Originaltitel: The Foreigner__Herstellungsland: Großbritannien/China/USA__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Martin Campbell__Darsteller: Jackie Chan, Pierce Brosnan, Rufus Jones, Charlie Murphy, Michael McElhatton, Tamia Liu Tao, Orla Brady, Katie Leung, David Pearse, Dermot Crowley, Rory Fleck Byrne u.a. |
Jackie Chan hat sich zuletzt sehr dem immer stärker werdenden Nationalstolz der Chinesen untergeordnet und ein teilweise arg extremes Sendungsbewusstsein für die Großartigkeit der Nation entwickelt. Gedankt wurde es ihm mit ein paar unverhofften späten Blockbusterehren, denn vor allem Chans Landsmänner und -frauen erfreuten sich gar sehr an den teils rührend naiven Realitätsverklärungen. Im Vergleich zu Filmen wie „Kung Fu Yoga“ oder „Armour of God: Chinese Zodiac“ nimmt sich sein neuester Film “The Foreigner” trotz massiver Finanzierung aus chinesischen Landen wie eine astreine Frischzellenkur aus.
London. Fan, die Tochter des Chinesen Quan, freut sich schon sehr auf eine demnächst anstehende Party. Auf der Suche nach einem passenden Party-Outfit lässt sie sich von ihrem Vater zu einem entsprechenden Geschäft kutschieren. Kurz nachdem Fan in dem Geschäft verschwunden ist, erschüttert eine Explosion den Straßenzug. Quan wird von der Druckwelle meterweit weggeschleudert.
Als er wieder zu sich kommt, stolpert er benommen in das von der Explosion zerstörte Bekleidungsgeschäft. Alles, was er vorfindet, sind tote Körper. Darunter seine Fan. Ohnmächtig vegetiert der gebrochene Mann fortan dahin. Sein einziger Lebenszweck: Die Mörder seiner Tochter müssen gefasst und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Doch die Nachforschungen der Polizei verlaufen äußerst schleppend. Man weiß im Grunde nur, dass eine Organisation namens Kern-IRA den Anschlag für sich reklamiert.
Als Quan zu Ohren kommt, dass in Belfast ein ehemaliges IRA-Mitglied die wichtige Position des First Deputy Ministers begleitet, konfrontiert er diesen mit seinem Wunsch nach den Namen der Attentäter. Doch der Politiker Liam Hennessy stellt sich quer. Zum einen, weil er die Terroristen nicht kennt. Zum anderen, weil ihm der Anschlag alles andere als gelegen kommt. Immerhin war Hennessy federführend an der Aushandlung des Friedensabkommens im Nordirlandkonflikt beteiligt. Er kann es also gar nicht brauchen, dass nach 19 Jahren angespannter Ruhe eine vermeintliche Splittergruppe der IRA auf englischem Boden einen neuen Krieg entfacht.
Doch Quan hat bei Hennessy ein ungutes Gefühl und ahnt, dass der aalglatte Politiker nicht ist, was er vorgibt zu sein. Vehement beginnt er darum, Hennessy zu bedrängen und ist in der Wahl seiner Mittel alles andere als zimperlich…
Schaut in “The Foreigner” mit Jackie Chan und Pierce Brosnan hinein
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“The Foreigner” basiert auf dem 1992 erschienenen Roman „The Chinaman“ von Stephen Leather und profitiert in erster Linie von seinen stark gegen den Strich gebürsteten Hauptdarstellern. Alleine die erste Begegnung mit Jackie Chans Charakter Quan lässt einen ordentlich schlucken. Die in ihren letzten Chinafilmen immer auf juvenil und im Saft stehend getrimmte Martial-Arts-Ikone schaut einfach nur krass alt aus. Eingefallene Gesichtszüge, fahle Haut, ergraute Haare, gebückte Haltung – nichts erinnert an den Action-Zampano der Marke „Police Story“ und Co.
Zudem wird er vom “The Foreigner”-Drehbuch früh darstellerisch gefordert. Muss seine emotionale, seine verletzliche Seite nach außen kehren, was Jackie Chan richtig gut rüberbringt. Wenn er im Zimmer seiner Tochter steht und an deren Sachen riecht, um sich an sie zu erinnern, hat er das volle Mitleid des Zuschauers auf seiner Seite. Und vor allem drückt man ihm für seinen Feldzug um Gerechtigkeit alle Daumen!
