Am 6. Februar 2016 weilten Regisseur Chad Stahelski und sein Star Keanu Reeves in Berlin, um ihren neuesten Geniestreich „John Wick: Kapitel 2“ zu präsentieren. In dem gerät John Wick aufgrund eines Blutschwurs zwischen alle Fronten, wodurch ein wahnwitziges Actionfeuerwerk entfacht wird. In einer Pressekonferenz zum Film gingen Stahelski und Reeves auf die teils beschwerlichen Dreharbeiten ein und beantworteten geduldig alle Fragen zum Film…
„John Wick: Kapitel 2“ erweitert den Publikumsliebling „John Wick“ vor allem um Humor
Waren Sie vom Erfolg des ersten Teils sehr überrascht?
Keanu Reeves: Wir wären ohne all die Zuneigung, die der erste Teil bei den Zuschauern erfahren hat, nicht hier. Ich liebe meine Rolle und ich habe die Dreharbeiten zum ersten Teil extrem genossen. So war die Möglichkeit, diese Rolle noch einmal spielen und mit Chad arbeiten zu dürfen, ein großes Geschenk für mich.
Chad Stahelski: Alles rund um „John Wick“ war ein wenig schockierend. Wir machten den ersten Teil mit der Intention, einen Actionfilm zu drehen, der sich an den von mir geliebten, entsprechenden Werken aus den 70er orientieren sollte. Das Feedback, das wir daraufhin vom Publikum erhalten haben, war mehr als schmeichelhaft. Als das Studio daraufhin anfragte, ob das Interesse da wäre, einen zweiten Teil zu machen, fand ich das einfach großartig. Keanu hatte ebenfalls Lust auf den Film und so mussten wir nur noch die richtige Story finden, die die Welt, die wir in „John Wick“ etabliert hatten, um interessante Aspekte erweitern würde.
Ein Highlight von „John Wick: Kapitel 2“ ist die märchenhafte, aufregende, farbsatte Welt der Killer. Die Action, die darin steigt, ist großartig. Ganz besonders gelungen fand ich aber den komödiantischen Aspekt. Genannt sei die Bar-Szene mit Common, der Auftritt von Peter Stormare zu Beginn oder die Momente, wenn John Wick seine Ausrüstung zusammen sammelt. Wie schwer war es, diese Aspekte in dem Franchise zu verankern?
Chad Stahelski: Als der Entschluss stand, dass das Sequel gedreht und die Welt von „John Wick“ erweitert werden würde, war uns klar, dass wir die Action größer und gleichzeitig interessanter anlegen würden müssen. Genauso klar war, dass wir damit einhergehend auch die Brutalität steigern und die Action so cool wie möglich aussehen lassen wollten. Der Humor war uns als Gegenpol wichtig, um dem Publikum zu zeigen, dass wir uns selbst nicht zu ernst nehmen.
Keanu, erzähl uns doch dahingehend etwas mehr über die Szene mit Common…
Keanu Reeves: In „John Wick“ und „John Wick: Kapitel 2“ gibt es diese Unterwelt, die ihre ganz eigenen Regeln hat. Eine davon lautet: In den heiligen Hallen des Continental-Hotels ist es den Killern nicht erlaubt, ihren „Geschäften nachzugehen“. Es ist eine Art sicherer Ort für Killer. Common spielt Cassian. Und ja, wir kämpfen und krachen durch ein Fenster ins römische Continental.
Daraufhin insistiert der Inhaber Franco Nero (ahmt dessen Stimme mit Nachdruck nach): „Gentleman, gehen Sie an die Bar und trinken Sie einen!“ Und genau das machen wir auch. Es ist einfach cool und auf eine seltsame Weise lustig, dass wir erst verbissen versuchen, uns gegenseitig zu töten, nur um wenig später gemeinsam an der Bar zu sitzen und einen zu trinken. Und es war ebenfalls sehr witzig, diese Szene zu drehen.
