Originaltitel: Assassin’s Creed__Herstellungsland: USA/Großbritannien/Frankreich/Hongkong__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Justin Kurzel__Darsteller: Michael Fassbender, Jeremy Irons, Marion Cotillard, Michael K. Williams, Brendan Gleeson, Ariane Labed, Callum Turner, Denis Ménochet, Octavia Selena Alexandru, Brian Gleeson, Matias Varela u.a. |
Wenn es eine Videospielreihe in noch nicht einmal zehn Jahren auf neun Teile plus 11 Tie-Ins bringt, dann ist das schon ein Beweis für eine große Fanbase. Eine, die man unter Umständen gern im Kino sähe, wie der Fall von „Assassin’s Creed“ anno 2016 beweist.
Von den Spielen übernahm Justin Kurzel, der sich mit seinem vorigen Regiearbeiten „Snowtown“ und „MacBeth“ abseits des Mainstream bewegt hatte, die Grundprämisse: In der Vergangenheit bekriegen sich Templer und Assassinen um jenes Wissen, das dem Menschen freien Willen gab, gegenständlich geworden im Apfel von Eden. Die Templer wollen den Apfel finden und den Menschen den freien Willen nehmen, die Assassinen wollen dies verhindern. Hintergrund ist die Annahme der Templer, dass mit der Abschaffung von freiem Willen auch die Abschaffung von Krieg und Gewalt verbunden sei, was an sich eine interessante Idee ist, die im Film dann allerdings nur unzureichend diskutiert wird.
Jene Richtlinie leitet allerdings in der Gegenwart die Wissenschaftlerin Sofia (Marion Cotillard), die Tochter des führenden Templers Rikkin (Jeremy Irons), die den Animus entwickelt hat, eine Maschine, die es erlaubt Menschen über einen genetischen Fingerabdruck die Erfahrungen ihrer Vorfahren nacherleben zu lassen. Begehrtes Testobjekt ist der zum Tode verurteilte Assassinen-Nachfahre Cal Lynch (Michael Fassbender), den der von Templern geführte Konzern Abstergo Industries nach seiner scheinbaren Exekution in ihre Räume holt.
Lynch soll das Schicksal seines Vorfahren Aguilar (ebenfalls Michael Fassbender) nacherleben, der im Spanien des 15. Jahrhunderts den Apfel von Eden an sich brachte und versteckte. Da Lynch mit seinem Assassinen-Vater Joseph (Brendan Gleeson) gebrochen hat, erhofft man sich Kooperation und Resultate von ihm…
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Soweit also die Prämisse von „Assassin’s Creed“, welche sogleich die Spannung und die Involvierung des Zuschauers torpediert: Da vollkommen klar ist, dass Aguilar den Apfel finden und verstecken wird, ist jede Sorge um ihn sowie jeder Zweifel an seinem Erfolg null und nichtig, während Lynch als eigentlicher Held über weite Strecken des Films eben nur passiv im Animus hängt und kaum wirklich selber handelt. Jedoch selbst abseits dieser Probleme ist „Assassin’s Creed“ kaum interessant, da er sich nie um seine Figurencharakterisierung schert: Abgesehen von einem ausgelutschten handelsüblichem Trauma um den Verlust der Mutter in jungen Jahren und damit verbundenem Hass auf den Vater (Freud ahoi!) wird Lynch nämlich null charakterisiert, als sei jede Hintergrundinformation bei Strafe verboten gewesen. Noch nicht einmal die Umstände des ihm zu Laste gelegten Verbrechens, des Mordes an einem Zuhälter, werden beleuchtet, weshalb der Held kaum mehr als ein Avatar für einen nicht vorhandenen Spieler bleibt, was an der Konsole ja funktionieren mag, im Film aber nur öde wirkt.
