Can Aydin, Cha-Lee Yoon, Phong Giang und Eugene Boateng sind die Hauptdarsteller des deutschen Martial-Arts-Action-Streifens „Plan B – Scheiß auf Plan A“. Can, Cha und Phong sind bereits seit Jahren im Stuntgeschäft tätig. Zu ihren Referenzen gehören Engagements für Filme wie „Skyfall“, „Die Tribute von Panem: Mockingjay 1 und 2“ oder „Cloud Atlas“.
Doch auch als Darsteller haben sich die drei bereits versucht. „Plan B – Scheiß auf Plan A“ ist nun ihre Visitenkarte für den deutschen Actionfilm. Eugene Boateng machte bislang vor allem als Tänzer von sich reden und gibt dahingehend auch eine Kostprobe in „Plan B – Scheiß auf Plan A“. Wir baten alle vier Darsteller zum Interview und fragten sie, wie die Idee für einen deutschen Martial-Arts-Film entstand und was sie von der aktuellen Ästhetik neuer Actionfilme halten.
Einen deutschen Martial-Arts-Film drehen? Warum nicht?!?!?!
Wie kam denn überhaupt die Idee auf, in einem Land wie Deutschland, in dem Martial-Arts-Filme auf der Leinwand keine sonderlich große Rolle spielen, einen Martial-Arts-Film zu drehen?
Cha: Ich glaube, gerade deswegen! Weil es das sonst nicht gibt. Weil man das nicht erwartet aus Deutschland. Wir haben uns da einfach mal herangewagt und wollten den Markt dafür öffnen. Ich hoffe wirklich, dass der deutsche Markt durch unseren Film für Actionfilme aus Deutschland geöffnet wird. So dass noch weitere deutsche Filme in dem Stil gedreht werden. Es wäre gut, wenn sich auch andere Leute da mal ausprobieren würden.
Eugene: Wir sind alle in Deutschland groß geworden und hatten hier freien Zugang zu all diesen Action- und Martial-Arts-Filmen. Und die haben ja immer ihren Markt in Deutschland gefunden. Und da fragt man sich doch: Warum hat man in Deutschland nicht auch in Martial-Arts gemacht? Der Markt war bzw. ist doch da und es wird immer Leute geben, die solche Filme sehen wollen. Deswegen glaube ich, dass auch unser Film funktionieren kann und hoffentlich wird.
Can: Davon abgesehen, hast du ja die Frage schon selbst beantwortet. Es gibt aus Deutschland keine Action-/Martial-Arts-Filme. Deshalb haben wir irgendwann beschlossen: Wir machen das einfach. Wir haben dann auch das erste Drehbuch selber geschrieben. Nachdem wir unseren Investor gefunden haben, kam der Drehbuchautor Rafael (Alberto Garciolo) dazu und so entstand dann allmählich „Plan B“.
Phong: Interessant ist ja auch, dass wir, wenn wir über Action reden, meist von internationalen Projekten reden. Aus Hollywood und Co. Doch selbst deren Macher kommen inzwischen vermehrt nach Deutschland und drehen hier. Nutzen deutsche Talente. Also warum sollte es uns Deutschen nicht auch möglich sein, einen solchen Film hier zu inszenieren und damit erfolgreich zu sein? Know-how und Leute sind ja da! Deshalb haben wir beschlossen, das selbst anzugehen.
War von Anfang an eine Kinoauswertung für den Film geplant? Oder war das am Ende die Kirsche auf der Torte?
Can: Das war das Ziel! Damit wir auch die breite Masse erreichen, die sich den Film auch anguckt. Und das haben wir für uns in dem Sinne geschafft und wir freuen uns, dass alles geklappt hat.
Cha: Auch wenn es immer das Ziel war, war nicht von Anfang an klar, dass der Film in die Kinos kommen würde. Das kam erst im Nachhinein. Der Film ist ja schon seit drei Jahren abgedreht. Dass nun doch noch die Twentieth Century Fox dazu gekommen ist, den Film super findet und ihn vertreiben will, das ist, wie du sagtest, die Kirsche auf der Torte.
Nur eine Chance und die galt es zu nutzen!
Was hat euch vor den Dreharbeiten am meisten Respekt eingeflößt? Waren es die Actionszenen oder waren es die schauspielerischen Anforderungen?
Can: Ich hatte den größten Respekt vor dem ganzen Projekt an sich. Zum Glück war der Film eine Art Heimspiel für uns. Vor allem, was die Action angeht. Und schauspielerisch haben wir die Rollen so aufgebaut, dass „sie für uns passen“. Auch hat der eine oder andere von uns bereits schauspielerische Erfahrung. Cha, Phong und Eugene besuchen entsprechende Workshops und ich war dreieinhalb Jahre am Theater. Daher hat das auch gepasst und machte uns nicht die großen Sorgen.
Im Grunde genommen waren die Umstände eher das, was uns den meisten Respekt abgerungen hat. Denn wir wussten, wir hatten da eine Chance, den einen Schuss. Und wir mussten in kürzester Zeit Action auf hohem Niveau abliefern. Das war die größte Herausforderung. Und ich finde, das haben wir gut gemeistert.
Phong: Der Druck war der größte Stressbringer. Vor allem in den Actionsequenzen, die wir gedreht haben. Manchmal lief auch da etwas schief und da mussten wir sofort umdenken, flexibel sein und gegebenenfalls die Choreografie ändern usw.. Mit diesem Druck zu arbeiten, das war das Härteste.
Die Action von „Plan B – Scheiß auf Plan A“
Wie viel Zeit hattet ihr ungefähr pro Actionszene?
Can: Für eine Szene hatten wir 10 Stunden. Das war Phongs Kampf gegen Lorenz (Hideyoshi Ruwwe) im Showdown. Ansonsten hatten wir 6-8 Stunden pro Kampf. Von denen dann jeweils zwei Minuten auf der Leinwand zu sehen sind…
Insgesamt hatten wir sechs Tage für die komplette Action. Das ist schon sehr sportlich. Vor allem, wenn man vergleicht, wie viel Zeit etwa ein Jackie Chan für solche Szenen hat. Fünf Monate hatte der Zeit für die Realisierung des irren Endkampfes in „Drunken Master 2“. Das ist natürlich ein besonders extremes Beispiel. Doch auch ein Donnie Yen nahm sich für den Endkampf in „Flashpoint“ einen Monat Zeit. Wir dagegen mussten in sechs Tagen Action für einen ganzen 90-Minüter auf die Beine stellen. Das war definitiv eine enorme Herausforderung.
Welche Szene war die Schwierigste?
Can: Die waren alle auf ihre Art schwierig.
*Phong, Cha und Eugene stimmen dem nickend eindeutig zu.*
Can: Jede Szene hatte ihre eigene Herausforderung und Schwierigkeit. So hatten wir am ersten Drehtag in Sachen Action den Kampf gegen die Satanisten umgesetzt. Da musste sich das Team erst einmal entsprechend einspielen und sich darauf einstellen, auf was wir eigentlich hinauswollten. Obendrein mussten die Umstände an den jeweiligen Sets berücksichtigt werden. Das Setting unseres Satanisten-Fights etwa war überall mit Ruß bedeckt. Den haben wir die ganze Zeit eingeatmet und mussten dann auch noch kämpfen.
Oder bei einem anderen Fight ging Phong irgendwann getroffen K.O.! Da mussten wir sofort die ganze Szene neu choreografieren und dementsprechend anpassen, weil er nicht mehr in die Lage war, die vorgesehenen Stunts durchzuziehen. Und Cha bekam die knappe Zeit in seinem Kampf mit Mike Möller direkt zu spüren. Da mussten die meisten Sachen nach 1-2 Takes einfach sitzen. Alles, was du im fertigen Film siehst, ist nach 1-2 allerhöchstens 3 Takes entstanden. Dafür muss man gut vorbereitet und dennoch flexibel sein.
Für mich persönlich war meine Szene im Showdown schwer. Weil ich vor meinem Fight gegen Aristo (Luis) richtig pumpen musste. Und nach so einer Pumpaktion solltest du dir eigentlich Ruhe gönnen. Doch die Zeit war ja nicht. Das war sehr sehr anstrengend.
Cha: Vor allem, wenn du wie Can selbst der Action-Regisseur bist und auch noch selber performen musst. Das ist natürlich die doppelte Ladung Stress für ihn gewesen. Und all die Belastungen prägen einen während der Dreharbeiten. Wir hoffen natürlich alle, dass die Umstände beim vielleicht nächsten Film besser werden.
Die Ästhetik der Action in „Plan B – Scheiß auf Plan A“
Was war euch in Sachen Ästhetik bei der Umsetzung der Action am wichtigsten?
Cha: Bei der Action war uns wichtig, dass wir den 80er Jahre Hongkong-Stil anwenden und die Energie dieser Filme immer präsent ist.
Can: Wir wollten den Zuschauer auch irgendwo umerziehen. Wenn man das so sagen kann. Diese ganzen „Bourne-Filme“…
Wie steht ihr eigentlich zu dieser Ästhetik? Es gibt ja Regisseure, die können mit dieser Ästhetik arbeiten. Die bringen trotzdem noch einen Zusammenhang in die Szenen (*Zustimmendes Brummen der Jungs*). Doch bei den meisten ist die ganze Inszenierung einfach nur noch hektisch. Man sieht gar keine Choreografie mehr (Can: „Augenkrebs!“) und hört die Einschläge eigentlich nur noch. Da ist „Plan B“ ja wirklich meilenweit von entfernt mit seinen tollen Einstellungen, in denen die Choreografie auch atmen darf.
Can: Das war auch unser Ziel. Da wollten wir das Publikum wieder hinbringen. Es gibt freilich auch viele Leute, die genau auf diese Ästhetik der „Bourne-Filme“ stehen. Keine Frage und es sei ihnen vergönnt. Aber das Problem ist, dass die Leute zu weiten Teilen nicht verstehen, warum dieser Stil entwickelt wurde. Der wurde nämlich für Schauspieler entwickelt, die vor der Kamera nicht kämpfen können. Leider wurde das aber ganz anders vermarktet und verkauft, so dass die Leute dachten: Oh, das ist ja real, weil es shaked und was auch immer. Die haben das unter dieser Rubrik verkauft und viele haben das dann auch so angenommen. Weil sie sich mit der Materie auch nicht auskennen.
Für uns war es darum wichtig, dass wir das Publikum wieder „umerziehen“ und sagen: Go back to the roots! Das hier ist Kampfsport und dafür musst du fit sein. Dafür musst du liefern. Und das war uns sehr sehr wichtig! Ich denke, dahingehend haben wir mit unserem ersten Projekt einiges geschafft. Jetzt hoffen wir auf ein weiteres Projekt – dann hoffentlich mit mehr Drehzeit. Denn da ist natürlich noch Luft nach oben, um so richtig auf die Kacke zu hauen!
Bei dir, Can, fand ich während meiner Recherchen cool, dass du in dem südkoreanischen Film „The Berlin File“ mitgespielt hast. Wie gefällt dir eigentlich ganz allgemein das aktuelle südkoreanische Actionkino?
Can: Also ich muss sagen, dass sich koreanisches Kino filmisch gesehen weltweit definitiv ganz weit oben sehen darf. Da ist ja interessant zu wissen, dass da um 2000 Hollywoods Filmemacher nach Südkorea geflogen sind und die dortigen Filmemacher gecoacht haben. Da gab es Workshops und dergleichen mehr. Und das sieht man auch in den Filmen. Actiontechnisch würde ich sagen, dass mich deren Stil mehr anspricht als der „Bourne-Stil“. Weil sie ebenjenen sauberer umsetzen. Aber dennoch gibt es immer wieder auch Momente, wo ich mir als Action-Regisseur denke, ich würde das jetzt nicht so umsetzen. Aber das ist ja, wie so oft, Geschmackssache. Ich finde, man kann sich deren Actionfilme gut angucken. Man wird gut unterhalten. Und man hat Spaß daran.
Wie läuft ein Casting für Stuntmen wirklich ab?
Im Film wird es so dargestellt, dass ihr euch als Stuntmen wie Schauspieler bei einem entsprechenden Casting vorstellen müsst. Entspricht diese Darstellung der Realität?
Cha: Teils, teils. Es gibt Varianten, die funktionieren wie im Film. Das heißt, es gibt ein offenes Ausschreiben oder du wirst direkt via E-Mail angefragt, ob du Interesse an dem und dem Projekt hast. Dann wirst du normal eingeladen. Da gehst du hin, hast einen Casting-Termin und stellst dich da eben vor.
Phong: Für deine Präsentation hast du meist etwa 3-4 Minuten. Da muss es sofort *Klick* machen. Viele haben da meist ein Showreel mit ihren besten Stunts und weiteren Arbeitsproben dabei.
Cha: Genau. Und dann gibt es aber auch Varianten wie jene, die Phong und mich zum Teil der „Tribute von Panem: Mockingjay Part 1 und Part 2“ gemacht hat. Da hat Ralf, unser Chef hier bei „Haeger Stunt und Wireworks“, den Job als Stunt-Koordinator für alle Szenen, die in und um Berlin umgesetzt werden sollten, an Land gezogen. Dadurch, dass wir eng mit ihm zusammenarbeiteten und er so wusste, was wir drauf haben, machte er uns zum Teil seines Teams und so entfiel der Casting-Prozess.
Can: Inzwischen sind wir in der glücklichen Position, dass wir uns bereits einen Namen gemacht haben und auch direkt in Projekte eingeladen/eingebucht werden. Ohne irgendwelche Castings. Das ist dann der optimalste Fall.
Ich danke für das Gespräch und wünsche euch viel Erfolg!