Die spektakuläre Action in „John Wick: Kapitel 2“
Wie schwer waren all die Kampfszenen für dich und wie viele Verletzungen hast du davongetragen?
Keanu Reeves: Ehrlicherweise habe ich mich so gut wie gar nicht verletzt. Die Action in den „John Wick“-Filmen macht zum einen Spaß, ist aber auch sehr fordernd. Chad wollte lange Takes, die die Zuschauer mitten in die Action katapultieren, und mir machte es wirklich Spaß, so viel wie möglich von der Action selbst zu machen. Das bedeutete diesmal ein Mehr an Waffenhandling und Kampfsport…
Das Problem ist, dass dieser Mann (zeigt auf Chad) eine schier unbegrenzte Vorstellungskraft hat, was Actionszenen angeht. Zu Chads Leidwesen werden seine Actionszenen aber nur so gut, wie ich es schaffe, sie umzusetzen. An „John Wick“ zu arbeiten, ist also sowohl ein Geschenk als auch eine echte Herausforderung.
Was war die anstrengendste Szene von „John Wick: Kapitel 2“?
Keanu Reeves: Ich liebe diese Rolle einfach. Ich liebe Johns Willen, seine Leidenschaft. Ich liebe die Trauer, die der Charakter in sich trägt, und dass er nicht aufgibt, selbst wenn er am Boden liegt. Die fordernste Szene war der Fight mit Common. Wir haben zwei Kämpfe. Aber der vorm Continental in Rom war sowohl in den Bewegungsabläufen als auch in der technischen Umsetzung sehr anspruchsvoll. Diese Szene setzte viel Training und eine enorme Vorbereitung voraus.
Chad Stahelski: No Actor was harmed in the making of this movie… much!
Gerade bei Actionfilmen wird gerne diskutiert, ob sie in der Lage sind, Gewalt in der realen Welt zu begünstigen. Wie sehen sie das in Bezug auf „John Wick: Kapitel 2“?
Keanu Reeves: In Bezug auf beide „John Wick“-Filme würde ich sagen, dass die Diskussion obsolet ist. Es sind einfach unterhaltsame Filme. Deshalb würde ich sagen, dass die Gefahr bei einem Publikum mit einem gesunden Menschenverstand nicht gegeben ist.
Chad Stahelski: Ich denke auch, dass sich die Frage bei „John Wick“ nicht stellt. Wir legten großen Wert auf die Umsetzung einer Art Märchenwelt mit extremen Farben, ebensolcher Kleidung und Sprache. Wir gaben allem einen fantastischen, nicht in der Realität verankerten Anstrich. Wir wollten eine Achterbahnfahrt von einem Film. Wir lassen unseren Helden Autos zerstören, durch Fenster krachen, Treppen runterpurzeln. Es ist eben ein Actionfilm. Ja, John Wick hat da eine sehr seltsame Affinität zu Kopfschüssen…
Keanu Reeves: Absolut…
Chad Stahelski: Aber wir haben immer versucht, das Ganze nicht zu sehr zu erden. Die Action nicht zu realistisch zu gestalten und so „in unsere Welt zu holen“. Sie also mehr auf dem übertriebenen Level eines Videospiels zu belassen.
Neuer Film, alte Bekannte…
Wer kam auf die Idee, Keanu Reeves wieder mit Matrix-Urgestein Laurence Fishburne zu vereinen?
Chad Stahelski: Das war Laurence Idee! Laurence und Keanu sind befreundet und ich habe davon profitiert. Aber da kann euch Keanu mehr erzählen…
Keanu Reeves: Ja, Laurence und ich hängen gerne gemeinsam ab. Er meinte mal, er möge den ersten Teil und wäre gerne bei einem zweiten dabei. Ich bat Chad, Laurence das aktuelle Skript zu schicken. Chad schickte ihm das Skript und Laurence sagte: JA! Er spielt den Bowery King, ein weiteres Puzzlestück der „John Wick“-Unterwelt. Und er ist großartig.