Doch das bleibt nicht immer so. Denn Quans rigides Vorgehen gegen Hennessy lässt den Zuschauer einige Male den Kontakt zu Quan verlieren. Macht ihn mindestens höchst ambivalent. Und lässt einen mehr als einmal fragen, wie weit man für seine Rachegefühle eigentlich gehen darf? Zumal Quans Aktionen teilweise weitreichende Folgen haben. Damit ist Quan meilenweit weg von den üblichen Jackie-Chan-Heldenfiguren. Ja, er war im Grunde einem Bösewicht nie so nahe wie hier. Doch den Zuschauer freut das, kündigt sich hier doch schon früh an, dass “The Foreigner” durchaus gewillt ist, komplexere Wege zu beschreiten.
Das wird vor allem bei Pierce Brosnans („Survivor“) Liam Hennessy überdeutlich. Auch der sympathische Ex-Bond wird nicht nur optisch (das Grau steht Brosnan allerdings prächtig!) ordentlich gegen den Strich gebürstet: Fremdvögelei, Ränkespiele, undurchsichtiges Strippengeziehe… Hennessy ist kein Kind von Traurigkeit, das hier allerdings vollkommen unvorhergesehen zwischen alle Fronten gerät.
Auf der einen Seite ist da der zunächst vermeintlich harmlose Quan, der allerdings urplötzlich Bomben bastelt und diese gerne in Hennessys Nähe hochgehen lässt. Auf der anderen Seite sind die politisch hochkomplexen und brisanten Zusammenhänge, die aufgrund des Bombenanschlags, bei dem Quans Tochter getötet wurde, komplett aus den Fugen geraten könnten. Was durch Quans unerbittliches Vorgehen nur noch beschleunigt wird, lässt es Hennessy gegenüber seinen Verhandlungspartnern doch schwach aussehen. Hennessy wird zum Getriebenen. Er kann irgendwann nur noch reagieren und wird kaum einen Weg finden, um sich schmerzfrei aus der Situation zu winden. Zur positiven Identifikationsfigur wird er so aber dennoch nicht. Denn wie Quan ahnt man, dass Hennessy nicht ganz koscher ist.
Und diese Komplexität in der Figurenzeichnung setzt sich in der durchgehend spannenden Handlung unumwunden fort. Die besteht zum einen aus einem absolut simplen Racheplot, der andererseits in einen hochkomplexen Rahmen gepackt wird, der mit vielen Namen und Schauplätzen hantiert. Dass man dennoch nie den Überblick verliert, zeigt, wie gut Regisseur Martin Campbell („Green Lantern“) seinen in kalten und unbequemen Bildern dargereichten Plot unter Kontrolle hat.
Auch in der Action trumpft der versierte Handwerker auf. Zeigt ein paar schöne Explosionen, die man in letzter Zeit im Actiongenre echt zu vermissen begann. Lässt er Jackie Chan von der Leine, langt dieser sehr hart hin und lässt jedwede Anflüge seiner sonst eher slapstickartigen Herangehensweise an seine Action weg. Häufiger tut die so präsentierte Action auch auf dem heimischen Sofa richtig weh. Ein echtes Highlight ist die letzte Actionsequenz im Film, die mit einem Shootout auf engstem Raum beginnt und hernach ein paar derbe Momente aufzubieten versteht.
Was am Ende bleibt, ist ein unvermutet komplexer Actionthriller, der extrem vom starken Spiel seiner beiden Antagonisten Jackie Chan und Pierce Brosnan lebt. Beide wurden gehörig gegen ihr übliches Image gebürstet und vor allem Jackie Chan bedankt sich für diese Möglichkeit mit einer teils extrem uneitlen Performance. Regisseur Martin Campbell hat den nicht immer simplen Plot von “The Foreigner” und sein weitgehend höchst ambivalentes Figuren-Interieur hervorragend unter Kontrolle und sorgt für eine durchgehend ordentliche Spannungskurve. Ein echtes Highlight sind die großartig gefilmten und mit echten Schauwerten wie fetten Explosionen aufwartenden Actioneskalationen. Diese sind zwar weitgehend nur highlightartig gesetzt und fallen eher kurz und knackig aus, hauen aber immer voll rein.
In diesem Sinne:
freeman
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“The Foreigner” ist ein mutiger Schritt für Jackie Chan
In den letzten Jahren hatte Jackie Chan sein Publikum vor alle mit sicheren Nummern bedient: Sequels zu früheren Hits wie „Armor of God 3: Chinese Zodiac“ und „Police Story: Back for Law“ und Kung-Fu-Komödien bewährter Bauart wie „Skiptrace“ und „Railroad Tigers“. Mit der britisch-chinesischen Co-Produktion hingegen wagte der Star sich auf weniger ausgetretenes Terrain.
