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Camino

Originaltitel: Camino__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: Josh C. Waller__Darsteller: Zoë Bell, Nacho Vigalondo, Francisco Barreiro, Sheila Vand, Dominic Rains, Jason Canela, Nancy Gomez, Tenoch Huerta, Kevin Pollak, Pamela Drake Wilson u.a.
Camino

Zoe Bell fightet sich durch den kolumbianischen Dschungel in “Camino”.

Fotografin Avery ist vor allem berühmt für ihre Kriegsfotografien. In dieser Funktion wird sie nach Kolumbien eingeladen. Sie soll den Kampf der dortigen Rebellen gegen die amtierende Regierung bebildern. Avery, längst müde vom Leid auf der Welt, nimmt den Job nur widerwillig an. Im kolumbianischen Dschungel schaltet sie jedoch schnell in den Betriebsmodus und schießt beinahe schon zu schöne Bilder aus dem Krisengebiet…

Unterwegs ist sie mit einer Gruppe Missionare, die für etwas Ordnung im Chaos sorgen wollen. Doch als Avery eines Nachts nicht so recht schlafen kann und nach nächtlichen Motiven sucht, beobachtet sie ausgerechnet Guillermo, den Führer der Missionare, wie er mit irgendwelchen Soldaten einen Drogendeal über die Bühne bringt. Avery bannt nicht nur diesen Drogendeal auf Film, sie fotografiert zudem, wie der Missionar einen zufällig in die Szenerie platzenden Jungen umbringt.

Als Guillermo jedoch Avery bemerkt, ergreift er die Gelegenheit und dreht das Ganze schnell so, als habe die Fotografin den Drogendeal angeleiert und den Zeugen beseitigt. Seine Missionarskollegen hat Guillermo schnell von seiner Lügengeschichte überzeugt und so eröffnen sie die Jagd auf Avery…

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Doch die erweist sich freilich als ausreichend wehrhaft. Immerhin wird sie von Hollywoods liebster Stuntfrau Zoë Bell („Mercenaries“) gegeben. Schön ist, dass der Film trotz dieses Umstandes aus Avery keine Kampfmaschine macht. Die Fotografin wehrt sich eher grobmotorisch gegen ihre Angreifer, mutet nicht wie eine Meisterin in allen Waffengattungen an und wird nie sonderlich übermächtig oder gar überlegen gezeichnet. Eher im Gegenteil: Avery muss teilweise gehörig einstecken. Hier und da hat sie sogar Skrupel, ihre Verfolger auszuschalten, weil sie weiß, dass Guillermo sie getäuscht hat.

„Camino“ hat seine Ausgangssituation im Übrigen flott installiert und schaltet schnell in den Menschenjagd-Abschnitt. Doch der gestaltet sich nicht nur wegen der weiblichen Beute und deren Zeichnung ungewöhnlich. Man spürt häufiger, dass die Macher ein gewisser Anspruch umtrieb. In der Folge führt Avery Zwiegespräche mit ihrem toten Mann, Guillermo fällt mehr und mehr dem Wahnsinn anheim und schnell spalten sich die Getreuen Guillermos auf, weil einige seinen Machenschaften auf die Spur kommen.

Camino

Auge um Auge…

Leider wirkt all das im Gesamten irgendwann arg überambitioniert. Wenn etwa gegen Ende Figuren auftauchen, die bisher keinerlei Rolle gespielt haben und der Zuschauer gar nicht mehr weiß, ob diese nun irrlichterndem Wahn entspringen oder doch echt sind, wird es echt knifflig. Allgemein ist das Ende des Filmes ein echter Knackpunkt, weil es dem Zuschauer nicht das gibt, was er sich nach Averys Tour de Force wünscht. Andererseits und aufs Genre bezogen, ist es definitiv mal etwas Anderes, aber…

… im Großen und Ganzen führt dieser ambitionierte Anspruch zu diversen Problemen. Das Tempo wird einige Male doch gehörig verschleppt. Richtig Spannung will auch nicht aufkommen. Und so sehr der Film vor allem zu Beginn seinen Figuren Tiefe mitgeben will, so sehr ist es ihm im weiteren Verlauf auch wieder egal. Das größte Problem: Der Realismus-Ansatz in der Action nimmt ihr gefühlt gehörig Wucht. Weder fühlen sich die überwiegenden Keilereien sonderlich dynamisch noch unangenehm hart an. Abgesehen von ein oder zwei kleineren Gewaltspitzen (Aufspießung) werden manche Jäger fast schon zu lapidar aus dem Spiel genommen.

