Originaltitel: Death Wish__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Eli Roth__Darsteller: Bruce Willis, Vincent D’Onofrio, Elisabeth Shue, Camila Morrone, Dean Norris, Kimberly Elise, Beau Knapp, Len Cariou, Jack Kesy, Ronnie Gene Blevins, Kirby Bliss Blanton, Andreas Apergis, Ian Matthews, Wendy Crewson u.a. |
Das “Death Wish”-Remake war lange Zeit in der Mache, mal mit Sylvester Stallone als geplantem Hauptdarsteller, mal mit Joe Carnahan auf dem Regiestuhl. Carnahan wird (trotz massiver ungenannter Umschriften) immer noch als alleiniger Drehbuchautor des Films geführt, den schlussendlich Eli Roth drehte. Im Angesicht von dessen Filmographie eine naheliegende Wahl, zollte Roth den 1970ern und seinen Genres schon mehrfach Respekt, von den Folterexzessen der Dekade („Hostel“) über Kannibalenfilme („The Green Inferno“) bis hin zu Home-Invasion-Thrillern („Knock Knock“).
Der 1974er Charles-Bronson-Film, der Brian Garfields Roman schon mit einigen Freiheiten adaptierte, ist Grundlage der 2018er Verfilmung, da diese noch weniger mit dem Buch zu tun hat. In einigen Punkten tun Modernisierungen sicherlich Not: “Death Wish” spielt nun in Chicago, das mit einer hohen Mordrate zu kämpfen hat, während die im Roman und in „Ein Mann sieht rot“ als Handlungsort dienende Stadt New York nach der (teilweise sehr fragwürdigen) Law-and-Order-Politik von Rudy Giuliani in den 1990ern nicht mehr zum Verbrechensmoloch taugte. Außerdem ist Paul Kersey (Bruce Willis) nicht mehr Architekt, sondern Chirurg, was dem Drehbuch in zwei Aspekten hilft. Es erklärt, warum Kersey spätere Wunden selbst flicken kann; außerdem sieht man in der Auftaktszene noch, wie Kersey erst einen angeschossenen Polizisten in der Notaufnahme für tot erklärt, danach losschreitet, um den Schützen zu operieren und ihm eventuell das Leben zu retten – Kersey ist also ein gesetzestreuer Bürger, der den hippokratischen Eid sehr ernst nimmt.
Paul lebt mit seiner Frau Lucy (Elisabeth Shue) und seiner Tochter Jordan (Camila Morrone) in einer Suburbia-Idylle, die man fast schon als überzeichnet ansehen kann: Paul ist der erfolgreiche Arzt, die stets lächelnde Gattin hat ihren Doktor fast gemacht und die stets lächelnde Tochter ist an der Wunschuni in New York angenommen worden. In diese heile Welt kracht dann das für Rache- und Selbstjustizfilme übliche Unglück, in diesem Fall ein Einbruch an Pauls Geburtstag. Das Gaunertrio denkt, die Familie wäre zum Abendessen aus dem Haus, doch da Paul kurzfristig in der Notaufnahme arbeiten muss, sind Lucy und Jordan daheim. Als die Einbrecher sie bedrohen, eskaliert die Situation, wobei das Ganze gerade angesichts sowohl des Vorbilds als auch Roths sonstiger Exploitationware vergleichsweise zahm ausfällt.