Das fängt schon bei Quan Ngoc Minh (Jackie Chan), einer der zwei Hauptfiguren, an. Kein Hallodri, kein Weltenbummler, kein tougher Cop, sondern ein nach längerem Vietnamaufenthalt emigrierter Chinese, der in London ein Restaurant betreibt und seine Tochter Fan (Katie Leung) als einzige verbliebene Verwandte wie seinen Augapfel hütet. Als diese jedoch ein Kleid für ihren Abschlussball kaufen will, geht eine Bombe in dem Geschäft hoch – der noch einen Parkplatz suchende Quan muss die Explosion mit ansehen und seine tote Tochter in den Armen halten, als die Polizei am Tatort eintrifft. Damit ist schon klar wohin die Reise geht: Keine Witzeleien, kein Grimassenschneiden, auch keine fancy Kung-Fu-Akrobatik, sondern bodenständiger Actionthrill, in dem der überfürsorgliche Quan ein wenig an Bryan Mills aus der „Taken“-Saga erinnert.
Während der Terroranschlag die gesamte Welt erschüttert, laufen vor allem beim leitenden irischen Minister in Belfast, Liam Hennessy (Pierce Brosnan), die Telefone heiß. Der ist früheres IRA-Mitglied, will das Karfreitagsabkommen beibehalten und ist in Bedrängnis, als sich eine Splittergruppe namens Authentic IRA zu der Tat bekennt. Quan und Hennessy sind nicht nur die zwei prominent besetzten Gegenpole des Films, sondern auch Verkörperungen der zwei Genres, die hier nicht immer sauber aufeinandertreffen: Dort die Einzelkämpferaction mit Rachemotiv, hier der Politthriller mit weniger klaren Fronten und undurchsichtigen Playern.
Quan löchert die Behörden mit Anfragen nach den Namen der Bomber, wird aber abgewimmelt – nicht zuletzt, da noch keine Fahndungsergebnisse vorliegen. Das ist Quan nicht genug: Er geht nach Belfast und beginnt einen Privatkrieg mit Hennessy um die Namen zu kommen. Denn er selbst hat eine Vergangenheit als Sprengstoffexperte und Elitekämpfer…
Hieße der zugrundeliegende Roman von Stephen Leather nicht „The Chinaman“, man könnte fast meinen, dass die Chan-Rolle nachträglich in einen Politthriller über die (Spät-)Folgen des Nordirlandkonflikts hineingeschrieben wurde. Denn so sehr der Film auch auf die Zugkraft seines Actionstars vertrauen mag, so gut käme er ohne die Quan-Figur aus, die man fast ohne große Verluste aus der Handlung schreiben könnte. Seine Aktionen wirken teilweise als Katalysator und beschleunigen gewisse Prozesse, doch er trägt so gut wie nichts zur Entwirrung des Thrillerplots bei. An einer Stelle verschlimmert alles beinahe noch: *SPOILER* Nämlich, wenn er ohne Vorkenntnisse die Terrorzelle in Eigenregie richtet und somit fast die Chance zunichtemacht eine bereits scharf gemachte Bombe zu finden. Da kann die Polizei fast von Glück sagen, dass er seine Arbeit nicht hundertpro macht und es immerhin eine verletzte Überlebende gibt. Noch zwiespältiger fällt sein letzter Vergeltungsakt aus, der Hennessy entmachtet, obwohl dieser ein wichtiger Friedensgarant ist – doch Quans persönliche Rachebefriedigung geht ihm vor. *SPOILER ENDE* Vielleicht mögen dies auch bewusste Gedanken des Drehbuchs gewesen sein, doch das wird leider nie so recht deutlich.
Denn tatsächlich besitzt “The Foreigner” Ansätze dazu die Konsequenzen von Rache in einem Unterhaltungsfilm auszuloten, die Frage danach zu stellen wann das Maß überschritten sein könnte – ähnlich wie es etwa „Law Abiding Citizen“ schon einmal versuchte. So ist Quan teilweise ein traurig erscheinender Fanatiker, der mit Bestechung und Bombenterror aus Leuten Informationen herauspressen will, die diese gar nicht haben. Ein bestechender Ansatz, den das Drehbuch leider irgendwann konterkariert, vielleicht auch mit Hinblick auf Chans Starimage: Es gibt doch Dinge, die man vor ihm verborgen hat, sein Tun hat also eine gewisse Richtigkeit, sodass der Rächer nicht als fehlgeleitet entlarvt wird – das wäre mal ein Ansatz gewesen. Die wesentlich komplexere Figur ist allerdings Hennessy: Der betrügt die Ehefrau und ist selbst nach einem Bombenanschlag nicht um einen politischen Winkelzug verlegen, setzt aber anscheinend alles an die friedenstiftende Aufrechterhaltung des Karfreitagsabkommens. Noch dazu ist er bereit für seine Ziele bis zum Äußersten zu gehen, sodass der Zuschauer nie genau weiß, ob er von dieser Figur fasziniert oder abgestoßen sein soll.
