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The Fighter

Originaltitel: The Fighter__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2010__Regie: David O. Russell__Darsteller: Mark Wahlberg, Christian Bale, Amy Adams, Melissa Leo, Jack McGee, Mickey O’Keefe, Dendrie Taylor, Jenna Lamia, Bianca Hunter, Salvatore Santone, Erica McDermott, Sue Costello u.a.
The Fighter

Mark Wahlberg und Christian Bale geben Brüder Micky und Dicky in David O. Russells „The Fighter“

Mit Mark Wahlberg hatte David O. Russell bereits „Three Kings“ und „I Heart Huckabees“ gedreht, als er ihm die Hauptrolle in dem Boxerdrama „The Fighter“ gab, das wiederum Russells Karriere so richtig ankurbeln sollte: Sowohl „The Fighter“ als auch die Nachfolgeprojekte „Silver Linings Playbook“ und „American Hustle“ heimsten reichlich Oscar-Nominierungen und -Gewinne ein.

Basierend auf einer wahren Geschichte – ein Zusatz, der heutzutage fast schon nach Oscar-Nominierung schreit – erzählt „The Fighter“ die Geschichte der (Halb-)Brüder Dicky Eklund (Christian Bale) und Micky Ward (Mark Wahlberg), die beide Boxer sind. Dicky, der ältere, hat seine große Zeit hinter sich, als er sogar Sugar Ray Leonard bei einem Kampf zu Boden schlug und dabei seine Heimatstadt Lowell bekannt machte. Ihm folgt ein HBO-Kamerateam für eine Dokumentation, womit der Film nicht ungeschickt die nötige Exposition einficht, wenn Dicky sich, seine Familie und seine Heimat den Filmemachern vorstellt.

Dicky trainiert Micky für seine Kämpfe, während Mutter Alice (Melissa Leo) das Management übernommen hat. Zur Familie gehören noch Mickys Vater George (Jack McGee) sowie sieben Schwestern. Mickys Karriere ist eine Familienangelegenheit, die aber unter einer schweren Problematik leidet: Dicky als Trainer und wichtigste Bezugsperson ist süchtig nach Crack, was wiederum dazu führt, dass er seine Traineraufgaben vernachlässigt und – gemeinsam mit Alice – Entscheidungen trifft, die eher für den Geldbeutel der Familie Ward/Eklund gut sind als für Mickys Karriere. Familie ist im Boxerfilm oft wichtig, man denke an die „Rocky“-Reihe, aber so zentral wie hier war sie selten, weshalb „The Fighter“ eher ein Familiendrama mit Boxbezug ist. Das mag angesichts des Filmtitels irritieren, doch fast alle Figuren des Films sind Kämpfer, egal ob innerhalb oder außerhalb des Rings.

Als Micky die resolute Barkeeperin Charlene Fleming (Amy Adams) zur Freundin gewinnt und Dicky Probleme mit dem Gesetz bekommt, versucht der junge Boxer sich aus dem Griff seiner Familie zu lösen. Doch das ist leichter gesagt als getan…

httpv://www.youtube.com/watch?v=oFEnKJlw6EM

„The Fighter“ gehört zu jener Gruppe von Filmen, welche seit einer Weile den Zustand der amerikanischen Unterschicht unter die Lupe nehmen, man denke an „Winter’s Bone“ und vergleichbare Werke. Hier ist es die verarmte Arbeiterklasse von Lowell, die in vielerlei Gestalt kommt: Neben der Familie Mickys und Dickys gibt es Dickys Junkie-Kumpel, den Polizisten und Co-Trainer Mickey O’Keefe sowie diverse Bewohner Lowells, die für die HBO-Dokumentation interviewt werden. Dass „The Fighter“ dabei authentisch wirkt, liegt sicher daran, dass viele der Darsteller mehr oder minder sich selbst spielen, am prominentesten Mickey O’Keefe. Doch auch die Leute aus dem Viertel teilweise sind aus dem Freundes- und Familienkreis der Brüder gecastet, wie man im Making Of auf der DVD gut erkennen kann. Dabei erlaubt sich Russell einen Blick auf Augenhöhe, der die Beteiligten nicht der Lächerlichkeit preisgibt und verspottet, aber auch deren Probleme nicht beschönigt.

