Originaltitel: Doctor Mordrid__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1992__Regie: Albert Band, Charles Band__Darsteller: Jeffrey Combs, Brian Thompson, Yvette Nipar, Jay Acovone, Keith Coulouris, Ritch Brinkley u.a. |
In Zeiten, in denen die Filmstudios mit exzessiven Tentpole-Strategien Franchises zu unüberschaubaren Filmuniversen verknüpfen, um auf diese Weise selbst zu Giganten zu mutieren, denkt man wehmütig an die kleinen Produktionsstudios aus der Videozone der frühen 90er Jahre zurück – beispielsweise an Charles Bands Full Moon Entertainment, das mit kleinen, autarken, mechanisch simplen Produktionen eine spezielle Klientel ansprach und eher durch seine Machart als durch inhaltliche Querbezüge Serienbildung betrieb. Megalomanie wurde durch den Fokus auf das Phantastische und Übernatürliche zwar stets behauptet, nie jedoch real verkörpert – dazu waren die Mittel zu begrenzt, das „B“ vor dem „Movie“ zu groß.
„Doctor Mordrid“ allerdings ist die inoffizielle Verfilmung ausgerechnet einer Comicfigur aus dem Hause Marvel, das inzwischen zum größten Planetenfabrikanten Hollywoods aufgestiegen ist und im Zuge dessen den Charakter des Doctor Strange als Original selbst mit einer Verfilmung auf Blockbuster-Niveau beehrt hat – was angesichts der unzugänglichen Fantasy-Anlage nur möglich war, weil „handfestere“ Helden wie Iron Man, Spider-Man oder DC-Konkurrent Batman die Bereitschaft des Publikums gewonnen haben, sich auf jeden Hokuspokus einzulassen, wenn er nur irgendwie in das liebgewonnene Superheldenuniversum eingebettet wird.
Als prähistorische Erbbegünstigte der heute bekannten Marvel-DNA trägt die vorliegende Full-Moon-Produktion, obgleich sie nicht einmal ansatzweise mit der gleichen Intention wie ein „Doctor Strange“ realisiert wurde, von Natur aus die Absicht zur Bildung eines Universums in sich. Auch wenn der kleine Rahmen (74 Minuten Spielzeit!) und einige intime Dialoge in verschrobener Umgebung (etwa in Pyjamas auf dem Hausflur einer Miethausebene) typische Full-Moon-Elemente darstellen, so ist es das mit vergleichbar hohem Aufwand umgesetzte Gesamtergebnis sicher nicht; anstatt unüberlegter Bildaufteilung gibt es mit Bedacht ausgeleuchtete Einstellungen einer wunderschönen Bibliothek, anstatt hässlicher Gummimasken werden Licht- und Animationseffekte geboten, die zwar in einer Zeit revolutionärer Computereffekte („Terminator 2“, 1992; „Jurassic Park“, 1993) altbacken mit den ausgelaufenen 80er Jahren anbandeln, andererseits aber aufgrund ihrer sauberen Umsetzung heute so reuelos wiederentdeckt werden können wie die Stop-Motion-Klassiker aus der Schmiede von Ray Harryhausen. „Jason and the Argonauts“ wird Tribut gezollt, dem jüngeren Familienabenteuer „Night At The Museum“ mit Ben Stiller der Teppich ausgerollt, obwohl dieser sich dem Selbstverständnis nach auf „Jurassic Park“ zu beziehen meint. Dass man bei der kurzen Live-Action des Kampfes zwischen einem Tyrannosaurus und einem Mammut in Skelettform den gesamten Film hierzulande kurzerhand in „Rexosaurus“ umtaufte, um auf der Dinowelle mitzusurfen, ist eine andere Geschichte.
