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Snowden

Originaltitel: Snowden__Herstellungsland: USA/Deutschland/Frankreich__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Oliver Stone__Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Shailene Woodley, Scott Eastwood, Ben Schnetzer, Nicolas Cage, Logan Marshall-Green, Zachary Quinto, Timothy Olyphant, Melissa Leo, Joely Richardson, Rhys Ifans, Tom Wilkinson u.a.
Snowden

Zum Starcast von Oliver Stones „Snowden“ um Joseph Gordon-Levitt in der Titelrolle gehört auch Nicolas Cage

Für Oliver Stone („Platoon“) als linksliberalen Chronisten der jüngeren amerikanischen Geschichte war ein Projekt wie „Snowden“ eine naheliegende Wahl, hier als Spielfilm, nachdem der preisgekrönte „Citizenfour“ das Thema bereits als Dokumentation behandelt hatte.

Die Entstehung genau jenes Dokumentarfilms bildet dann auch die Rahmenhandlung von „Snowden“: Am 3. Juni 2013 empfängt Edward Snowden (Joseph Gordon-Levitt) die Filmemacherin Laura Poitras (Melissa Leo), den Guardian-Journalisten Glenn Greenwald (Zachary Quinto) sowie später noch Greenwalds Kollegen Ewen MacAskill (Tom Wilkinson) um sich ihnen anzuvertrauen, wobei die Aufnahmen für „Citizenfour“ entstehen. Gleichzeitig müssen Greenwald und MacAskill die Veröffentlichungen von Stories und Dokumenten mit ihrer Redaktion abklären, immer mit der Angst vor Repressionen durch den amerikanischen Geheimdienst, was für einen durchaus spannenden Rahmen sorgt, der mehr als nur reine Informationswiedergabe ist.

Vor allem geht es um den Werdegang Snowdens, in dem Stone wahrscheinlich einen Seelenverwandten sieht: Der Regisseur zog in als Patriot in die Vietnamkrieg, kehrte desillusioniert zurück und wurde zum amerikanischen Gesellschaftskritiker. Bei Snowden war es der Cyberkrieg, der ihn eine Wende einschlagen ließ, wobei auch er sich erst bei den Marines meldete, angeheizt durch das Schlüsselerlebnis 9/11 – eine Verletzung der Beinknochen schließlich zwingt Snowden zum Ausstieg, woraufhin der Computerkenner später bei der NSA anheuert.

Schon nach der Ausbildung durch die gegensätzlichen Mentoren Corbin O’Brian (Rhys Ifans) und Hank Forrester (Nicolas Cage) steigt Snowden schnell in der Behörde auf. Doch das, was er sieht, lässt den konservativen Republikaner immer mehr an seiner Arbeit und seinem Land zweifeln…

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„Snowden“ steht vor dem Problem ein Ereignis der jüngeren Zeitgeschichte zu erzählen, dessen Ausgang hinlänglich aus den Medien bekannt ist. So versucht Stone Spannung zum einen aus weniger bekannten Details zu ziehen, zum anderen diese auf inszenatorische Weise in Einzelszenen zu erzeugen, etwa wenn Snowden geheime Informationen aus einer streng bewachten Basis herausschmuggelt. Das ist dann zwar eher Oberflächenspannung und auf besagte Einzelszenen begrenzt, gelingt Stone aber recht ordentlich. Vor allem blitzt dessen Können aber bei der Bebilderung von Überwachung auf: Etwa wenn gezeigt wird, wie über das Ausspionieren einer Person immer mehr Kontakte der Zielperson überwacht werden, oder Snowden allein in einem Konferenzraum mit O’Brian spricht, dessen Antlitz riesenhaft an die Wand projiziert wird, während diese visuelle Überlegenheit noch dadurch unterstrichen wird, dass er Details aus Snowdens Privatleben kennt, die er nur durch Überwachung herausgefunden haben kann.