Chad Stahelski: Ehrlich gesagt hatten wir Laurence beim Entwickeln der Figur des Bowery Kings bereits ein Stück weit in unserem Hinterkopf. Aber wir hätten nie geglaubt, dass er bei dem Film dabei sein würde. Als er Interesse angemeldet hatte, dauerte es keine fünf Minuten und die Rolle war vergeben.
Versteckspiele im Actionfilm
Es scheint, als bestünden aktuelle Actionfilme nur noch aus hektischen Schnitten und verwackelten Bildern, um die Action schneller aussehen zu lassen. Chad, du hast bei „John Wick: Kapitel 2“ so gut wie keine Schnitte gesetzt und mit sehr langen Einstellungen gearbeitet. Was bedeutete das an Aufwand für euch?
Chad Stahelski: Es stimmt, die meisten modernen Actionfilme werden auf eine spezifische Art und Weise gedreht und geschnitten. Sie wirken abgehackt. Nun muss man aber unterscheiden: Es gibt da gute Regisseure, die machen das ganz bewusst, um genau diesen Stil für ihren Film zu erreichen. Andere dagegen wollen mit dieser Herangehensweise etwas verstecken. Sie wollen den Stuntman verstecken, sie wollen die Drähte fürs Wirework verstecken, sie wollen Lichtquellen verstecken, sie wollen den zweiten Kameramann verstecken, sie wollen das Unperfekte verstecken. Häufig passiert das, weil sich diese Teams nicht ordentlich vorbereitet haben oder schlicht die Zeit für eine Vorbereitung fehlte. Manchmal sind auch die Kameras einfach nicht in der Lage, die Action so zu bebildern, wie es sich der Regisseur vorstellt.
Wir haben uns für „John Wick: Kapitel 2“ vor allem die Zeit zur Vorbereitung genommen. Wir haben, wie Keanu es bereits erwähnte, eine große Vorstellungskraft, was Action angeht und wir hatten ein festes Konzept, mit dem wir gearbeitet haben. Aber am Ende steht und fällt bei dem Film alles mit John Wick. Es gibt da diese eine Szene, in der sich zwei Kerle gegenseitig ehrfürchtig erzählen, was John Wick für ein Badass sei. Und genau das wollten wir euch auch zeigen. Dazu gehörte für uns, dass man einfach sehen musste, dass Keanu eine Menge selber macht. Seien es die langen Takes, komplexe Bewegungen in den Fights, das Fahren des Autos oder das Treppen-Hinabstürzen. Der Zuschauer sollte so in den Charakter und die Action hineingezogen werden.
Was man dafür noch benötigt, sind ein versierter Kameramann und ein ebensolcher Produktionsdesigner, die einem schon im Vorfeld helfen, die Szenen vorzubereiten und die richtigen Schauplätze für die Welt des John Wick zu finden. Seien es ein Rockkonzert in Rom oder die Straßen von New York. Und hier muss immer und immer wieder herumprobiert werden. Wie setzt man das Licht, welche Requisiten kommen zum Einsatz, macht man eine weite oder lieber eine nahe Einstellung. Und all das wiederholt man immer wieder…
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Stuntteam. Selbiges musste Keanu Reeves und die anderen Darsteller intensiv vorbereiten. Deren Bewegungsfähigkeiten ebenso trainieren wie die Erinnerungsfähigkeiten was die Choreografien angeht. Die Darsteller, das Stuntteam, der Kameramann, die Beleuchter und der Produktionsdesigner ließen das Ganze dann am Set zu einer großen Live-Performance verschmelzen. Das macht wirklich Spaß. Aber es ist auch eine Menge Arbeit.
Keanu Reeves: Ja, es ist harte Arbeit. Klar, man legt da nur gefakte Fights hin, aber das erfordert einfach viel Engagement und vor allem die langen Takes waren extrem anspruchsvoll. Letzten Endes versuchst du einfach nur, es nicht zu verkacken!
Apropos verstecken: Ich kann mir vorstellen, dass die Spiegel-Sequenz ein hartes Stück Arbeit war. Immerhin galt es da in jeder Szene eine ganze Filmcrew zu verstecken…
Chad Stahelski: Ich wollte schon immer mal so eine Szene drehen. Diese Szene geht zurück auf meinen Background als Action-Designer. Hier gilt manchmal „größer ist besser“ und manchmal gilt „sei kreativ“. Uns gefiel die Idee, mit Reflexionen zu arbeiten. Zumal Keanu und ich große Fans von „Enter the Dragon“ sind. Ich wollte die Gelegenheit nutzen und einem der meiner Meinung nach größten Actionfilme aller Zeiten Tribut zollen.
Mit Kameramann Dan Laustsen und meinem Produktionsdesigner Kevin Kavanaugh überlegte ich im Vorfeld lange, wie wir die Szene besser machen könnten. Wir probierten viel mit dem Filmmaterial herum, dem Licht, den Spiegeleffekten. Monatelang probten wir mit entsprechenden Spiegeln und dem Stuntteam, wie wir die Spiegel anordnen mussten, um einen Shootout oder einen Kampf von anderen Spiegeln so reflektieren zu lassen, dass es interessant aussieht. Die Umsetzung machte richtig Spaß, war echt tricky und ungemein befriedigend. Ich denke, wir haben letzten Endes jeden nur möglichen Trick genutzt, um die Crew in dieser Sequenz zu verstecken. Wo es praktisch nicht möglich war, griffen wir dann auf visuelle Effekte zurück.
Keanu Reeves: Man sollte aber erwähnen, dass die Techniker von der Idee zunächst nicht sonderlich überzeugt waren.
Chad Stahelski: Das stimmt, die Begeisterung hielt sich in Grenzen, weil keiner so recht vor Spiegeln drehen wollte… Aber am Ende entpuppte es sich als großer, cooler Spaß.
Trump, Sibirien, Herzensbrecher und ein dritter „John Wick“
Ich habe gehört, sie werden einen Film drehen, der von einer Produzentin aus Berlin finanziert wird. Werden Sie in Berlin drehen?
Keanu Reeves: Das wäre echt toll, aber es wird nicht bei diesem Film passieren. Denn der Film heißt „Siberia“ und nicht „Berlin“ *lachen*. Aber ich würde gerne mal in Deutschland drehen. Chad hatte ja bereits mehrfach die Chance hier zu arbeiten.
Was sagen Sie als Kanadier zu den aktuellen Vorgängen in ihrem Nachbarland…
Keanu Reeves: Politik… Wir leben in verrückten Zeiten… Es gibt da diesen neuen Präsidenten, der bildet seine neue Regierung. Entscheidungen wurden getroffen, Aktivitäten angestoßen. Viele gehen damit nicht konform und einige davon sind menschlich schlichtweg nicht korrekt… Ich für meinen Teil hoffe, dass diese Zeit viel positive Beteiligung von Leuten, die sich sonst vielleicht nicht so für Politik interessieren, hervorrufen wird.
Sie sind ja Single. Und sie drehen ihre Actionszenen selbst. Hilft das bei den Frauen?
*großes Lachen*
Keanu Reeves: *verstellt seine Stimme* Ein Kerl kommt in eine Bar und sagt: Ich habe John Wick gespielt! *leicht anzügliches Zwinkern*
Ich habe keine Idee, wie ich diese Frage beantworten soll. Die Frauen können schon sehr gut trennen zwischen mir und meinen Charakteren, die ich spiele.
Wird es einen dritten „John Wick“ geben?
Keanu Reeves: Das hängt natürlich vom Publikum ab. Wir haben alles in den Film gesteckt und würden gerne weiter machen.
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