr seltsam. Die unausweichliche Abwärtsspirale für die Familie ist zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr aufzuhalten…
httpv://www.youtube.com/watch?v=AhTfiNJZYKo
Die düsteren, farbentzogenen Bilder, die langen Einstellungen, der ruhige Erzählfluss und die dräuende, beständiges Unbehagen auslösende Soundkulisse von „The Witch“ erzeugen über die gesamte Laufzeit hinweg eine zum Schneiden dichte Atmosphäre. Diese ist so effektiv, dass der Horrorfilm seine titelgebende Hauptfigur gar nicht brauchen würde, um Angst und Panik beim Zuschauer auszulösen.
Folgerichtig ist die hier präsentierte, gar garstige Hexe kaum mehr als ein Katalysator für die Handlung, die keinerlei Aufhebens um die eventuelle Gegenwart von Hexen macht. Schon in den ersten Minuten wird unmissverständlich klar, dass Hexen zum Kanon dieser Geschichte gehören werden. Doch der Feind für die Protagonisten sind nicht irgendwelche Fabelwesen. Sie sind sich selbst der größte Feind. Was genährt wird durch einen allgegenwärtigen religiösen Wahn, der zur Erklärung der kleinsten Kleinigkeiten herangezogen wird und jedwede Rationalität oder Problemlösungsorientierung aus dem Handeln der Figuren verbannt.
Regisseur Robert Eggers baut dieses Handlungselement (und die Kritik an allem Religiösen) geschickt auf. Lässt es zunächst unterschwellig schwelen, um es mit zunehmender Laufzeit immer mehr zu befeuern. Irgendwann reichen selbst die kleinsten unbedachten Äußerungen, um sich gegenseitig zu verdächtigen. „The Witch“ lässt diesen Wahn zunehmend mehr eskalieren und arbeitet dabei mit wundervoll verstörenden Bildern und unvermuteten Schocks. Dabei sind dem Film billige Jump Scares vollkommen fremd. „The Witch“ schockt aus sich heraus, dank zunehmender Konsequenz und diverser, höchst seltsamer Vorkommnisse.
Das Ergebnis ist eine sich konsequent steigernde Spannungskurve, die in einem grandiosen Schlussbild purer Rebellion gegen Einengung und Begrenzung endet und permanent von starken Darstellerleistungen angetrieben wird. Allen voran die junge Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy, die in einer wahren darstellerischen Tour de Force die Gemütslagen ihrer endlich mal wieder glaubwürdigen Figur zu transportieren versteht und den Zuschauer immer an ihrer Seite weiß. Auch die anderen Figuren des Filmes wirken angenehm glaubwürdig, ihre Sorgen und Nöte authentisch und die Dynamik untereinander gut recherchiert.
Ebenso stark ist die optische Umsetzung des Streifens, der sichtlich überwiegend mit natürlichem Licht gedreht wurde und zumeist aschfahl in seiner Farbgebung daherkommt, was schon enorm aufs Gemüt drückt. Nur in den Nachtszenen kommt so etwas wie Leben in die Bilder, wenn Kerzenschein und Kaminfeuer die Innenräume der kargen Behausung der Familie erfüllen und Bilder erschaffen, die beinahe an Gemälde erinnern. Fast schon außerweltlich sind die beiden Momente, in denen man die Hexe des Filmes in ihrem knallig roten Mantel zu sehen bekommt. Hier erhält der Film einen märchenhaft schönen Anstrich. Aber nur für wenige Sekunden.
Der in seiner Bildsprache und stimmigen Ausstattung sichtlich um Authentizität bemühte „The Witch“ legt in der originalen Sprachfassung noch einmal deutlich an Atmosphäre und Wirkung zu. Unterhalten sich hier doch die Charaktere mittels (eigenartig klingenden) Dialogen/Zitaten, die die Macher aus Originalprotokollen damaliger Hexenprozesse entlehnt haben. Und derartige Mühen zahlen sich für den kammerspielartigen, stimmungsvollen, atmosphärisch dichten, beständig an Spannung zulegenden und gegen Ende regelrecht verstörenden Horrorfilm hundertprozentig aus. Mit seinem langsamen Erzähltempo und der stringenten Verweigerungshaltung gegenüber Jump Scares, Blutgematsche oder ironisierenden Momenten wirkt er zudem derart anachronistisch, dass man sich das gelangweilte Gestöhne jüngerer ADHS-Horrorfan-Semester förmlich ausmalen kann. Aber für die gibt es ja andere Filme.
Die deutsche DVD/Blu-ray kommt von Universal Pictures Home Entertainment und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten. Extras zur Entstehung des Filmes oder Blicke hinter die Kulissen sucht man hier leider vergeblich.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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