Doch mit den Nebenfiguren sieht es keinen Deut besser aus: Der Film behauptet zwar, dass Aguilar in eine weibliche Assassinenkollegin verliebt sei, aber spürbar wird das Ganze auf der Leinwand nie. Sofia dagegen erweist sich als wissenschaftliches Superbrain, das in anderen Bereichen herzenswert dumm ist und ist holterdiepolter mal die Meinung wechselt. *SPOILER* Da wundert sie sich, nachdem ihr Vater von der Steuerung der Welt durch den Apfel von Eden labert, dass er diesen tatsächlich nicht für höhere Zwecke, sondern für den Machtgewinn der Templer und die Vernichtung der Assassinen einsetzen will. Und lässt Lynch den Vater erst meucheln, um dann blitzschnell zur Erzfeindin Lynchs und der Assassinen zu werden – weil diese den Papa gekillt haben! *SPOILER*
Auch über die Logik denkt man an vielen Stellen lieber nicht nach. Da wollen die Templer Lynch also auf ihre Seite ziehen, stecken ihn aber mit den loyalen Nachfahren anderer Assassinen zusammen, damit diese ihn unter Umständen zur Mitarbeit überzeugen können. Und nachdem sie diverse Assassinen Wochen und wahrscheinlich Monate in ihrer Gewalt hatten, da geben sie nach deren Flucht keine Fotos von diesen bei der nächsten Templerversammlung raus, weshalb der Feind einfach so mit einer simplen Kapuze verschleiert bei ihnen auftauchen kann. *SPOILER* Und der Apfel von Eden ist nirgendwo anders als im Grab von Columbus versteckt, in das über Jahrhunderte hinweg anscheinend kein einziger Archäologe einen Blick hineingeworfen hat. *SPOILER ENDE*
So schleppt sich die Geschichte, die kein Interesse erzeugt und mit der Androhung von einer bis 47 Fortsetzungen endet, weil der Held nur einen popeligen Etappensieg erringt, über knapp zwei Stunden dahin, die allenfalls noch von dem Stilwillen Justin Kurzels zusammengehalten werden. In betont farbarmen, meist düsteren und in Brauntönen gehaltenen Bildern zieht er „Assassin’s Creed“ als komplett ironiefreies Blockbusterspektakel auf, in dem auch die Passagen in der Vergangenheit konsequent in untertiteltem Spanisch dargereicht werden. Das ist ein legitimer Ansatz ist, nur leider wirkt der heilige Ernst hier oft bloß bleischwer und manchmal sogar unfreiwillig komisch.
Das 3D lohnt sich eigentlich nur für die Aufnahmen diverser Sprünge und Stürze, hat sonst aber wenig Mehrwert. Immerhin ist „Assassin’s Creed“ weder besonders schnell geschnitten noch irgendwie verwackelt, sodass die Action mit dem 3D-Format im Grunde harmoniert, würde Kurzel nicht manchmal anderweitig den Überblick verlieren: Wenn zwei dunkelgewandete Assassinen von dunkelgewandeten Soldaten über die Dächer verfolgt werden und die Regie zwischen den einzelnen Person hin und her schneidet, dann fällt es manchmal schwer zu sagen, wer denn nur wer ist. Manchmal geht die CGI-Unterstützung der Action etwas zu weit, was schade ist, denn im Grunde versteckt sich viel Handgemachtes in den Fights und Stunts. Die Verfolgungsjagd auf den Wagen im ersten Drittel, die Flucht über die Dächer sowie der Kampf in den Räumen von Abstergo Industries sind immerhin Highlights, die restliche Action dagegen eher schwach und der spannungs- wie ereignislose Showdown ein wahnsinnig unbefriedigender Abschluss für einen eh schon zahnlosen Film.
Michael Fassbender („X-Men – Apocalypse“) trägt stolz die antrainierten Muckis spazieren und spielt ganz ordentlich, doch wo ein Drehbuch ihm nichts gibt, mit dem er arbeiten könnte, gerät auch er an seine Grenzen. Marion Cotillard („The Dark Knight Rises“) schwächelt als nominelle weibliche Hauptfigur, Brendan Gleeson („Edge of Tomorrow“) und Charlotte Rampling („Angel Heart“) reißen bessere Cameos ohne großen Elan herunter und Jeremy Irons („Stirb langsam – Jetzt erst recht“) fährt in seinen wenigen Szenen eine charismatische, aber sehr generische Fieslingsnummer. Weiterer Lichtblicke ist der bewährten Nebenrollenveredler Michael K. Williams („RoboCop“), der aber leider kaum zum Zuge kommt.
Damit tritt „Assassin’s Creed“ den Beweis an, dass ein dickes Budget und talentierte Leute vor wie hinter der Kamera nichts ausrichten können, wenn das Drehbuch nicht das Papier wert ist, auf dem es gedruckt wurde: Eine ebenso uninteressante wie stellenweise saudumme Handlung und oberflächliche Figuren lassen das Interesse am Film schnell erlahmen, da helfen auch schöne Bilder und ein paar gelungene Actionszenen nichts. Neben „Assassin’s Creed“ sieht die thematische verwandte, auch nicht überragende Parkour-Action-Abenteuer-Gameverfilmung „Prince of Persia“ fast schon grandios aus.
Knappe:
„Assassin’s Creed“ startet am 27.12.2016 mit einer Freigabe ab 16 Jahren in den deutschen Kinos.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: 20th Century Fox__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 27.12.2016 in den deutschen Kinos |