Jedenfalls hat Paul bald die eigene Familie im OP, wo Lucy verstirbt, während Jordan ins Koma versetzt wird. Anfangs trauert Paul noch und vertraut auf die ermittelnden Cops, Detective Kevin Raines (Dean Norris) und Detective Leonore Jackson (Kimberly Elise). Doch als er nach Wochen keine Bewegung in dem Fall sieht und ihm eine Waffe in die Hände fällt, geht er als Vigilant selbst auf die Straße…
httpv://www.youtube.com/watch?v=91JSgntow48
In den USA gab es angesichts des Veröffentlichungszeitpunkts von “Death Wish” (erst wegen des Las-Vegas-Amoklaufs verschoben, dann kurz nach dem Parkland-Amoklauf veröffentlicht) und seiner vermeintlichen politischen Einstellungen kontroverse Diskussionen. Dabei ist Roths “Death Wish” ein Film, der für alle Seiten etwas parat hat. NRA-Fans können sich natürlich darüber freuen, dass hier der Bürger mit der Knarre in der Hand die Resultate bringt, welche die Polizei bestenfalls verspätet schafft, während andere Szenen die laschen Waffengesetze karikieren, vor allem wohl Kerseys Besuch in einem Waffenladen, wo die aufgedrehte Verkäuferin ihm unter anderem quirlig erklärt, dass sowieso jeder den Sicherheitsunterricht besteht, der beim Waffenerwerb nötig ist. Bei einigen Momenten weiß man als Zuschauer gar nicht mehr, ob das noch Ernst oder schon Satire ist, vor allem in jener Gaga-Sequenz, die sich an Lucys Beerdigung in ihrer texanischen Heimat anschließt: Da fährt Kersey mit seinem Stiefvater heim, der auf der Fahrt ein paar Wilderer auf seinem Land entdeckt und die drei besser bewaffneten Männern mit seinem futzeligen Uralt-Karabiner vertreibt, was Kersey wohl die Vorzüge des Waffentragens näherbringt, so deutet der Film an.
Sowohl unter den Gesetzeshütern als auch unter den Schurken herrscht hier ethnische Durchmischung, mit Ausnahme von Latinos, die nur auf Verbrecherseite zu finden sind. Dabei versucht „Death Wish“ immerhin, die Themen unserer Zeit anzuschneiden: Zwei Radiomoderatoren kommentieren Kerseys Taten in ihren Shows, der eine positiv, der andere eher negativ, wobei es sich dabei um zwei echte Radio-DJs handelt, die auf von Roth vorgelegte Szenarios reagieren und damit Authentizität generieren sollen. In diesem Sinne kommt auch Social Media ins Spiel, wenn die Taten des als Grim Reaper bezeichneten Kersey ihren Weg unter anderem auf YouTube und in Memes finden, wobei es etwas albern anmutet, dass niemand sein nur unter einem Hoodie verborgenes Gesicht filmt. Aber dann wäre der Film auch zu schnell vorbei gewesen. Allerdings: “Death Wish” reißt zwar alle möglichen Diskurse an, hat aber zu nichts etwas zu sagen, wodurch es bei (wahrscheinlich gut gemeinten) Ansätzen bleibt, die den Film aber nicht weiterbringen.
Ein noch größeres Problem ist allerdings jenes, dass “Death Wish” inszenatorisch und erzählerisch auf keine einheitliche Ebene kommt. Beginnt der Film noch wie das Original damit, dass sich Kersey wahllos Verbrecher vorknöpft, so rascheln in der Mitte auf einmal die Drehbuchseiten, damit der Protagonist durch einige begrenzt glaubwürdige Zufälle doch noch den Killern seiner Frau auf die Schliche kommt – im Original fand Kersey den Mörder seiner Frau nie, sondern beging einfach nur Akte der Selbstjustiz. Hier ist nach zwei Selbstjustizaktionen, einmal gegen Autodiebe, einmal gegen einen Drogendealer, nur noch eine Mörderhatz angesagt, die allerdings kaum Tempo und noch weniger Überraschungen hat und zusätzlich darunter leidet, dass es keinen vernünftigen Antagonisten gibt. Wenn dann im letzten Viertel noch ein angeblich so böser Oberschurke aus dem Ärmel geschüttelt wird, dann wirkt das reichlich hilflos vom Drehbuch. Dabei changiert der Film immer zwischen Crime-Drama mit ernsten Gedanken zum Thema Selbstjustiz, straightem Vigilanten-Reißer und kruder Exploitationware hin und her, ohne dass es eine klare Linie gäbe – manche Szenen wirken nebeneinander, als seien sie aus verschiedenen Filmen.