Ganz klar ist nur, dass der Ton hier ein rauer ist. Egal ob Terroristen, diplomatisch agierende (Ex-)IRA-Mitglieder, britische Gesetzeshüter oder chinesische Einzelkämpfer, hier schreckt kein Beteiligter vor rabiater, teilweise mörderischer Gewalt zurück. Als Stimmungsfilm ist „The Foreigner“ daher durchaus eindrucksvoll, zeigt ein Land, in dem Privates und Politisches sich vermischen, in dem (vermeintliche) Schmach auch Jahre später noch gesühnt wird, in dem auch Freunde und Familie Grund haben einander zu misstrauen. Vielleicht wäre “The Foreigner” als reines Politdrama packender gewesen, ergeben sich durch die Hatz auf Quan, von der man weiß, dass sie ergebnislos bleiben muss, doch einige Längen. Zudem bleibt Quan als Figur enttäuschend unterentwickelt, da helfen ein paar kurze Flashbacks nicht viel.
In Sachen Action hält sich “The Foreigner”, gerade bei fast zwei Stunden Lauflänge, eher zurück. Für quasi jede Actionsequenz ist Quan da: Ein Scharmützel mit Häschern in einem Bed and Breakfast, ein „Rambo“-artiges Katz-und-Maus-Spiel mit Verfolgern im Wald, inklusive Fallenstellen, ein Fight mit einem ebenbürtigen Gegner und ein finales Abräumen. Allesamt eher kurz, im Einklang mit dem eher bodenständigen Stil des Films, aber kompetent in Szene gesetzt von Regisseur Martin Campbell („Flucht aus Absolom“) und Stunt Coordinator Greg Powell („The Hitman’s Bodyguard“). Wilde Akrobatik gibt es auch nicht zu sehen, auch wenn sich Chans Markenzeichenkicks doch etwas vom Realismus der Marke Bourne oder „Taken“ wegbewegen, doch ansonsten sind die Kämpfe ruppig und relativ realistisch, mit gelegentlichem Schusswaffengebrauch. Hin und wieder gibt es ein paar Explosionen zu bestaunen, wobei “The Foreigner” Terrorakte dankbarerweise nicht als bildschirmfüllende Action inszeniert, sondern als die Grausamkeiten, die sie sind. Die reinrassigen sonstigen Actionszenen hingegen sind kleine Schauwert-Auflockerungen, doch der Fokus liegt auf den politischen Verwicklungen und dem Duell zweier willensstarker Männer.
Dabei ist Jackie Chan („Kung Fu Yoga“) als fanatischer Daddy auf Rachekurs angenehm gegen seinen Rollentyp besetzt, auch wenn er immer noch kein Charakterdarsteller wird. So gut wie in „New Police Story“ ist er zudem nicht, aber der Film kommt ihm dadurch entgegen, dass Quan immer ein bisschen abwesend, ein bisschen seelisch tot und daher emotionsarm erscheint. Eine Wonne ist Pierce Brosnan, der seine schon etwas zwielichtigen Figuren aus „The November Man“ und „No Escape“ aufnimmt und noch eine Spur zwielichtiger macht, als Machtmensch mit eigener Agenda, bei dem man nie genau weiß, ob man ihm trauen kann. In Nebenrollen setzen vor allem Michael McElhatton („The Autopsy of Jane Doe“) und Rufus Jones („Paddington“) als Hennessys Vertraute sowie Orla Brady („Into the Badlands“) als entfremdete Ehefrau Akzente.
“The Foreigner” ist ein durchaus mutiger Schritt für Jackie Chan, der hier nicht den astreinen Sympathieträger spielt und sich abseits seiner Rolle als Kung-Fu-Clown wagt. Schade nur, dass seine Figur nur begrenzt etwas zu dem Film beiträgt, der mehr als brisanter Politthriller überzeugt. Als solcher hat “The Foreigner” ein beeindruckendes Stimmungsbild von Machtmenschen, Taktikern und Fanatikern zu bieten, das leider nicht sein volles Potential nutzt, da die Quan-Rolle manchmal wie ein Fremdkörper erscheint. Für einen reinrassigen Actionthriller wiederum sind Quan und die damit verbundenen Schauwerte nicht präsent genug.
Die deutsche DVD / Blu-ray von “The Foreigner” kommt am 23. Februar 2018 von dem Label Universum Film und ist mit einer FSK 16 Freigabe ungeschnitten. Die wenigen Extras (Interviews, Trailer, Mini-Featurette) fallen leider sehr oberflächlich aus. Einblicke in die Stuntarbeit, wie von Jackie-Chan-Produktionen gewohnt, gibt es keine.
© Nils Bothmann (McClane)
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