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Ähnlich wie viele Fantasy-Produktionen der 80er Jahre, „Masters of the Universe“ beispielsweise, nutzt „Doctor Mordrid“ den Raum dimensionaler Überlappung, um den schnöden Alltag der normalen Welt mit dem Unvorstellbaren jenseits der Grenzen unserer Welt zu verbinden, wie es das Konzept „Twilight Zone“ bereits seit über dreißig Jahren erfolgreich vorgab. Das Resultat dessen sind grelle Lichttore, die sich temporär öffnen, um deformierte Knetfiguren in die Filmrealität zu spülen, uns im Gegenzug aber auch einen kurzen Blick auf deren Herkunftsort zu gewähren. Die Bildmanipulation ist für den Betrachter ebenso sichtbar wie das mit knackigen Blitz- und Donnergeräuschen arbeitende Foley Design hörbar ist, doch lässt man sich den durchschaubaren Mummenschanz des Spektakels wegen gerne gefallen. Die vollkommene Illusion einer komplett fremden Welt, wie sie von vielen Jules-Vernes-Verfilmungen angepeilt wurde oder auch von den schundigen „Herkules“-Verfilmungen aus der Cannon-Schmiede, ist der Band-Familie fremd – den eigentlichen Reiz der Verquirlung von Phantastik und Gegenwartsrealität teilt „Mordrid“ also mit „Strange“, auch wenn letzterer natürlich dieser Tage vielfältigere Möglichkeiten besitzt, sie darzustellen.
Erstaunlich ist es auch, wie kompatibel sich das Werk trotz seiner Kürze für mögliche Fortsetzungen oder anderweitige Erweiterungen zeigt, ohne diese jemals umgesetzt zu haben. Immerhin wuseln allerorten Kreaturen mit ungenutztem Potenzial ebenso wie Andeutungen des Wirkungsgrades der hier dargestellten Welt, die viel größer zu sein scheint als das, was der Film zeigen kann. Da auch die Titelrolle durch B-Urgestein Jeffrey Combs („Lurking Fear“) mit einem linkischen, knorrigen Typus eher unheldenhaft besetzt ist, hätte es nicht einmal verwundert, wenn man dem Antagonisten Kabal, von Brian Thompson („Hired to Kill“) gewohnt höhnisch-überlegen verkörpert, einen eigenen Film spendiert hätte. Insofern erweist sich die verwendete Charakterzeichnung sogar als zukunftsweisend, bedenkt man, welche Entwicklung das Bild von Helden und Antihelden in den letzten Jahren genommen hat, bis hin zum egomanischen Schurken aus dem Familien-Animationsfilm („Despicable Me“).
„Doctor Mordrid“ ist schlussendlich wie vieles mit dem Full-Moon-Label zu träge, um waschechter Kult zu sein, zu kurz für ein Epos, zu altbacken, um als Effektspektakel in Erinnerung geblieben zu sein und zu räudig für einen anerkannten Klassiker, wirkt aber dennoch wie der ambitionierte Versuch, das Zentrum einer Franchise zu erschaffen, die in jede Himmelsrichtung expandieren kann – gerade auch, weil das Ende keinen Ausblick auf eine zerstörte oder gerettete Welt bietet, sondern bloß auf eine Tasse Kaffee. Combs in der Hauptrolle bei einer Filmsorte, die sonst nur strahlende Blondlinge wie Dolph Lundgren oder Sam Jones kennt, ist für sich genommen schon ein Clou – in seinen unmodischen Stofflappen hat er Anteil daran, dass Helden nicht perfekt aussehen müssen, um selbstbewusst zu sein. Und niemals ist auch nur eine Minute verschwendet, in denen Urzeittiere per Stop Motion aufeinander losgehen – auch nicht, wenn sie kein Fleisch mehr auf den Knochen tragen.
