Originaltitel: Wonder Woman__Herstellungsland: USA/China/Hongkong__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Patty Jenkins__Produktion: Zack Snyder, Deborah Snyder u.a.__Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, Robin Wright, Connie Nielsen, Danny Huston, David Thewlis, Saïd Taghmaoui, Elena Anaya, Ewen Bremner, Eugene Brave Rock, Lucy Davis u.a. |
Marvel hätte Pionierstatus haben können: Bereits früh führte das Studio die Superheldin Black Widow in ihr Filmuniversum ein, doch – aus welchen Gründen auch immer – kam kein Solofilm mit ihr zustande, welcher der erste bei Kritik und Kasse überzeugende Superheldinnenblockbuster nach Misserfolgen wie „Supergirl“, „Catwoman“ und „Elektra“ hätte werden können. Das gelang nun dem Konkurrenten DC mit „Wonder Woman“.
Nachdem die Amazone Diana Prince (Gal Gadot) bereits in „Batman v Superman“ einen ersten Auftritt hatte, erzählt „Wonder Woman“ nun ihre Origin Story. Als einziges Kinds wächst Diana auf der Insel Themyscira auf, wo die Amazonen seit der Antike zurückgezogen leben, geschützt vor der Welt der Menschen. Diana, angeblich von Zeus persönlich geschaffen, lernt, dass die Amazonen für die Rückkehr des Kriegsgottes Ares trainieren, der die Menschheit zu einem weltweiten Krieg verführen und dabei auslöschen will, woran ihn nur eine Amazone mit einem speziellen Schwert, dem Gott-Töter, hindern kann. Doch dabei ist Diana geprägt von zwei Schulen: Ihre Mutter Hippolyta (Connie Nielsen) will sie vor dem Krieg bewahren und ihr lieber Bildung und Frieden angedeihen lassen, ihre Tante, die furchtlose Heerführerin Antiope (Robin Wright), will sie dagegen zur exzellenten Kriegerin ausbilden, was bereits früh die hier verhandelten, widerstrebenden Impulse der Heldin durch zwei Nebenfiguren verkörpert.
Als der britische Spion Steve Trevor (Chris Pine) mit einem Flugzeug von Themyscira abstürzt und von einem deutschen Suchtrupp verfolgt wird, führt das nicht nur zu einer verhängnisvollen, wenn auch gewonnenen Schlacht für die Amazonen, sondern auch zu Nachrichten vom tobenden Ersten Weltkrieg, hinter dem Diana Ares vermutet. Währenddessen lernt man auch die Schurken auf der deutschen Seite kennen, den unerbittlichen General Erich Ludendorff (Danny Huston) und die entstellte Wissenschaftlerin Dr. Maru (Elena Anaya), die an teuflischen Giftgasen arbeitet – beides Figuren, die manchmal eher ins Nazi-Schurkenkabinett manches Zweiter-Weltkriegs-Abenteuers passen würde, aber doch dem Comiccharakter des Stoffes entsprechen.
Da die Amazonen jedoch an Ares‘ Rückkehr zweifeln und sich Friedensgespräche am Horizont abzeichnen, votiert man gegen ein Eingreifen, was Diana nicht hinnehmen will und mit Steve einen Pakt schließt: Sie bringt ihn von der Insel, er sie zur Front und damit zu Ares…
httpv://www.youtube.com/watch?v=Dk9hgqqGlWU
Was folgt, ist ein Mix aus Superheldenabenteuer und Kriegshintergrund, dessen Bildsprache manchmal an den ersten „Captain America“ erinnert, aber auch dessen Gratwanderung zwischen Comiclockerheit und Ernst der Geschichte zu halten weiß. Im Gegensatz zum verkrampft ernsten „Batman v Superman“ und dem dagegen bemüht blödelnden „Suicide Squad“ ist „Wonder Woman“ mit seiner fish-out-of-water-Comedy im zweiten Drittel genau richtig beraten: Diana kann die kaum emanzipierte Welt des Weltkriegseuropas nicht verstehen, gerät mit von sich überzeugten alten Herren aneinander und kann ihre für den Kampf benötigte Bewegungsfreiheit nicht mit den damaligen Kleidungsgewohnheiten überein bringen, was für verschmitzte, auflockernde Momente sorgt, gleichzeitig Geschlechterfragen ironisch verhandelt und ein wenig an die Screwball-Comedys klassischen Zuschnitts erinnert. Das wirkt nie aufgesetzt, aber im positiven Sinne auflockernd, weg von der manchmal an Freudlosigkeit erinnernden Bedeutungsschwere, mit der mancher DC-Vorgänger zu Werke ging.
Sobald es jedoch ins Kriegsgebiet und auf die Schlachtfelder geht, dreht das Team um Regisseurin Patty Jenkins den Humorpegel zurück, der allenfalls noch Dianas und Trevors Sidekicktruppe aus einem Schmuggler, einem Meister der Täuschung und einem Scharschützen vertreten wird – und doch ist jeder aus der Truppe (die ein wenig an die Howling Commandos aus „Captain America“ erinnert) auch vom bitteren Lebenserfahrungen gezeichnet, die manchem Spleen einen tragischeren Drall geben. Etwas schade ist, dass „Wonder Woman“ diese wichtigen drei Nebenfiguren nicht etwas mehr ausarbeitet und diese in der Finalschlacht etwas verloren wirken, denn es handelt sich um interessante Sidekicks, nicht um Wegwerfcharaktere.