Auch Bruce Willis („Precious Cargo“) kann den Film nicht so ganz zusammenhalten, wirkt der Actionstar doch nur begrenzt engagiert in seiner ersten Kinohauptrolle nach diversen direct-to-video-Produktionen mit wenigen Drehtagen – die waren vielleicht nicht gut für seine Arbeitsmoral. Sicher, Willis ist als Bad Ass immer noch ganz cool, hinterlässt aber selten einen bleibenden Eindruck und wirkt gerade in den emotionalen Momenten des Films distanziert. Andere hat es dagegen aber schlimmer getroffen: Elisabeth Shue („Leaving Las Vegas“) hat kaum etwas zu tun, dann ist ihre Figur auch schon tot, während die einzige Funktion von Vincent D’Onofrio („In Dubious Battle“) in der Rolle von Pauls Bruder Frank darin besteht, noch einmal alle Sachverhalte zu Paul Kerseys Werdegang explizit auszubuchstabieren, falls irgendein Zuschauer zu blöd ist, diese zu begreifen. Dean Norris legt seine Coprolle aus „Breaking Bad“ auf, nur halt mit weniger Nuancen, während Kimberly Elise („Bait – Fette Beute“) als zweiter harter Bulle mit weniger Screentime immer nur wie Norris‘ Sidekick wirkt. Beau Knapp spielt nach „Edge“ und „The Nice Guys“ mal wieder einen ultraschmierigen Schurken, bekommt aber nichts Vernünftiges zu tun. Da kommt Schauspieldebütantin Camilla Morone fast am besten weg, auch wenn sie meist nur regungslos im Krankenbett liegen muss.
Natürlich kann man über solche Schwächen ja durchaus wegsehen, wenn ein Selbstjustizactioner wenigstens das bietet, was das Genre verspricht – zünftige Selbstjustizaction. Doch Roth serviert dem Zuschauer nur ein paar dröge Shoot-Outs, die schon in den 1970ern nur Standardware gewesen wären und heutzutage dementsprechend lahm wirken. Zudem bekommt es Kersey mit maximal drei Gegner gleichzeitig zu tun, man beschießt sich eher statisch und Kerseys List im seltsam drangepappt wirkenden Finale verrät bereits der Trailer. Sonderlich heftig ist das Ganze dann auch nur in der Werkstattszene, in der ein explizit zermatschter Schädel auf eine Foltereinlage folgt, was „Death Wish“ in mehreren Ländern hohe Freigaben sicherte und verdeckt, dass der Rest zahme Standardware bleibt. Mit Logik hält man sich hier auch nicht groß auf, etwa wenn Kersey zwischen einer Toilettenschüssel und der Toilettenwand eingeklemmt von einem Schurken beschossen wird, der Übelwicht aber anscheinend nicht in der Lage ist, den in seiner Position festgetackerten Vigilanten zu treffen, sondern immer wieder über ihn hinweg schießt.
Insofern kann man sich zwar über die politischen Inhalte von „Death Wish“ streiten, doch der Film ist viel zu mutlos um da wirklich Stellung zu beziehen. Und derartige Diskussionen verdecken auch nur, dass die Neuauflage des Selbstjustizklassikers ein inkohärent inszenierter Reißer nach Schema F ist, dessen dröge Hausmannskostactionszenen noch nicht einmal der mal wieder tadellose Schnitt von Mark Goldblatt („Last Boy Scout“, „Bad Boys II“) retten kann. Wie eine zeitgenössische “Death Wish”-Variante mit Hintersinn hätte aussehen können, das zeigte vor rund zehn Jahren „Death Sentence“, und wer knallige One-Man-Army-Selbstjustizaction sehen möchte, der wird mit Werken wie „Taken“, „John Wick“ und „The Equalizer“ deutlich besser bedient.
Knappe:
Universum Film bringt “Death Wish” ab dem 8. März 2018 in die deutschen Kinos. Von der FSK gab es eine Freigabe ab 18 Jahren für die ungekürzte Fassung.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Universum Film__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 8.3.2018 in den deutschen Kinos |