Informationen zur Veröffentlichung
Wicked-Vision gehen gern in Serie. Jean Rollin und Pete Walker mit einer eigenen Veröffentlichungsreihe zu ehren, ist angesichts ihrer sehr speziellen Handschrift ebenso naheliegend wie die Produktionen aus dem Hause Full Moon zu bündeln, selbst wenn diese von unterschiedlichen Regisseuren stammen. Nach „Lurking Fear“ ist „Doctor Mordrid“ der zweite Teil der „Full Moon Collection“ und beweist ein Herz für Serientäter: wieder lässt man den Kunden sein Mediabook aus drei unterschiedlichen Covermotiven auswählen. In diesem Artikel dargestellt ist Cover B; ein weiteres zeigt den alten deutschen Titel „Rexosaurus“ gemeinsam mit dem zugehörigen Knochengerüst, das tatsächlich erst im Finale eingreifen darf. Das dritte Cover wurde wieder von Ralf Krause angefertigt, der bereits „Lurking Fear“ mit einer dritten Alternative versorgt hatte.
Im Mediabook findet man diesmal eine 14-seitige Auseinandersetzung mit dem Hauptfilm von Torsten Dewi, ein dreiseitiges Interview mit Artwork-Künstler Lee MacLeod sowie zusätzlich diverse Poster und Produktionsfotos.
Auf den Datenträgern, einer DVD und einer Blu-ray, bleibt man dem bisher gefahrenen Kurs treu. Erneut darf man aus zwei Audiokommentaren wählen: Einer lässt Charles Band und Jeffrey Combs zur Sprache kommen und bietet optional deutsche Untertitelung; der andere ist dank des Mitwirkens von Booklet-Autor Torsten Dewi und Marco Erdmann gleich deutsch eingesprochen. Das vom Vorgänger bekannte „Videozone“-Feature wird auch hier geboten. Ein halbstündiges Interview mit Comiczeichner Jack Kirby gibt eine ausführliche Einordnung der Figur in das Comicuniversum, ein eineinhalbstündiges Hinter-den-Kulissen-Feature erzeugt in Bezug auf die Dreharbeiten richtiges Set-Flair und hohe Authentizität gemeinsam mit interessanten Making-Of-Infos. Ob man dieses spröde gefilmte, im Schneideraum wohl kaum bearbeitete Feature angesichts der besseren VHS-Qualität aber tatsächlich eine ganze Filmlänge lang durchhält, ist so die Frage – schön aber in jedem Fall, dass man es zur Verfügung hat, wenngleich anzumerken, dass es das einzige Feature ist, das es (aus Platzgründen?) nicht auf die DVD geschafft hat.
Den höchsten Unterhaltungsfaktor hat wohl ein etwa 10-minütiges Interview, das William Shatner mit Jeffrey Combs, Stuart Gordon und Barbara Crampton führt, was hauptsächlich der typisch süffisanten Art geschuldet ist, mit der Shatner insbesondere Crampton interessante Details entlocken will.Abgerundet wird das Paket mit dem typischen Set unterschiedlicher Trailer-Fassungen, einer Bildergalerie, einem Trailer-Rückblick auf „Lurking Fear“ sowie Ausblick auf den kommenden dritten Teil der Reihe, den Horror-Western „Ghost Town“.
Der Hauptfilm kommt mit sattem Filmkorn daher, das allenfalls in den Einstellungen mit grellen Spezialeffekten hin und wieder überdeckt wird. Angesichts der Production Values ist kein State-Of-Art-Bild zu erwarten, aber Bildschärfe, Farben und Kontrast genügen den Anforderungen eines Films dieser Kategorie. Der deutsche Ton wird in DTS-HD Master Audio 2.0 angeboten, beim englischen Ton darf man zwischen 2.0 und 5.1 wählen. Während „Lurking Fear“ szenenweise mit dumpfem Klang und irritierender Laut-Leise-Kanalaufteilung zu kämpfen hatte, läuft dieser Film ohne Auffälligkeiten durch.
Unter dem Strich ein Gesamtpaket, das mit dem sehr ordentlichen ersten Teil der Kollektion mithalten kann und ihn in gewissen Aspekten sogar überflügelt; nicht zuletzt auch in der Filmqualität.
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie von “Doctor Mordrid”
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