So ist es dann auch sicher ein großer Verdienst von „Snowden“, dass er im Deckmantel eines Unterhaltungsfilms das wahre Ausmaß des NSA-Skandals noch einmal auf die Leinwand bringt, gerade in der Montage von Lee Percy („Blue Steel“) und Alex Marquez („Savages“) extrem pointiert. Dabei zeigt Stone auf, wie Überwachung funktioniert, was Programme wie PRISM und Xkeyscore aus vermeintlich ausgeschalteten Laptopkameras, Smartphones und sozialen Netzwerken Informationen gewinnen können, auch wenn er dafür manchmal die grobe Kelle herausholt – etwa wenn Snowdens eiskalter CIA-Kollege Geneva (Timothy Olyphant) eine Zielperson erpresst und Snowden einerseits als Unschuldsengel hautnah miterlebt wie von ihm gesammelte Daten eingesetzt wird, zum anderen als Mahner in der Szene auftritt und natürlich ignoriert wird. Ähnlich unsubtil ist es dann auch, wenn in den Büros der unsympathischen Fatzkes immer das George-W.-Bush-Portrait hängt, im Büro des kritischen und daher kaltgestellten Forrester dagegen eins von JFK.

Das Problem von Stones Film ist allerdings eher, dass er Snowden als romantischen Helden inszenieren will und dabei vor allem dessen Beziehung zu seiner Freundin Lindsay Mills (Shailene Woodley) in den Mittelpunkt stellt. Problematisch ist allerdings, dass Stone sich nicht die Zeit nimmt diese Beziehung so wirklich zu etablieren: In schneller Abfolge sieht man den Erstkontakt via Nerd-Kontaktbörse, das erste Treffen und dann den ersten Kuss am Rande einer Demonstration, bei der die Prinzipien des Republikaners Snowden („Do you believe the liberal media?“) und der Liberalen Mills aufeinandertreffen. So bleibt das Hin-und-Her der durch Snowdens Tätigkeit und Gewissenbisse belasteten Beziehung dann ein Schwachpunkt – auch deshalb, weil Stone bei der Inszenierung der glücklichen Momente des Liebeslebens dann gerne mal in Postkartenkitsch verfällt. Das ist schade, denn umso stärker sind viele Momente Snowdens mit seinen Kollegen und Vorgesetzten: Die Gespräche mit dem charismatischen Verführer O’Brian, der jede dreckige Maßnahme zu rechtfertigen weiß, das surreal anmutende Beobachten von Drohnenbildern, die das Auslöschen von Menschenleben in Echtzeit zeigen, der beinahe sportliche Ehrgeiz der jungen Spione und Hacker.

Was den Laden dabei am Laufen hält, ist vor allem die mal wieder grandiose Performance von Joseph Gordon-Levitt („Looper“), der nuanciert den Gesinnungswandel Snowdens und dessen sich verschlechternde Kondition darstellt. Shailene Woodley („Divergent“) macht sich gut, trotz etwas undankbarer Rolle, während in den Nebenrollen vor allem Rhys Ifans („Passion Play“) als Charismatiker auftrumpft. Nicolas Cage („The Trust“), Timothy Olyphant („Ich bin Nummer Vier“), Zachary Quinto („Star Trek: Beyond“), Melissa Leo („The Equalizer“) und Tom Wilkinson („Lone Ranger“) setzen Akzente so gut es ihre kleinen Rollen erlauben. Scott Eastwood („Fast & Furious 8“) funktioniert hier besser als in manch anderen Film – vielleicht, weil er einfach nur eine Drohne spielen muss, die klaglos jeden Befehl entgegennimmt und sich bei einer Diskussion während einer Feier mit seiner Mentalität vollkommen zum Obst macht.

So ist „Snowden“ ein zweischneidiges Schwert: Einerseits zeigt Oliver Stone sehr eindrucksvoll wie kritisch die Möglichkeiten und damit verbundenen Gefahren der unkontrollierten digitalen Geheimdienstüberwachung und setzt Snowden dabei ein manchmal vielleicht extrem idealisierendes, aber doch würdiges Denkmal. Andrerseits erreicht er nicht die fiebrige Intensität von Zeitgeschichtsfilmen wie „JFK“ oder „Nixon“ durch seine manchmal etwas unsubtile Inszenierung und vor allem die leider schwach etablierte Liebesgeschichte, die den Film immer wieder bremst. Hochinteressant, aber nicht ohne Schwächen.

Die deutsche DVD und Blu-Ray des Films kommen von Universum, sind ungekürzt und wegen des Bonusmaterials ab 12 freigegeben, der Hauptfilm ist ab 6 Jahren frei. Besagtes Bonusmaterial umfasst Trailer, ein B-Roll sowie Interviews mit Cast & Crew.

© Nils Bothmann (McClane)

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