Camino

Guillermo dreht im Verlauf des Filmes immer mehr ab.

Inszenatorisch ist der Film ein zweischneidiges Schwert. Vor allem die Bilder des farbsatten Dschungelsettings überzeugen (Hawaii doubelt Kolumbien) vollends und lassen den Film sehr wertig wirken. Leider wird die Farbpalette bei der langen Nachtszene im Mittelteil des Filmes komplett aschfahl und lässt den Film plötzlich extrem schmucklos wirken. Im Bonusmaterial erfährt man dann auch, dass diese Nachtszenen bei Tag gedreht wurden und dann künstlich auf Dunkelheit getrimmt wurden. Das erklärt die kontrastarme Chose… Ein echtes Highlight sind die vor allem zu Beginn immer wieder eingeflochtenen Bilder, die Avery geschossen hat. Diese sind einfach der Hammer und zeugen vom Können des wahren Fotografen!

Der absolute Wahnsinn ist der Soundtrack von Kreng. Der lässt die Tonspur teilweise komplett Amok laufen mit einem wilden Soundteppich aus disharmonischen, nicht zuordenbaren Klängen, unerbittlichem Tiefbass-Stampfen und brachialen Industrialsounds. In Verbindung mit den Dschungelbildern entsteht so eine irre Atmosphäre, was vor allem den Verfall von Guillermo gut befeuert.

Camino

Avery lauert auf ihre Verfolger.

Guillermo wird von Nacho Vigalondo überzeugend mit Leben gefüllt. Der spanische Mime wusste zuletzt vor allem mit seinen großartigen Regiearbeiten „Timecrimes“ und „Open Windows“ zu begeistern und hat nun in „Camino“ ein paar kraftvolle Auftritte als Missionarsanführer bekommen. In der Rolle darf er seine Reisegruppe zunächst einschmeichelnd umgarnen, um hernach umso eindrücklicher seine wahre, fiese Fratze zu offenbaren. Da kann Zoë Bell als Avery nicht wirklich mithalten und wirkt auch erst mit dem Einstieg in die Menschenjagd sicherer in ihrem Auftreten. Vor allem die Zweifel ihrer Fotografin an ihrem Tun und ihr Hadern mit ihrer Vergangenheit gehen der Darstellerin sichtlich nicht leicht von der Hand.

Im Sinne von Zoë Bell wäre Regisseur Josh C. Waller („Raze – Fight or Die“) sicherlich besser beraten gewesen, allen Anspruch fahren zu lassen und seinen Film als reine Actionhatz durch den Dschungel anzulegen. Selbst dann hätte er dank seines weiblichen Helden durchaus eine Ausnahme im Subgenre auf die Beine stellen können. Stattdessen stellt er sich nun mit sich steigerndem Wahn, Zwiegesprächen mit Toten und einem Mehr an Realismus in der Action selbst ein Bein. Der Funke will einfach nicht überspringen. Der Bauch des Zuschauers wird nicht angetriggert. Die Action kommt nicht aus dem Knick und kickt nicht. Und irgendwie war da einfach so viel mehr drin. Wer mal einen etwas anderen Menschenjagd-Film sehen möchte, wird hier aber durchaus fündig. Und alleine schon für die Sequenzen, in denen der unglaubliche Soundtrack die präsentierten Bilder auf ein ganz neues Level anhebt, sollte man den Film gesehen haben.

5 von 10

Die deutsche DVD/Blu-ray zum Film erscheint am 2. Dezember 2016 von dem Label Black Hill Pictures / Spirit Media / WVG Medien GmbH und ist mit einer FSK 18 Freigabe ungeschnitten.

In diesem Sinne:
freeman

Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love

Copyright aller Filmbilder/Label: Label Black Hill Pictures / Spirit Media / WVG Medien GmbH__Freigabe: FSK 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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