Originaltitel: Extraction__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Tony Giglio__Darsteller: Jon Foo, Sean Astin, Danny Glover, Vinnie Jones, Joanne Kelly, Jef Groff, Chad Guerrero, Falk Hentschel, Adam Croasdell, Paul Duke u.a. |
Crackle ist ein Anbieter für On-Demand-Unterhaltungsformate wie Filme und Serien und eng mit dem Sony-Konzern verwoben. Dabei bietet die Plattform seit einigen Jahren nicht mehr nur Inhalte an, sondern produziert inzwischen auch eigenen Content. Der erste Spielfilm, den das Unternehmen 2013 selbst auf den Weg brachte, hieß „Extraction“. Ein reinrassiges B-Movie, das vor allem Actionfans munden sollte…
Mercy Callo wird mit seinem Black-Ops-Team entsandt, um aus einem tschetschenischen Hochsicherheitsknast mit dem Namen „Inferno“ einen weltweit gesuchten Superterroristen zu entführen und in die USA zu überführen. Das Unterfangen wird eilig vorbereitet, doch anrückende tschetschenische Streitkräfte zwingen die Verantwortlichen, das Tempo noch mehr zu erhöhen. In einer Nacht und Nebel Aktion dringen Mercy und seine Kameraden in den unterirdisch angelegten Knast ein.
Doch mit einem Mal funktioniert die mitgeführte Schlüsselkarte auf einer tieferen Ebene nicht mehr. Das Black-Ops-Team ist in eine Falle gelaufen und sitzt nun in den Eingeweiden des Superknastes auf dem Präsentierteller. Die Wärter eröffnen sofort das Feuer und meucheln alle Soldaten. Nur Mercy kann der Attacke entkommen und versucht auf eigene Faust den Auftrag zu erfüllen…
Nichts an „Extraction“ ist in irgendeiner Form neu oder gar innovativ. Stattdessen geht es dem Film sichtlich darum, die Genre-Standards ordentlich zu bedienen, Tempo zu machen und Hauptdarsteller Jon Foo möglichste viele Möglichkeiten zu geben, seine Körperbeherrschung unter Beweis zu stellen.
Dazu installierte man eine funktionale Grundstory, die immer wieder an den Actionhammer „The Raid“ erinnert. Man tausche einfach nur den Schauplatz des Hochhauses voller Verbrecher gegen ein unterirdisches Supergefängnis. Dazu gesellen sich ein paar kleinere Wendungen, die so oder ähnlich auch in „The Raid“ vorkamen. Etwa eine Maulwurfsjagd im Hauptquartier des Special-Ops-Teams oder das Hin und Her rund um den Charakter Rudolf Martin, den es zu befreien gilt.
Jon Foo wirbelt in einer Szene aus “Extraction”
httpv://www.youtube.com/watch?v=ULkzOl70pIQ&t=30s
Dabei werden längst nicht alle Storyfragmente zu einem Ende gebracht, weswegen sich „Extraction“ gegen Ende auch ein wenig wie ein Pilot einer Serie anfühlt. Und Crackle wäre gar nicht so schlecht beraten gewesen, aus dem Special-Ops-Spezialisten Mercy einen Serienhelden zu kreieren. Dennoch muss man kein Cliffhanger-Ende oder ähnliches befürchten.
Durch den Ansatz, dass ein Special-Ops-Team in einen Superknast einbricht, um eine Person daraus zu befreien, wird man von den gängigen Knastfilm-Klischees weitgehend verschont. „Extraction“ sieht sich als flotter Actionhappen, in dem kein Platz für die typischen Knastfilm-Insassen und -schauplätze ist. Stattdessen mutet der „Inferno“-Knast hier und da wundervoll seltsam an. Teilweise menschenleer und beinahe wie ein Horror-Setting ausgeleuchtet, schlafwandeln in ihm Insassen umher, die mit normalen Lederklamotten, Anzügen oder Blaumännern bekleidet sind. Auch die Wärter sehen aus, als würden sie nebenher auf einer Baustelle wirken. Die Ausstattung durfte also nicht zuuu viel kosten.
Allgemein wirkt das Knastsetting reichlich preisgünstig und macht offensichtlich, dass der Film nicht das größte Budget zur Verfügung hatte (1 Million wird kolportiert). Das gilt auch für die etwas billig wirkende Bebilderung des Streifens. Obendrein ist „Extraction“ in Kapitel unterteilt und wird in Cliffhanger-Momenten permanent von Schwarzblenden zerteilt, was dem werbefinanzierten Ansatz von Crackle geschuldet ist. „Extraction“ musste demzufolge diverse Momente kreieren, nach denen man schön in die Werbung übergehen konnte. Spaß macht das nicht wirklich. Es schadet sogar der Spannung!
Dafür macht „Extraction“ in seiner Königsdisziplin eigentlich alles richtig: Gleich zu Beginn wird ein Bordell in Amsterdam blutig zerlegt und Jon Foo („Weaponized“) darf kurz aufblitzen lassen, was er auf dem Kasten hat. Überhaupt lässt Regisseur Tony Giglio („Chaos“) seinen Hauptdarsteller häufiger von der Kette. Und das vollkommen zurecht, ist Foo doch ein echter Springfloh, der in „Extraction“ vornehmlich hart und effektiv hinlangen darf. Dabei schießt „Extraction“ eines seiner Highlights schon früh ab. In dem nimmt es Foo mit einem ganzen Raum voller Bodybuilder auf, bricht Arme und Beine wie Zündhölzer und überfordert die riesigen Menschenberge mit seinem hohen Tempo.
Hernach stehen eher kleinere Scharmützel im Mittelpunkt. Wenn Mercy etwa Wärtern auf den Gängen begegnet. Ausführlicher darf er noch einmal gegen Ende wirbeln, etwa in einem coolen Fight gegen einen riesigen Opponenten. Dabei wird Mercy mit zunehmender Laufzeit immer derber in der Wahl seiner Mittel und bricht auf teilweise sehr drastische Art und Weise Genicke. Kurzum: Die von James Lew („Star Raiders: The Adventures of Saber Raine“) choreografierten Fights machen richtig Laune und Regisseur Giglio setzt sie effektiv und dynamisch in Szene!
Bei manchen Konfrontationen mit den Wärtern des Knastes kommen auch Schusswaffen zum Zug, hier muss man dann aber mit CGI-Trefferwirkungen und digitalen Bluteffekten leben. Ein weiteres großes Manko ist die Tatsache, dass „Extraction“ seinen Zuschauern einen größeren Showdown verweigert. Mehr noch: Der finale Fight ist eigentlich nicht einmal wirklich ein Fight. Schade.
Wo wir gerade bei den negativen Punkten sind, muss man auch herausstellen, dass der Film im Mittelteil immer mal wieder kurz hängt. Was auch daran liegt, dass Hauptdarsteller Jon Foo zwar topp kicken kann, aber nur über eine arg limitierte Ausstrahlung verfügt. Erst wenn er ein Team mit dem zu befreienden Knast-Insassen bildet, läuft „Extraction“ wieder richtig rund, weil der in Leipzig geborene Falk Hentschel („White House Down“) als Rudolf Martin köstlich humorig mit Mercy interagiert, cool fighten kann und sogar für selbstironische Genre-Untertöne sorgen darf.
Als fieser Knastchef darf Vinnie Jones („Gridlocked“) Häftlinge totschlagen und die eine oder andere F-Bomb werfen. Dazu ein wenig Getobe und Augengerolle und fertig ist der Jones’sche Standard-Bösewicht-Proll, was hier aber wie die Faust aufs Auge passt. Im Befehlsstand des Black-Ops-Teams sind mit Danny Glover („Dark Web“) und Sean Astin („Schachmatt“) zwei größere Namen vertreten und beide reißen ihre jeweiligen Rollen absolut routiniert herunter. Vor allem bei Danny Glover ist das ja schon seit einigen Projekten eine echt positive Meldung. Für ein wenig Eye Candy darf Joanne Kelly („Solar Attack“) sorgen.
„Extraction“ entpuppt sich als äußerst lohnenswerte Kost für den B-Actionfan, der auch mit einigen kleineren Makeln zu leben und sein Hauptaugenmerk auf ordentlich inszenierte Action zu lenken vermag. Dabei bleiben trotz allem Gekeile vor allem zwei Szenen in Erinnerung: Die mit „Ave Maria“ unterlegte Massenflucht aller Gefängnisinsassen und eine großartige Sequenz rund um eine fliegende Nebelgranate, die dank der „Ode an die Freude“ und einem gewissen Wahnsinn in der Bebilderung richtig reinknallt. Kurzum: „Extraction“ weiß, wo seine Stärken liegen, und versucht, die Störfeuer so klein wie irgendmöglich zu halten. Das klappt aufgrund des begrenzten Budgets nicht immer. In der Folge lahmt das Tempo ein wenig, die Schauplätze wirken ziemlich abgerissen und die Optik kommt ziemlich preisgünstig rüber. Im Großen und Ganzen macht dieser kleine „The Raid“-Wiedergänger aber eine Menge Spaß.
Über eine deutsche Veröffentlichung ist mir bis zum jetzigen Zeitpunkt nichts bekannt. In den USA kann man „Extraction“ auf einer Code 1 DVD von Sony Pictures Home Entertainment erwerben. Hier ist der mitunter harte Streifen „not rated“ und ungeschnitten.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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