Mit ihnen und Wonder Womans Eingreifen ins Kriegstreiben, ihrem gleicherweise manischen wie von Naivität geprägten Wunsch den Weltkrieg durch die Tötung von Ares zu beenden (den sie hinter Ludendorff vermutet), verhandelt der Film durchaus ernst ein grundsätzliches Problem von idealistischem Actionheroismus im Film: Dass diese Figuren einerseits für Frieden stehen, andrerseits in ihren Geschichten aber immer genug opulenter Radau angesagt sein muss, ehe (bis zum nächsten Sequel) Frieden herrschen kann. Auch die Frage, ob es Ares wirklich gibt oder Krieg im menschlichen Wesen liegt, ist sowohl plotrelevant als auch ein hier besprochener Gedanke – doch all diese Ideen geraten durch ihre Verflechtung mit dem Plot nicht zur drögen Thesenstunde, sondern sind erfreuliche Substanz, die hier in einen Blockbuster gepackt wird.
Als solcher erzählt „Wonder Woman“ freilich eine reichlich generische Geschichte, welche mal die Ursprünge einer Heldin beschreibt, ihre Fähigkeiten, Waffen und Einstellungen einführt und sie gleichzeitig ein erstes Abenteuer erleben lässt. Dabei verzichtet „Wonder Woman“ jedoch auf das große Anteasern weiterer Filme und sogar auf die im Genre mittlerweile fast schon obligatorische Post-Credit-Sequenz, auch wenn die Geschichte von einem Moment gerahmt ist, in dem Diana ein Foto alter Abenteuer in unserer Gegenwart wiederfindet, Wayne Enterprises sei Dank. Doch das Bekannte erzählt „Wonder Woman“ mit Tempo und Verve, funktioniert als eigenständiges Genre-Abenteuer und wirkt schon allein dadurch abgeschlossen, dass man weiß, dass es nach dieser Weltkriegsepisode in die Gegenwart gehen wird, was der Romanze zwischen dem sterblichen Steve und der unsterblichen Diana etwas Bittersüßes gibt, auch wenn das Drehbuch manchmal nicht hundertprozentig vermittelt warum die beiden sich so schnell vergucken.
Dass das kaum stört, liegt auch an der Besetzung. Gal Gadot („Fast & Furious 6“) hält das, was ihr erster Auftritt in der Rolle versprach, erweist sich als Idealbesetzung der toughen, idealitischen, aber auch sehr mitfühlenden Amazone und könnte den Film fast spielend alleine tragen. Chris Pine („Star Trek: Beyond“) als männliche Hauptfigur mit Tatkraft und Bauernschläue ergänzt sich trotzdem perfekt mit Gadot, während Saïd Taghmaoui („Three Kings“), Ewen Bremner („Snowpiercer“) und Eugene Brave Rock („Hell on Wheels“) besagte drei Sidekicks mit Verve verkörpern. Danny Huston („Frankenstein – Das Experiment“) ist ein herrlich hassenswerter, wenn auch etwas eindimensionaler Schurke, während Elena Anaya („Van Helsing“) noch faszinierender ist und gerne noch mehr Screentime als Chemiehexe hätte haben dürfen. Für weiteren Edelsupport in diesem toll besetzten Superheldenstück sorgen Connie Nielsen („Gladiator“), Robin Wright („Das Versprechen“) und David Thewlis („DNA“).
Viel wurde daraus gemacht, dass „Wonder Woman“ von einer Frau inszeniert wurde, zumal es erst Patty Jenkins‘ zweite Spielfilmregie nach ihrem frauenzentrierten Serienkillerdrama „Monster“ ist. „Wonder Woman“ ist ihr auch durchaus souverän gelungen; von einer eigenen Handschrift ist jedoch nur bedingt etwas zu merken. Denn gerade die Actionszenen sehen so aus, als seien sie von Produzent Zack maßgesnydert worden, inklusive der typischen, hier manchmal etwas überstrapazierten Wechsel von Zeitlupe und normaler Geschwindigkeit in den Nahkampfszenen. Dabei steht Action nicht im Vordergrund, sondern konzentriert sich in erster Linie auf drei große Szenen: Die famose Schlacht am Strand, ein Kriegsintermezzo und den Showdown. Die ersten zwei davon beeindrucken, auch wenn Diana manchmal etwas zu oft animiert wird: Klar, irgendwelche Riesensprünge gehen ohne Kollege Computer nicht, anderes Gewirbel hätte man Gadot aber selbst machen lassen können, denn wenn sie in Aktion tritt, dann überzeugt sie als nahkampfstarke Wunderfrau, während ihr digitales Abbild sich manchmal nicht ganz physikalisch glaubwürdig bewegt. Im Finale geht der Rechner dann leider etwas mit dem Filmteam durch, wenn CGI-Overkill mit verschossenen Lichtblitzen und durch die Gegend geworfenen Fahrzeugen ansteht – zu viel, zu künstlich und im dröhnenden Effektgewitter manchmal kaum vom Showdown von „Batman v Superman“ zu unterscheiden.
So gehören dieses zu effektlastige, zu wenig bodenständige Finalgefecht und die generische Origin Story zu den eher schwachen Punkten eines sonst sehr ansprechenden Superheldenfilms: Ein gut balancierter Tonfall zwischen Ironie und gebotenem Ernst, meist überzeugende Action, starke Darstellerleistungen sowie gelungene Verweise in Sachen Geschlechterrollen, Friedensbestrebungen bei Superhelden und Ursprünge von Krieg machen „Wonder Woman“ zu einem starken, aber noch nicht überragenden Vertreter seiner Zunft.
„Wonder Woman“ läuft seit dem 15. Juni 2017 in den deutschen Kinos und ist ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Warner__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 15.6.2017 in den deutschen Kinos |