Originaltitel: Night Fare__Herstellungsland: Frankreich__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: Julien Seri__Darsteller: Jonathan Howard, Fanny Valette, Jess Liaudin, Jonathan Demurger, Moussa Sylla u.a. |
Die beiden Freunde Chris und Luc treffen sich nach zwei Jahren Trennung in Paris wieder und wollen ihre Wiedervereinigung gebührend feiern. Doch zwischen beiden stehen viele unausgesprochene Probleme, von denen die Beziehung zur gemeinsamen Freundin Ludivine noch das unproblematischste zu sein scheint. Chris hat bald genug von dem feuchtfröhlichen Getue. Er will sich von Luc und Ludivine absetzen, doch Luc lässt seinen Freund nicht alleine ziehen.
Man nimmt sich ein Taxi, um in den Speckgürtel von Paris zu gelangen. Kurz vor dem Ziel beschließt Luc, dass es doch witzig sei, den Taxifahrer um seine Entlohnung zu prellen. Der findet das aber gar nicht witzig und jagt die beiden jungen Männer erbarmungslos durch die dunkle Nacht. Als sich der Taxifahrer Ludivine schnappt, müssen sich Luc und Chris dem hünenhaften Kerl stellen…
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„Entweder wir drehen einen Film oder wir fahren in den Urlaub…!“ So beschreibt Regisseur Julien Seri („Yamakasi – Die Samurai der Moderne“) die Anfänge seines vierten Spielfilms „Night Fare“. Ein Drehbuch gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Finanzierung stand ebenso wenig. Man hatte einfach nur Bock, einen Film zu machen. Da kam einer der Beteiligten mit der Idee von dem amoklaufenden Taxifahrer um die Ecke und überzeugte alle, dass man auch zu einer anderen Zeit Urlaub machen könne.
Ein Drehbuch wurde verfasst und die Dreharbeiten fast schon guerillamäßig angegangen. Das Geld besorgte man sich quasi nebenher und baute sich einen Stab auf, der an die Idee des Ganzen so sehr glaubte, dass er auch kostenlos an der Entstehung von „Night Fare“ mitgewirkt hätte. Und diese Energie, diese Lust spürt man dem Film an. „Night Fare“ rollt wahnsinnig schnell an. Überzeugt mit atmosphärisch dichten Bildern des nächtlichen Paris’ und lebt von seiner Komplementärfarben-Optik aus roten, gelben, grünen und blauen Bildern mit harten Kontrasten und ebensolchen Schatten.
Seri treibt seinen Film beständig voran, hält ihn immer in Bewegung und installiert alle Ingredienzien eines finsteren Slashers. Allerdings mit einem interessanten Kniff, denn der wütende Taxifahrer killt nicht wahllos. Seine Mordlust richtet sich ausschließlich gegen jene, deren moralischer Kompass aus dem Gleichklang geraten ist. Integre, ehrliche und gute Menschen verschont er, weswegen er auch mehr an Luke denn an Chris interessiert zu sein scheint.
Dennoch tun beide Freunde gut daran, vor dem Taxifahrer zu flüchten. Denn während der zu Beginn noch eher lasch und konsequenzlos zuschlägt, verschärft er die Gangart bald enorm. In der Folge fliegen abgetrennte Körperteile durch die Luft, werden Kehlen durchtrennt, Genicke gebrochen, Zähne ausgeschlagen und Körper von Kugeln durchsiebt und zu Klump geschossen. „Night Fare“ langt härtetechnisch ordentlich hin, verkommt aber nie zur selbstzweckhaften Schlachtplatte. Die Härte des Taxifahrers alleine reicht dann auch schon aus, um ordentlich mit den beiden Verfolgten mitzufiebern.
Diese werden von Jonathan Howard (Chris) und Jonathan Demurger (Luc) überzeugend mit Leben gefüllt, hätten aber vom Drehbuch gerne noch mehr Rückendeckung bekommen dürfen. Das volle Potential einer gelungenen Involvierung des Zuschauers wird nämlich nicht ausgeschöpft, da einem die Figuren etwas fremd bleiben.
Doch Seri hält mit einem anderen Kniff das Interesse am Film oben. Während den Dreharbeiten, die man sich auch via Crowdfunding finanzieren ließ, stellte er nämlich fest, dass ihm die grundlegende Slasher-Ausrichtung des eilig in Form gegossenen Filmes nicht mehr zusagte. Er konnte seine Co-Finanziers von seiner Ideen überzeugen und machte „Night Fare“ nach einer 3-wöchigen Produktionspause endgültig zu etwas anderem: Eingeleitet durch eine absolut geniale Animationssequenz wird „Night Fare“ zur Genese eines Superhelden beziehungsweise zur Geburtsstunde eines Rächers der Schutzlosen…
Klingt abgefahren? Ist es auch. Funktioniert im Falle von „Night Fare“ trotz eines gewissen Holperns aber ziemlich gut, wird ordentlich erklärt und vor allem stimmungsvoll in Szene gesetzt. Am Ende steht so ein Film, dem man sowohl seine etwas wilde Entstehung als auch sein niedriges Budget (unter 1 Million Euro) zu keiner Sekunde anmerkt. „Night Fare“ hat ein paar interessante Ideen, richtig Drive, eine starke Atmosphäre, eindrückliche Einzelsequenzen, den schneidigen Franzosen-Hochglanzlook, einen rotzencoolen Superkiller (Jess Liaudin als Taxifahrer) und einen absolut genialen Soundtrack, der den Film gekonnt vorwärts peitscht und mit seinen düsteren Synthiesounds wohlig an „Drive“ erinnert. An ebenjenen Film denkt man beim Genuss von „Night Fare“ häufiger. Und an Spielbergs „Duell“. Nicht die verkehrtesten Vorbilder…
Die deutsche DVD/Blu-ray erscheint am 10. November 2016 von Sunfilm/Tiberius Film und ist mit einer FSK 18 Freigabe ungeschnitten. Die Datenträger warten neben einer starken technischen Umsetzung mit einigen interessanten Extras zum Film auf.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Tiberius Film/Sunfilm__Freigabe: FSK 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |