Originaltitel: Split__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: M. Night Shyamalan__Darsteller: James McAvoy, Anya Taylor-Joy, Betty Buckley, Haley Lu Richardson, Jessica Sula, Brian Gildea, Brad William Henke, M. Night Shyamalan, Bruce Willis u.a. |
Dank der TV-Serie „Wayward Pines“ (2015) und dem Horrorfilm „The Visit“ (2015) schnupperte M. Night Shyamalan nach diversen Flops endlich wieder Morgenluft und zeigte auf, dass er das Erzählen noch nicht verlernt hat. Mit seinem „The Visit“-Produzenten Jason Blum („Incarnate“) arbeitete er auch an seinem neuesten Film zusammen. Dieser ist in seiner Gesamtheit noch viel deutlicher ein Shyamalan-Film als es „The Visit“ war…
Kevin leidet an DIS. Also einer dissoziativen Identitätsstörung. Das Krankheitsbild von DIS besagt, dass betroffene Patienten abwechselnde, unterschiedliche Vorstellungen von sich selbst haben. Dabei entstehen scheinbar unterschiedliche Persönlichkeiten, die abwechselnd die Kontrolle über das Verhalten des Patienten übernehmen. Im Falle von Kevin haben sich über 20 verschiedene Persönlichkeiten ausgebildet, von denen aktuell drei um ganz besonders viel Aufmerksamkeit buhlen.
Also entführen sie mal eben drei Teenager. Diese werden in einer Art Kelleranlage eingepfercht und hoffen, aus eigener Kraft dem Wahnsinn entkommen zu können. Unvermutete Hilfe kommt von außerhalb der Kellergänge: Kevins Psychologin Dr. Karen Fletcher ahnt, dass mit ihrem Patienten, der ihr etwas zu vehement eine heile Welt vorzugaukeln versucht, etwas so gar nicht zu stimmen scheint…
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Die ganze Grundidee hinter „Split“ ist schlicht und ergreifend großartig. Der Einfall, verschiedene Identitäten einer Person eine Art Komplott gegen die anderen Identitäten anzetteln und ohne deren Wissen eine Straftat begehen zu lassen, ist gleichermaßen verstiegen wie absolut faszinierend. Zumal Geschichtenerzähler Shyamalan seine Idee so gekonnt mit immer neuen Hinweisen und Rätseln befeuert, dass die grundlegende Story-Prämisse den mit zwei Stunden Laufzeit nicht gerade kurzen Film mühelos alleine trägt.
Ein wichtiger Faktor für das Gelingen von „Split“ ist die tadellose Schauspielleistung von James McAvoy („Enemies – Welcome to the Punch“), der vollkommen in den verschiedenen Persönlichkeiten aufgeht, ihnen deutlich erkennbare Unterschiede angedeihen lässt und trotz dieser darstellerischen Tour de Force uneitel hinter das große Ganze zurücktritt und auch seinen vornehmlich weiblichen Co-Darstellerinnen großartige Momente überlässt. Dabei überzeugen vor allem Anya Taylor-Joy („The Witch“) als emotionales Zentrum der drei entführten Teenager und die megastarke Betty Buckley als Psychologin Dr. Fletcher. Letztere hat zwar vor allem eine Erklärbär-Rolle abbekommen, macht aber absolut das Beste aus ihrer Rolle! Überdeutlich fällt zudem auf, dass Shyamalan in Sachen Schauspielerführung deutlich zugelegt hat und seinen Darstellern nicht mehr nur leere Blicke und viel Schweigen auferlegt.
In Sachen Inszenierung läuft Shyamalan nach dem optisch arg ungewohnten „The Visit“ zu alter Form auf! Sein „Split“ besteht ausschließlich aus komplett durchgeplant wirkenden, langen Einstellungen, in denen Shyamalan mit subtilen Kamerabewegungen mehr Spannung aufzubauen versteht als ein ganzes Heer an Horror-Regisseuren mit dem Jump-Scares-für-Dummies-Handbuch. Dahingehend ist beispielsweise die Entführung der Teenager zu Beginn des Filmes bereits ganz großes Kino. In aller Ruhe baut der Regisseur so eine stimmige Atmosphäre auf, die mit zunehmender Laufzeit immer beunruhigender wird. Was durch den „Soundtrack“, der eher aus disharmonischen Klängen und Lauten besteht, extrem befeuert wird.
Ein wenig problematisch ist leider das Ende des Filmes. Nach dem bis dato absolut unkonventionellen Handlungsverlauf, in dem Kevins Persönlichkeiten für immer neue, unvorhersehbare Ereignisse sorgten, wird „Split“ plötzlich eine recht gewöhnliche Horrorshow mit einer Art Monstrosität. Die ist zwar durchaus interessant im Handlungsverlauf verankert, ihre Handlungen wirken aber extrem wie Zugeständnisse ans 0815-Horrorpublikum, das bisher ja „leider“ ausschließlich mit psychologischem Grusel auskommen musste. Es wird geschrien, gezetert, geschossen und auf einmal setzt es sogar Latex-Effekte… und keiner hätte all das gebraucht.
Und so verliert „Split“ ausgerechnet zum Ende hin enorm an Kraft und Wirkung. Ansatzweise ausgeglichen wird das durch einen Gastauftritt von Bruce Willis, der hier – untermalt durch das passende Musik-Thema – in seiner „Unbreakable“-Rolle auftaucht und damit eine Verzahnung zwischen „Split“ und „Unbreakable“ andeutet. Es wäre echt interessant, zu sehen, was Shyamalan aus diesem Ansatz machen würde. Bis dahin muss aber „Split“ reichen. Und der ist nicht nur dank formidabler Schauspielleistungen ein richtig guter Shyamalan-Film geworden. Mehr noch: Er ist echt unheimlich, kitzelt das Denkzentrum, ist extrem edel in Szene gesetzt und entpuppt sich dank einer famos etablierten und intelligent ausgebauten Prämisse als starke Antithese zum aktuellen Horrorfilm. „Split“ braucht keine dummen Teenie-Helden, keine blöden, abgenutzten Jump Scares und erst recht keinen Rummel von der Tonspur.
In diesem Sinne:
freeman
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Nach den Flops seiner groß budgetierten Filme „The Last Airbender“ und „After Earth“ sah es nicht gerade rosig für M. Night Shyamalan aus, doch die auf Horror spezialisierte Schmiede Blumhouse verhalf ihm zu einer Art Comeback: „The Visit“ wurde nach bewährtem Blumhouse-Rezept zum Hollywood-Sparpreis von 5 Millionen Dollar realisiert, spielte aber fast 100 Millionen ein.
Nach bewährtem Sparrezept ist auch sein zweiter Film für Blumhouse, „Split“, inszeniert. Wenige Schauplätze, wenige Darsteller. Dabei geht er auch erzählerisch sehr ökonomisch vor, wenn er zu Anfang drei seiner Hauptfiguren bei einer Geburtstagsparty einführt. Gastgeberin Claire (Haley Lu Richardson) ist superbeliebt und Wortführerin, ihre Freundin Marcia (Jessica Sula) eher eine Mitläuferin, während die Außenseiterin Casey (Anya Taylor-Joy) in erster Linie eingeladen wurde, weil Claire alle aus ihrem Kunstkurs eingeladen hatte. Auch in der Kleidung zeichnet sich der Kontrast zwischen den hippen Mädels und der in viele Schichten Schlabberkleidung gehüllten Casey ab.
Passend zum anfangs sehr nüchtern-unterkühlten Stil des Films geschieht dann auch der Umbruch von Feierlaune zu Katastrophe: Claires Vater will seine Tochter, Marcia und Casey eben nach Hause fahren, als ein Mann (James McAvoy) erst ihn erst ihn, danach die Mädels mit Hilfe der chemischen Keule betäubt, was still und fast unbemerkt vonstattengeht: Erst bemerken die drei gar nicht, dass es nicht der Vater ist, der ins Auto steigt, während ihre Entführung auf dem vollen Parkplatz von niemandem wahrgenommen wird. Als das Trio erwacht, befindet es sich in einem selbstgebauten Gefängnis, der aber wesentlich nüchterner als gängige Torture-Porn-Höhlen und artverwandte Horrorkeller eingerichtet ist.
Es ist schwer aus dem Mann, der sich als Dennis vorstellt, etwas herauszubekommen. Nur, dass sie für einen bestimmten Zweck entführt wurden. Bald wird den dreien jedoch klar, dass ihr Entführer über gleich mehrere Persönlichkeiten verfügt, darunter auch die strenge Patricia und der neunjährige Hedwig. Doch egal mit wem sie es gerade zu tun haben, Flucht ist ihre oberste Priorität…
Mit diesem Setting wechselt „Split“ vor allem zwischen zwei Räumlichkeiten hin und her: Das Kellergewölbe, in dem die Entführten gefangen gehalten werden, und das Büro der Psychiaterin Dr. Fletcher (Betty Buckley), die den Kidnapper behandelt, der über insgesamt 23 verschiedene Persönlichkeiten verfügt. Dabei wird die Dr. Fletcher nicht einfach nur als Morgan-Freeman-Erklärbär eingesetzt, sondern die Behandlung im Büro und die Misshandlung im Keller bedingen einander: Schon früh erahnt Dr. Fletcher, dass etwas ihren Patienten, der meist als schwuler Modedesigner Barry die Sitzungen besucht, aus der Ruhe gebracht hat. Der unter DID (Dissociative Identity Disorder) leidende Mann wird von ihr mit Vorsicht behandelt, ist sie sich seiner Situation doch bewusst und versucht mehr akademische und öffentliche Aufmerksamkeit für die Störung zu bekommen, die sie nicht nur als Krankheit, sondern auch als Chance für die Betroffenen begreift.
Einen derartig Betroffenen zu spielen ist natürlich ein gefundenes Fressen, aber auch eine Herausforderung für jeden Charakterdarsteller und James McAvoy („X-Men – Apocalypse“) ist ihr mehr als gewachsen. Zwar muss er nicht alle Persönlichkeiten seiner Figur darstellen (einige kommen gar nicht vor, andere haben nur kurze Auftritte in Videoaufzeichnungen), aber schon das präsentierte Ensemble spielt er mit famoser Präzision, macht die Unterschiede schon durch Mimik, Gestik und Blicke klar, spielt sogar Szenen, in sich eine Persönlichkeit als eine andere ausgibt unglaublich nuanciert. Anya Taylor-Joy („The Witch“) als am prominentesten beleuchte Opferfigur steht McAvoy aber nur wenig nach in darstellerischer Klasse, während Betty Buckley („The Happening“) als Therapeutin ebenfalls ganz gut mithalten kann. Da fallen Haley Lu Richardson („The Last Survivors“) und Jessica Sula („Recovery Road“) schon etwas ab, nicht zuletzt, weil ihre Rollen weniger vielschichtig als die der anderen sind, können sich aber behaupten. Seinem Vorbild Hitchcock folgend hat auch Shyamalan selbst wieder einen Cameo-Auftritt, hier als Wachmann mit Hooters-Faible.
Doch trotz all der darstellerischen Klasse geht es hier nicht um eine möglichst realistische Darstellung von DID, sondern um einen Psychothriller mit Horrorelementen, bei dem sich Kidnapper, Opfer und Psychiaterin stetig belauern. Anhand der drei Entführten spielt „Split“ verschiedene Wege mit der Situation umzugehen durch, welche besonders undurchsichtig dadurch wird, dass ihr Gegenspieler jederzeit als jemand anders auftreten kann und man seine Reaktionen kaum abschätzen kann. Dabei stellt sich die zurückhaltende, aber überlegte Casey schnell als prädestinierte Gegenspielerin heraus, deren Wesen und Toughness in Rückblenden erklärt werden, auch wenn sie kein ganz so harter Hund wie beispielsweise ihr Pendant aus dem Slasher „You’re Next“ ist. Dabei spielt „Split“ mit Genreerwartungen und baut durchaus geschickt Spannung auf, vor allem durch die nur schrittweise Enthüllung der Motive des Antagonisten.
Sobald sich langsam herauskristallisiert, was er vorhat, sind immer noch nicht alle Fragen geklärt, vor allem die Frage zwischen Wahn und Wirklichkeit mancher seiner Ideen bleibt bis zum Finale in der Schwebe. Dabei unterläuft Shyamalan Erwartungen und Vorwürfe ihm gegenüber, setzt nicht auf irgendwelche Überraschungstwists, sondern bereitet behutsam die finalen Enthüllungen vor, die sich als plausible wie logische Konsequenz des bisher Gesehenen erweisen. Für eine Überraschung, die einerseits irgendwie unnötig und leicht Banane, andrerseits auch charmant und auf ihre etwas bekloppte Art ganz witzig ist, sorgt nur eine Szene, in der ein Gastauftritt von Bruce Willis in seiner „Unbreakable“-Rolle die Möglichkeit eines Shared Universe im Shyamalan-Kosmos anteasert.
Obwohl sich „Split“ nicht in großen Überraschungstwists ergeht, so handelt es sich dennoch um einen Film, der seine Figuren bei allem Belauern, bei allen geschickt eingebauten Details und falschen Fährten, vor allem für das Finale vorbereitet. Und ausgerechnet da schwächelt „Split“ dann empfindlich, macht wenig aus seinen vorher eingeführten Figuren und setzt auch einen Showdown mit Gerenne und Geschreie, der in seiner wenig subtilen Art leider kaum zum unterkühlt-nuancierten Rest des Films passt und ein wenig an zweitklassigen Videothekenschlonz erinnert. Das ist schade, denn unter der lauten wie uninteressanten Oberfläche dieses Finales steckt eine Auflösung, die eigentlich recht clever zum Rest des Films passt.
Dementsprechend hinterlässt „Split“ den Zuschauer dann mit gemischten Gefühlen. Anya Taylor-Joy ist sehr gut und James McAvoy regelrecht famos, während Shyamalans Inszenierung und die tolle Kameraarbeit von Mike Gioulakis („It Follows“) geschickt unterkühlte Spannung aufbauen, die andrerseits ausgerechnet der holprige Showdown so unschön entlässt. Der ist eigentlich nur ein kleiner Bestandteil des Films, aber in diesem Falle ein essentieller, der den Spaß an diesem Mix aus Entführungsthriller, Psychodrama und Horror schmälert.
„Split“ startet am 26. Januar 2017 in den deutschen Kinos und wurde von der FSK ab 16 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Universal__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 26.1.2017 in den deutschen Kinos |