Denn bei „The Fighter“ sind die Familienmitglieder nicht nur Opfer der Umstände, sondern auch Täter: Die familiäre Umarmung Mickys wird immer mehr zum Würgegriff, wobei Alice und der Rest der Familie die Schäden an Mickys Karriere eben nicht nur aus selbstsüchtigen oder negativen Gründen verursachen, sondern dabei einfach ihr manchmal verqueres, manchmal erdrückendes Familienbild durchdrücken wollen. Dabei hebt Russell, oft im komödiantischen Bereich tätig, eben auch hervor wie viel Komödie im Drama stecken kann: Gerade wenn sich Alice und Mickys (durch die Bank weg als bratzig dargestellte) Schwestern in Rage reden und danach mit Charlene aufräumen wollen, dann ist das ein gewollter Witz, der auf Kosten der prolligen Familie geht, aber eben auch nicht unverdient ist und in einer wunderbar getimten, aber nicht aus dem Rahmen fallenden Eskalation endet.

Ein zentraler Punkt der Geschichte ist dabei der, dass Micky trotz seiner Fitness und seiner beeindruckenden Muskeln derjenige mit dem wenigsten Durchsetzungsvermögen ist, der sich mal von seiner Familie, mal von Charlene sagen lassen will, wo es eigentlich langgeht. Was wiederum bedeutet, dass ausgerechnet der Mainplot des Films der weniger spannende ist, das Drama um Dickys Verfehlungen und Lebenslügen viel interessanter. Denn Dicky ist eine zutiefst ambivalente Figur: Ein Junkie, der in Erinnerungen an frühere Großtaten schwelgt, die vielleicht gar nicht so groß waren (es geht das Gerücht um, Sugar Ray sei bloß ausgerutscht und nicht von Dicky niedergeschlagen worden), der Momente der Selbsterkenntnis immer wieder mit gezielter, teilweise drogeninduzierter Selbsttäuschung bekämpft. Jemand, der einerseits körperlich von den Drogen gezeichnet ist, andrerseits aber immer noch Sportler genug ist um in entscheidenden Momenten zu boxen oder zu rennen. Einer, der nicht wahrhaben will, dass die HBO-Dokumentation sich nicht um sein (illusorisches) Comeback, sondern um seine Cracksucht dreht.

Konsequenterweise dominiert Christian Bale („The Dark Knight“) den Film dann auch mit seiner herausragenden Performance, für die er sich ordentlich runterhungerte, was er aber durch entsprechende Schauspielkunst ergänzt: Dicky, der Selbstdarsteller, Dicky, das Wrack, und alle anderen Facetten eines gleichzeitig wohlmeinenden und selbstsüchtigen Menschen kann er bravourös herausstellen. Mark Wahlberg („Vier Brüder“) liefert ebenfalls Gutes ab, steht aber in Bales Schatten, ähnlich wie auch Amy Adams („Arrival“) überzeugt ohne ganz herausragen zu können. Melissa Leo („Prisoners“) als White-Trash-Mama und Jack McGee („Gangster Squad“) sind starker Support, aber der Film gehört letztendlich Bale – obwohl Russell schon einige durchaus starke Szenen mit ihm kürzte, wie an den Deleted Scenes zu sehen ist; vermutlich, damit nicht noch mehr von Mickys Geschichte abgelenkt wird.

Jene Geschichte bewegt sich dann auf klassischem „Rocky“-Terrain und zeichnet den Weg des talentierten Sportlers nach, der seine Chance schlussendlich bekommt, bis dahin allerdings einige Rückschläge einstecken und sein Leben auf die Reihe kriegen muss. In Sachen Nehmerqualitäten erinnert auch Micky Ward an den Italian Stallion, auch wenn sich Russell um etwas mehr Realismus in den wenigen, aber wuchtigen Boxkämpfen bemüht: Manchmal wird sogar der Originalkommentar der Matches von damals verwendet. Die Kämpfe sind gut choreographiert und haben Druck, bleiben aber Akzente in einer Geschichte, in der es mehr um Menschen und ihre Beziehungen geht.

Insofern verpackt „The Fighter“ in erster Linie Bekanntes neu, selbst wenn man mit der realen Geschichte von ‘Irish‘ Micky Ward nicht vertraut ist, denn der Mainplot gehorcht bekannten Boxfilmgesetzen. Doch eingebettet ist das Ganze ein stimmungsvolles, manchmal auch gewollt humoristisches Familiendrama, das von starken Darstellerleistungen lebt – allen voran jener von Christian Bale, der seinen Kollegen manchmal die Show zu stehlen droht.

Universum Film hat „The Fighter“ hierzulande ungekürzt ab 12 Jahren auf Blu-Ray und DVD veröffentlicht. Das sehenswerte Bonusmaterial umfasst Trailer, Interviews mit den Beteiligten, zwei Making Ofs und entfallene Szenen.

© Nils Bothmann (McClane)

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